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Musik | music

Thailand (5): Some nights in Bangkok

Mittlerweile sind wir wieder in die Donaumetropole zurück gekehrt – und ich kann mit Stolz von mir behaupten, an einem fürchterlichen Kulturschock zu leiden. Der Wiener Grant, der graue Himmel… und eine belegte Semmel in der Bäckerei-Kette meines Vertrauens kostet so viel wie in Bangkok ein Abendessen für zwei Personen. Inklusive Bier.

Zu Bangkok sei gesagt, dass wir dort endlichdas echte Thailand erlebten. Ao Nang und Koh Phi Phi sind sehr touristisch; es gibt mehr skandinavische Speisen als inländische; und die Wahrscheinlichkeit, einen Thai zu treffen, der nicht im Tourismus arbeitet ist gleich Null. Bangkok hingegen ist der klassische Asien-Moloch mit mehreren Millionen Einwohnern (die Schätzungen variieren hier) – die Luft ist heiß, feucht und stickig, die Stadt hat einen eigenen Geruch; und im Bett liegend hört man den Straßenlärm einer Stadt, die niemals schläft. Ich fühle mich an meine Heimat Mumbai erinnert.

Touristisch bietet die Stadt so einiges: Den Grand Palace, in welchem an inneren Mauern über dutzende Meter hinweg das gesamte Ramayana-Epos nachgebildet ist; so wie den Wat Pho (der größte Tempel Thailands), in dessen Inneren sich ein gewaltiger liegender Buddha befindet. Fortbewegen kann man sich über ein Express-Boot, welches den Fluss der Könige befährt, über Taxi oder Tuk-Tuk oder über den Sky Train – ein Zug, der ähnlich der Wiener U6 über die Dächer der Stadt rattert (allerdings deutlich geräumiger ist).

Legendär ist freilich auch das Nachtleben von Bangkok. Und damit meine ich nicht nur das, was statistisch nachgewiesen 40 Prozent aller männlichen deutschen Touristen in Bangkok machen – nein, überraschenderweise konnten wir in der Nähe der berühmten Kao San Road einigen guten Musikern lauschen.

Den Start machten einige Alleinunterhalter, die die Evergreens des Britpop – von Beatles über Oasis bis Coldplay – zum Besten gaben. Und das stets mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einer augescheinlichen Begeisterung, um die man die jungen Männer nur beneiden kann… Im marokkanischen Lokal „GaZebo“ entdeckten wir anschließend eine Live-Band, deren Sänger verschiedene Musikrichtungen coverte. Das Faszinierende dabei: Der Text war zwar komplett unverständlich, aber der Sänger beherrschte von Michael Jacksons „Smooth Criminal“ bis zu Metallicas „Enter Sandman“ jede Stimmlage so perfektionistisch, dass es vom Original kaum zu unterscheiden gewesen wäre. Und am letzten Abend trafen wir noch in einem farang-freien (also nur von Thais besuchten) Lokal auf eine thailändische Ska-Band (!). Ja, richtig gelesen: Thailändischer Ska. Und der Typ neben mir hat einen Afro getragen. Wahnsinn.

Für mich jedenfalls war die Reise auf diese Art ergiebig gewesen. Ich habe viel gesehen, viel erlebt, viel Spaß gehabt. Und Energie gesammelt, um den Winter im morbiden Wien etwas besser überstehen zu können.

Sodele, und nun geh ich einen Punsch trinken. Darauf habe ich mich nämlich schon zwei Wochen lang gefreut.

Donauinselfest: Kein Schlamm, aber viel Dreck.

Der Schwarzmalerei der Wetterfrösche haben wir zu Unrecht vertraut. Denn geregnet hat es am Samstag den ganzen Abend über nicht, zumindest nicht auf der Donauinsel. Zur Ehrenrettung der Meterologen-Zunft sei hier aber angeführt, dass die Luftfeuchtigkeit in Wien derzeit höher ist als in Mumbai zu Beginn der Monsum-Zeit – und das ist alles andere als angenehm. Somit war es also heiß und schwül; und so wie wir uns ursprünglich vor einem Sommerregen gefürchtet hatten, so sehr sehnten wir ihn nun herbei – als Immigrant habe ich mich bereits wunderbar an die hiesige Kultur angepasst: Einen Grund zum Sudern gibt es immer; und kein Zustand ist perfekt.

