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Die Welt | the world

Roaming-Abzocke in Wiener Nachbarschaft

Letztes Wochenende war ich mit zwei guten Freunden – dem lieben Flo und FunkyMike – in Bratislava. Mal raus zu kommen aus dem grauen Wien war eine schöne Erfahrung, hatte aber auch seine Schattenseiten: Die Roaming-Kosten.

Es ist ja derzeit nicht salonfähig, sich über Roaming zu beschweren. Denn immerhin wurden die Kosten für Sprachtelefonie durch eine Vorgabe aus Brüssel gesenkt. Wir müssen dankbar sein, denn laut SMS von Orange kosten mich Gespräche in der Slowakei nun maximal 0,516 € aktiv, passiv 0,228 €.

Schockierend ist aber die darauffolgende SMS bezüglich Datenroaming: Hier kosten laut SMS nämlich 100 kB heiße 1,20 €; will heißen: Für ein MB ist man mal schnell 12 € los. Zugegeben, darüber habe ich schon Bescheid gewusst; denn in einem Artikel, den ich für das WirtschaftsBlatt über Daten-Roaming geschrieben habe war davon die Rede, dass diese Kosten bei Orange „in anderen Partnernetzen ohne Grundgebühr“ so hoch sein können… im Kopf hatte ich dabei aber ein Hutchinson-Netz in HongKong, nicht etwa Bratislava, das näher zu Wien liegt als Graz, und wo Orange ohnehin selbst aktiv ist – dass sich der Konzern selbst Roaming-Kosten verrechent und das an den Endkunden weiter gibt, kann eigentlich nur noch mit dem Wort „unverschämt“ bezeichnet werden.

Der geneigte Leser mag nun fragen: Warum regt sich der Herr Mey denn so auf? Geht es nicht auch mal ohne mobiles Surfen, erst recht im Urlaub? Offen gesagt: Nein. Denn die Industrie hat uns mit der Zeit mehr und mehr zu digitalen Citizens gemacht, die nun mal nicht daran vorbei kommen, regelmäßig zu twittern oder den Facebook-Status zu überarbeiten, von Emails ganz zu schweigen. Und manche Applikationen wie Tripwolf, Wikitude oder gar Google Maps machen im Ausland eigentlich erst wirklich Sinn.

Es wäre freundlich und zuvorkommend, wenn andere Telco-Konzerne dem Beispiel Hutchinsons folgen würden, bei denen in einem anderen Hutchinson-Land grundsätzlich kleine Roaming-Kosten anfallen. Bis dahin müssen wir uns halt mit slowakischem WLAN begnügen. Zum Glück gibt es davon genug.

PS: Meine Google-Community hat inzwischen vier Mitgleider. Hurra, ich bin nicht mehr alleine. Wer mag sonst noch mein Freund sein?

Indien (3): Wien ist Zuhause, Mumbai auch

Seit gut 24 Stunden bin ich nun wieder in Wien. Das bedeutet: Warme Dusche. Grauer Himmel. Trinkbares Leitungswasser. Keine Stromausfülle. Keine Tiere auf der Straße. Auch nicht in der Kleidung. Und über die Straße geht man nur, wenn die Ampel grün leuchtet. Meistens zumindest; meistens, wenn Kinder zusehen.

Mein Kopf hängt noch ein wenig in Mumbai; denkt an die letzten warmen Tage dieses Jahres. Dort bin ich mit meiner Schwester und einem Aussteiger-Backpacker vor der Universität im Fort-Viertel gesessen, in einem kleinen Park, habe unter der heißen Mittagssonne ein Cricket-Spiel verfolgt, dazwischen in den frisch erworbenen Comics gelesen, die die Geschichten von Ganesh, dem Gott mit dem Elefantenkopf, erzählen. „How culturally immersive is that?“ hatte Martin, der Aussteiger, gefragt. Wo er Recht hatte, hatte er Recht.

Am Nariman Point gestanden und die Fischerboote beobachtet, wie sie sich in den Wellen wiegen. Den Marine Drive entlang spaziert und Familien der Neuen Mittelklasse gesehen, wie sie den Abend am Meer verbringen. Nachts über die Chowpatti Beach spaziert; dann einen Kaffee im Coffee Day getrunken, wo sich wohlhabende junge Inder auf einen Plausch treffen. Starbucks-Kopien und Mittelklasse-Familien, relativ wenig Obdachlose – viel ändert sich, wenn man 15 Jahre lang fort ist.

Andere Dinge wiederum bleiben gleich. