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Musik | music

Zu alt, um ein Emo zu sein?

Vorgestern war ich auf dem Konzert meiner Lieblingsband, Bright Eyes, in der Arena Wien. Dass das Konzert super werden würde, das hatte ich sowieso erwartet – und wurde mit einem zweistündigen Gewitter aus melancholischen Melodien und bombastischem Rock-Geröhre, teilweise dargeboten mit zwei Schlagzeugen (!), nicht enttäuscht. Viel mehr fragte ich mich aber: Wie würde das Publikum wohl sein? Denn auf YouTube wurden die Videos der Band nicht selten mit dem Schlagwort „Emo“ versehen.

Emo, das ist diese komische Jugendkultur, die seit einigen Jahren in der Welt herum geistert. „Emo“, das ist die Abkürzung für „emotional“; und als genau das sehen sich die Emos: Als die emotionalsten Menschen des Universums. Emo-Musik ist folglich auch das, worunter die Stücke von Bright Eyes meist fallen: Traurig-melancholisch („Lua“), bis hin zu aggresiivem Lärm („Road to Joy“). Männliche Emos tragen gerne dunkle Kleidung und – so wie Bright Eyes-Frontman Conor Oberst und ich – Seitenscheitel.

Ich steh ja dazu: Wäre ich zehn Jahre später geboren, dann wäre ich ein Vollblut-Emo gewesen. Oder, anders gesagt: Es hätte eine Jugendkultur gegeben, in die ich rein gepasst hätte. Dann hätte ich mich mit meiner dunklen Kleidung, dem Seitenscheitel, der düsteren Musik besser irgendwo eingliedern können; dann hätte ich vielleicht Seelenepartner für meine bei Kerzenlicht verfassten Gedichte gefunden (die – nebenbei bemerkt – fürchterlich waren). Aber stattdessen musste ich mich damit abfinden, irgendwo zwischen Goth und Beat Poet dahin zu dümpeln. „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“, sangen damals die grandiosen Tocotronic. Und brachten mein Dilema – vermutlich ungewollt – irgendwie auf den Punkt.

Dem Musikstil entsprechend erwartete ich, eben jene Jugendkultur in der Arena beim ausverkauften Konzert anzutreffen. War aber nicht so. Stattdessen: Überraschend viele Bobos statt Emos. Und auch die einen oder anderen Snobs. War ich am falschen Konzert? Nein, war ich nicht. Noch schräger das Eck, in dem wir standen, ganz hinten rechts: Dort senkten wir den Altersschnitt nämlich enorm, denn der Großteil des dort versammelten Publikums war jenseits der 40.

Wen wundert’s? Beim genaueren Nachdenken eigentlich niemanden. Denn der heute 31-jährige Conor Oberst hat schon Mitte der 90er Musik gemacht, bloß kannte ich ihn damals noch nicht. Und die Hits aus der damaligen Zeit sangen die heute 40jährigen begeistert mit. Damals waren diese Leute auch eine gute Spur jünger, hatten sich wohl irgendwie „emotional“ gefühlt und gerne seine Musik gehört. Ich war halt damals jünger als meine Stehnachbarn auf dem Konzert – und bin heute älter als die „Emos“ heute.

Die Lektion daraus: Emo lässt sich nicht über eine Jugendkultur definieren. Und auch nicht über einen Haarschnitt oder Kleidung. Emo ist dieses wohlig-warm-dunkle weltverachterische Gefühl, dieses tiefe Seufzen am Frühstückstisch oder am Weg in die Arbeit, diese leichte Arroganz, gepaart mit einem Hauch Selbstverachtung – eben das, was unser Leben so emotional macht.

Für Emo, das habe ich jetzt verstanden, ist man nie zu alt.

Feedback to the worst techno song ever

The feedback that I got to my techno song – which was described as „the worst techno song you’ll ever hear“ – was actually not what I had expected. Some people totally hated it, which actually was my original intention. But others gave some positive feedback: Especially those people who play in bands themselves actually enjoyed the rawness and the simplicity of my… erm… let’s just call it „noise“. Others said it could be easily played in some fancy club in Berlin, and nobody would recognize that I’m in fact not a real techno freak, but just a guy who likes to try out different things. One friend even told me that I „totally missed“ my goal – since the music is not awful enough.

Thanks to all of you. Your feedback totally motivates me; since I have realized that I might have met my goal to at least insult a few people – but that it takes much more awful sounds to actually bring the cacophony to a higher scale. I promise, I will try harder – in order to finally piss you all off totally. Yes: Awfulness will prevail.

The worst techno song you’ll ever hear

I claim to be quite a respectable guitarist, and I’ve played in several different bands during the past years. But somehow, we never really seemed to take off, get amazingly good record deals and fill stadiums with our songs – in fact, playing at „Hermann’s Strandbar“ last summer was the preliminary peak of my career as a musician. In other cases, me and my mates didn’t even make it out of the rehearsal room.

The reason for my failure seems obvious to me nowadays: Perfection. Basically, we used to stick to improving a song on and on, instead of simply going out and trying to rock the hell out of the audience: Back in 2001, me and my bros in a Death-Metal-Band actually rehearsed an epic hymn for about a year, until somebody suddenly  had the idea to simply drop the whole thing and go back to square one. That was the point when I quit the band.

Now, after not making any music for several months, I have tried a different approach. Let’s just call it „cacophonic simplicity“. The basic ideas:

  • Compose a song as fast as possible, invest almost no energy
  • Don’t work with other people, only with the computer
  • In fact, let the computer do most of the work
  • Mission objective: Piss off as many people as possible with horrible tunes. And grin if they say your music sucks

The result is some midi orgy which I put together in Cubase within two hours. Two hours? Yes, well, composing a song would have actually taken less time – but I also needed to find a proper text-to-speech-converter, learn how to use it, find quotes by Josephine Baker and convert them – it was Josephine’s birthday, so I wanted to honor her in my own way.

Of course, there is no major one-hit-wonder without a music video. So I took the song, stuck it into Adobe Premiere Elements, added several hours of 20s-movies and let the computer do the work – after two days of rendering non-stop, the masterpiece (an automatically generated movie) was finished.

Now, you can watch the video online – on this blog, and also on YouTube. Please feel free to tell me what you think about my little masterpiece of madness. Quite likely, you’ll hate it – so my mission is accomplished.

Nichts Neues an der Selbstfindungs-Front

Die Band REM rund um Sänger Michael Stipe kann guten Gewissens als die institutionalisierte Selbstfindung schlechthin bezeichnet werden – wohl kein Studentenzimmer auf der Welt gibt es, indem zu pseudointellektueller Diskussion nicht Stücke wie „Losing My Religion“ oder „Shiny Happy People“ gelaufen sind. REM waren zudem Inspiration für zahlreiche andere Bands, von der US-amerikanischen Band Live bis zu vielen meiner eigenen Musikprojekte – während aber Live sich mittlerweile aufgelöst haben und meine letzte Band ebenfalls eine kreative Pause einlegt, sind REM wieder da: Mit ihrem neuen Album „collapse into now“.

Zugegeben: Der Journalist in mir fand das Album unglaublich platt. Bei objektiver Betrachtung ist auf den ersten Blick offensichtlich, dass die Band wenig neue Ideen hat – ein Rocksong hier und eine Ballade dort, aber im Endeffekt klingt alles wie die vorherigen Alben. Pfui, hinfort damit – vorerst habe ich das Album nicht mehr angerührt.

Bis ich heute beim Kaffeekochen mich selbst beobachtete.

Denn da stand ich in der Küche und ertappte mich dabei, wie ich Melodien aus „collapse into now“ summte. „Ihr verdammten Hunde“, dachte ich mir: „Habt Ihr es also doch wieder geschafft.“ Flugs also den mp3-Player angeworfen, Kopfhörer eingesetzt und Kaffee schlürfend auf dem Weg in die Redaktion den Verdacht bestätigt: Auch diesmal haben REM wieder ein ordentliches Ohrwurm-Album produziert.

Es ist schwer, einzelne Beispiele heraus zu greifen. Der rockige Opener „discover“ bleibt ebenso im Ohr kleben wie das Schmuselied „Oh My Heart“. Das alles wie gesagt, ohne sonderlich kreativ zu sein: Rhythmus-Gitarre, Streicher, der eine Riff hier und da, ein flüsternder, schreiender und jaulender Stipe plus Backing-Vocals. Den Höhepunkt der Banalität bildet mit einem straightem Songaufbau, verzerrter E-Gitarre und melodiösem Refrain der Rocksong „mine smells like honey“ – und dieses Lied ist zugleich jenes Stück, das in mir am meisten die Vorfreude auf die kommende Festival-Saison weckt.