A propos sudern/nicht perfekt: Abgesehen vom Wetter erwarten uns auf dem DIF auch in diesem Jahr wieder die üblichen Organisationsprobleme: Einer geht Bier holen just wenn zehn andere Mitglieder der Horde zur anderen Bühne wechseln wollen – Warten! -; andere wollen unbedingt Freunde treffen, die wieder woanders sind; das muss besprochen werden – wieder warten! -; eine größere Gruppe bricht Richtung Dixi-Häusl auf, bei ihrer Rückkehr fällt einem Nachzügler ein, dass er ebenfalls nochmal die Blase entleeren möchte – WARTEN! – und zwischendurch verlieren wir immer wieder Leute, weil wir auf das Fastfood in unserer Hand starren, einer Schlägerei ausweichen müssen oder einfach nur darauf achten, dass uns Betrunkene nicht ins Bier rotzen.

Aber hey: Einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich nicht ins Maul.

Nun zur Musik:

Als wir um ca. 19 Uhr uns endlich zur FM4-Bühne vorgekämpft hatten, platzten wir mitten ins Sterne-Konzert. Die Sterne… Helden meiner Sturm-und-Drang-Zeit! Sänger Frank Spilker steht auf der Bühne mit den Jungs, singt seine poetischen Parolen Richtung Publikum. Wir sollen raus, wir sollen die Welt retten; wir hängen hart… fest entschlossen, den Ort zu verlassen…. denn wahr ist, was wahr ist… da hilft nicht auf der Welt… Von allen Gedanken… Die Interessanten… Was hat Dich bloß so ruiniert?

Vielleicht zu oft gesehen, vielleicht sind sie alt geworden, vielleicht aber auch wir, vielleicht liegt’s an Franks neuer Frisur; oder auch daran, dass er in letzter Zeit mehr Energie in seine Soloprojekte gesteckt hat statt in die Band. Jedenfalls: Die neuen Stücke rocken nicht so wie die alten; und auch bei den alten Stücken kommt die Stimmung nicht so sehr auf wie früher. Naja, man applaudiert trotzdem: Der alten Zeiten mit Kopfzerbrechen und Leute-abwertend-anschau-Einstellung wegen.

Aufbruch zur Ö3-Bühne.

„How much is the fish?“
Ziel war, es pünktlich zum Scooter-Konzert zu schaffen. Die Band ist teilverantwortlich für zahlreiche verhunzte Pubertäten, hat den Sound der 90er deutlich geprägt. Geld zahlen würde ich dafür nie, aber man muss sie mal gesehen haben – eine einmalige Gelegenheit. Nach den bereits zuvor erwähnten üblichen Organisationsproblemen erreichen wir die Ö3-Bühne zeitig, sehen noch Snow Patrol: Zeitgenössischer Britpop-Rock aus der Dose, mit Schmusenummern und ein wenig Distortion. Freundliches Gähnen. Dann: Scooter. Hardcore.

Unsere Einstellung, eine Gratis-Freakshow zu Gesicht zu bekommen, teilen viele. Der Platz ist brechend voll; um uns herum springen die Leute, ahmen HP Baxxters Prolo-Posen nach, Mädels brüllen: „HP, ich will ein Kinder von Dir!“. HP hat das freilich nicht gehört, ruft aber ins Mikro: „All young girls, go directly to the V.I.P.!“. Heiser gebrüllte, betrunkene Antwort aus dem Publikum: „HP, du geile Sau!“.

Musikalisch ist Scooter so monoton, wie wir sie in Erinnerung haben. Abwechslung kommt durch wechselnde Backgroundtänzerinnen und -tänzer, Lichteffekte und jene Textzeilen, die freilich jeder kennt, es aber niemals zugeben würde: Von „Maria, Maria“ bis hin zum legendären Dadaismus-Klassiker: „How much is the fish?“. Die Stimmung ist am Höhepunkt. Die Menge tanzt, grölt mit, niemand nimmt diesen Blödsinn wirklich ernst. Ist aber auch egal.

Vor der Zugabe verlassen wir das Gelände, um uns Massenansammlungen zu ersparen; dabei kommen uns noch der Klassiker „Hyper, Hyper!“ und eine Cover-Version von „Bitter Sweet Symphony“ zu Ohren. Letzteres verursacht eine Gänsehaut: Stimmt ja, da war ja noch was anderes in der Pubertät aus schnelle Beats und zugedröhnte MCs.

Als ich schließlich im Bett liege und gegen den Tinitus kämpfe, schießt mir eine Frage durch den Kopf: „Was habe ich an diesem Abend eigentlich gelernt?“. Und ich gebe mir selbst die Antwort: Wer Anfang der 80er geboren wurde, darf sich glücklich schätzen, denn er durfte die Pubertät mit unschuldigem Party-Techno und die Sturm-und-Drang-Zeit mit intellektuell bereichernder Hamburger Schule verbringen. Danach kam nur noch Retorten-Mist.

Irgendwie eine schöne Erkenntnis für einen Samstagabend.

Eine wunderschöne Coverversion aus dem Reich der Träumer

Auch wenn ich derzeit mehr an meinem EM-Blog schreibe, kann und will ich Euch dieses Video nicht vorenthalten, auf das ich heute über die Homepage des Rolling Stone gestoßen bin. Unglaublich: Radiohead, Götter meiner Postpubertät, spielen eine Cover-Version von Portisheads aktuellem Hit „The Rip“ – wunderschön harmlos mit zwei akustischen Gitarren, ohne viel Technik, und natürlich mit Thom Yorkes weinerlicher Stimme. Wer selbst Gitarre spielt und das Lied lernen möchte (ist relativ einfach), sollte einfach mal hier klicken.

Ich mag Hauk

Letzte Woche irgendwann hat mich eine gute Freundin auf ein Konzert der Band Hauk geschleppt. Da die Truppe mir unter dem Schlagwort „Mundart“ angekündigt worden war, bin ich zuerst skeptisch gewesen – schließlich bin ich als in der Donaumetropole lebender Piefke entsprechend traumatisisiert.

Doch was ich dort erlebte, waren drei Jungs – Gitarre/Gesang, Akkordeon, Schlagzeug -, die astreines Songwriting machen. In Mundart zwar, derbstes wienerisch, aber das war dann auch schon wurscht… oder – wie man so schön sagt – blunzn. Die Lieder handeln von dem, was meine Generation beschäftigt: Verlorene Liebe, gefundene Liebe, die Sehnsucht mach der Ferne… In „A Fremder“ beschreibt Sänger Hauki die Begegnung mit einem Menschen, der die Welt bereist hat und im eigenen Land nicht mehr zuhause ist. „Nimm mi mit, host Du vielleicht an Platz frei, des kann doch no ned ois sei, mit auf Deine Reise!“ bettelt er dann, und fügt kleinlaut hinzu: „I vasprich da i bin ganz leise“.

„Dreierbeziehung“ hingegen handelt vom Zusammenhalt der Band – „Es gibt vüle Dinge, die ghean afoch zam, so wie mir drei, des kennts ma glaubn“ – man nimmt ihnen gerne ab, dass die Musiker auch außerhalb der Bühne die besten Freunde sind. Viel melancholischer und fast schon ein Gegensatz ist hingegen „Mei eigener Schatten“: Das Gefühl, das ein Musiker hat, wenn er einen Abend lang Spaß hatte und Leute unterhielt – überschattet von der Einsamkeit am nächsten Morgen, allein im eigenen Bett.

Ich selbst habe übrigens eine CD von Hauk gewonnen. Weil ich erraten habe, in welcher Tonart der Blues „Wir san fett“ geschrieben wurde. Und, was glauben Sie? Richtig: E. Wos eh kloa is.

Das ist Hauki, der Sänger von Hauk.