Denn so sehr der Journalist in mir auch die objektiven Kriterien heran ziehen möchte: Der Stefan in mir freut sich auf 30 Grad, Sonnenbrille, Staub, Dosenbier – und vor mir auf der Bühne ein Michael Stipe, der mir vorsingt, warum ich so bin wie ich bin.Fazit: Wenige Band dürfen so unverschämt sein, jahrzehntelang das Gleiche zu machen – aber REM gehören zu dieser seltenen Spezies. Der guten alten Studentenzeit wegen.

Ich liebe es, wenn Stipe mit anderen Bands live spielt.

Hier ein gemeinsamer Auftritt mit Radiohead.

Ein Mega-GAU aus Kabeln, Keyboards und Streaming

Wenn der Mieter einer Wohnung Technik- und Musikliebhaber in Personalunion ist, erkennt man das vor allem an der Masse an Kabeln. Meine Wohnung ist dafür das Paradebeispiel, denn ich möchte möglichst alle Musikformate überall genießen können, habe entsprechend viele Kabel gelegt und Programme installiert.

Die Wurzel aller Musik ist in den meisten Fällen mein PC. Von diesem spiele ich die Klänge direkt auf meine Stereoanlage. Das ginge freilich simpel: Ich könnte einfach über ein Klinkenkabel die beiden Geräte ohne Zwischenstufe verbinden. Allerdings habe ich als Hobbymusiker seit vielen Jahren eine große Liebe, die mir die Treue hält: Meine Audiokarte Tascam US-122L-über diese kann ich auch Mikrofone, Gitarren und ein Midi-Keyboard an den PC anschließen. Und freilich die Musikanlage inklusive Boxen.

Als Abspielsoftware hat sich nach langem Widerstreben meinerseits schließlich doch iTunes durchgesetzt. Erstens, weil die Apple-Fessel iTunes die einzige Möglichkeit zum Synchronisieren meines iPhones mit dem PC ist; und zweitens aus einem echten Vorteil der Apple-Lösung heraus: Mit der App“ Remote“ kann nämlich das iPhone innerhalb des WLAN als Fernbedienung für iTunes verwendet werden, man muss also zum Wechseln der Musik nicht vom Sofa aufstehen.“ Remote“ lässt sich bedienen wie ein iPod, und sogar die Lautstärke lässt sich mit der Fernbedienung verändern. Echte Apple-Fanboys verwenden sogar eine Lösung namens“ AirTunes“, um Musik via AirPort Express direkt von ihrem iPhone auf die Boxen zu streamen.

Klingt nach zu viel Hightech? Hier ein kurzer Moment zum Aufatmen: Vinyl findet sich in meiner Unterkunft ebenfalls, denn Schallplatten haben Stil und eignen sich zum Angeben; außerdem haben sie einen langfristigeren Wert als MP3s, die nur aus Bits und Bytes bestehen. Allerdings hat die Nostalgie auch einen großen Nachteil: In die Sakko-Tasche passen die Platten nicht rein. Dieses Problem lässt sich lösen, indem der Plattenspieler die Schallplatten auf einen USB-Stick überspielen kann. So hat man die knacksende Musik auch im handlichen MP3-Format. Weil ich Songs aber auch gerne unterwegs hören möchte, nutze ich die Macht des Cloud Computing: Das MP3 wird auf meinen Account der App“ Zumo-Drive“ gespielt; mit dieser kann ich die Sicherungskopie aus dem Internet direkt auf Handy oder Netbook spielen-überall auf der Welt, ohne USB-Sticks mitzuschleppen.

Ein Kombination all dieser Kabel und Apps führt zu einer interessanten Conclusio: Theoretisch wäre es möglich, die kopierte Schallplatte via iPhone aus der Cloud zu streamen und dies direkt via AirPlay und Air-Port auf meinen Boxen wiederzugeben. Das wäre spitze. Oder, geringfügig unkomplizierter: Ich lasse Hightech mal Hightech sein, lege die Nadel auf das Vinyl, lehne mich auf dem gemütlichen Sofa zurück und genieße einfach die Musik als das, was sie sein soll: Entspannend.

(Aus Gründen der Effizienzmaximierung erschien dieser Beitrag auch in Stefan Meys wöchentlich Kolumne im WirtschaftsBlatt Investor).

King of Limbs? Wohl eher: King of Langweilig.

Lieber Thom,

mit Dir und Deiner Band „Radiohead“ verbinde ich sehr viel. Im Grunde habt Ihr mich durch meine gesamte Postpubertät begleitet. Umso mehr bin ich nun verwirrt; um nicht zu sagen: Enttäuscht. Aber mehr dazu später.