Zwei mit geballter Energie

Patiocrash war der Name jener wahnsinnig genialen Band, die ich vorgestern im B72 gesehen habe. Die Musik: angesiedelt in jenem Anfang-90er-Jahre-Grunge und -Punk, den man heute kaum noch wo hört. Die Band: Zwei Jungs – aber sie klingen wie vier. Während der gesamten Konzertdauer war ich im Neunten Himmel (dort, wo die guten Gitarristen hin kommen), wurde von der puren Wucht des Lärms weg geblasen, sozialkritische Texte wurden von Sänger und Gitarrist Much V. ins Mikro gebrüllt, hatten aber in der ganzen Aggression und Wut doch ihre eigene Poesie. Kurz gesagt: geballte Energie. Anders sehen das die Jungs: „Wir waren heute eigentlich ziemlich leise“, sagen Much und Gixi V., der Drummer. Auf der „Bierwoche“, am 7. August in der Arena, werde man noch deutlich mehr aufdrehen.

Das Schöne an Patiocrash ist, dass sie nur zu zweit sind, deshalb weniger Kompromisse eingehen müssen – denn auch bei der Musik verderben zu viele Köche oft den Brei -; dadurch klingt das Ganze so komprimiert. Und verzerrte Staccato-Fetzen sind einfach leichter umsetzbar, wenn man sich nur zu zweit koordinieren muss… Oder haben Sie so was mal bei Arcade Fire gehört? Eben, ich auch nicht.

Dass die Jungs sogar auf einen Bassisten verzichten können, liegt unter anderem daran, dass Much einen Octave-Effekt verwendet; das Gerät legt die Töne um einen Oktave runter und simuliert somit einen Bass. Das wäre an sich nichts Außergewöhnliches (ich selbst ersteiger so ein Gerät gerade auf Ebay), aber Much kann den Effekt auf einzelne Seiten limitieren, also logischerweise auf die A- und E-Seite. Das Gerät selbst hat er im „Klangfarbe“ gekauft; es wird nicht mehr produziert und hat einen entsprechenden Wert. „Ich bin wahrscheinlich der einzige Gitarrist, der das noch verwendet“, sagt Much.

Und was ein echter Rocker ist, der muss auch das Drumset zerstören; das macht Much mit einem geschickten Rückwärtssalto, Gixi springt rechtzeitig beiseite, beide freuen sich. „Mein Rücken ist voller blauer Flecken“, sagt der Gitarrist. Autsch… ich meine: yeah… ROCK!!!

Ich würde mir mehr Musik dieser Art wünschen… bitte weiter machen.

So enden die Konzerte von Patiocrash…

Re: your brains

Dass Nerds cool sind wissen wir spätestens nach so tollen Events wie der „Monkey Island Revival Party“ oder „Maximum Black“. Ein weiteres schönes Beispiel für einen Nerd mit Coolness-Faktor ist aber ganz sicher Jonathan Coulton.

Der ehemalige Programmierer hatte irgendwann die Schnauze voll von seinem Daytime-Job, schmiss alles hin und wurde Rockmusiker. Seine Songs handeln von den Quälereien des Office-Alltags: „Code Monkey“ beschreibt etwa das Schimpansen-ähnliche Leben eines Programmierers, der von bösen Managern in der Gegend hin und her geschickt wird; „I Feel Fantastic“ beschreibt, wie sich Coulton mit verschiedenen Pillen durch den Tag hangelt. Während er die Lieder singt blinzelt der junge Mann durch seine Brillengläser ins Publikum, wandelt in seinem hautengen T-Shirt auf der schmalen Linie zwischen liebenswert-putzig und gewagt-ungewohnt. Und dazwischen verspielt er sich mal; aber das verzeihen ihm die Fans. Weil, hey… er ist ja Programmierer, kein Musiker.

Mein Favorit von Coulton ist das Lied „Re: Your Brains“, in dem er folgender Frage nachgeht: Was tue ich, wenn sich der Typ aus dem Office nebenan in einen hirnfressenden Zombie verwandelt hat?

Wie immer gibt’s das Video dazu gleich hier zum Anschauen… viel Spaß damit!