Meinen ersten Kontakt mit Euch hatte ich wohl schon in der Pubertät. Bei irgendeiner Gelegenheit habe ich damals „Creep“ gehört. Vielleicht bei einer Party, oder im Radio oder bei einem Freund – wurscht. Entscheidend ist: Diese Musik hat meine Stimmung damals treffend beschrieben. Weil aus der Sicht eines Pubertierenden man ja der einzige traurige Mensch auf der Welt ist, und niemand einen versteht, weil man ja so wahnsinnig anders ist. Das war toll; ich konnte mich in Deinem Gejammer wiederfinden und gleichzeitig zu den E-Gitarren innerlich so richtig abrocken.

Dann habe ich zu studieren begonnen; und eine Freundin drückte mir Eure Alben „OK Computer“ und „The Bends“ in die Hand. Besonders Ersteres habe ich in meinem kleinen, unaufgeräumten WG-Zimmer rauf und runter gehört. Es wurde zum Aufstehen ebenso gespielt wie zum Lernen (was zugegebenermaßen eher selten vorkam). Während meines Erasmus-Semesters habe ich mir dann den Film „L’auberge Espagnol“ angesehen, in dem der Song „No surprises“ so wunderschön eingesetzt ist – so wurde er für mich zur Hymne gegen die Bourgoisie, das Spießertum, das Mittelmaß.

Dann wurde es schwieriger zwischen Dir und mir. Ich habe mein Studium abgeschlossen und zu arbeiten angefangen. Und obwohl das im Jahr 2005 war, entdeckte ich erst dann Deine bereits Jahre zuvor veröffentlichten Alben: Kid A, Amnesiac und Hail to the Thief. Ich freundete mich widerwillig mit Euren Stilwechsel an und spielte die Alben an meinem damaligen Arbeitsplatz, der Redaktion der Bunten Zeitung, rauf und runter. Ein Kollege urteilte mit „langweilig“; und ich nervte ihn so lange mit Erläuterungen zu einzelnen Passagen, bsi er schließlich geknickt abzog.

Meine Freunde bezeichnen Deinen Stil seit „Kid A“ als „Selbstmordmusik“, die man auf keinen Fall auf Partys hören könne. Ich reagierte darauf stets entrüstet; es gebe von Radiohead ja auch Rock-Songs, wie etwa „Anyone can play guitar“ aus Eurem ersten Album „Pablo Honey“. Und die neuen Lieder, die seien dann halt für ruhige Stunden zuhause gedacht. „In Rainbows“ habe ich mal meinen Eltern vorgespielt. Die dachten bei den komischen Sounds, dass die Anlage kaputt ist – was auch irgendwie lustig war.

Aber ehrlich, Thom: Euer neues Album, dieses „King of Limbs“… das ist platt. Es ist eine Aneinanderreihung von elektronischen Beats, kombiniert mit Deinem Gejaule; das Ganze auch noch wahnsinnig monoton, mit so einer Fadesse in Deiner Stimme – an einzelnen Passagen frage ich mich, ob Du während der Aufnahmen vor dem Mikro eingeschlafen bist. Aus künstlerischer Sicht mögen die Elektro-Beats vielleicht noch den Stempel „okay“ kriegen – auch wenn ich manche Hobby-Musiker kenne, die kreativer sind. Aber was mich so wirklich nervt, ist das mangelnde Use Case: Auf einem Date würde ich dieses Gejammer nicht spielen, auf einer Party erst recht nicht. Und meine Sonntagnachmittage sind mir auch zu schade für künstlich aufgesetzte Suizidgedanken.

Vielleicht habe ja auch ich selbst mich verändert. Gehe jetzt auf die 30 zu, habe eine traumhafte Beziehung, ausgeglichene Freunde und tolle berufliche Perspektiven. Dann hat man schon weniger Lust auf so ein Gejammer und Gutmenschengetue. Aber irgendwie glaube ich trotzdem nicht, dass es nur an mir liegt. Irgendwie glaube ich, Ihr seid noch viel erwachsener – und auch langweiliger – als ich geworden, und dass Ihr Musik einfach nur noch als Business seht, bei dem Ihr alle paar Jahre mal ein paar Beats auf den Markt rotzen müsst, um im Gespräch zu bleiben.

Würde mich freuen, wenn Ihr endlich wieder in die 90er zurück kehrt, das Distortion-Pedal und die Gitarre auspackt und den Teenie-Bands von heute zeigt, was echte Rockmusik ist. Damit könnte ich mich dann auch wieder identifizieren und bei der nächsten Party ordentlich abrocken.

Bis dahin verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,

Stefan Mey

Ehemaliger Radiohead-Fan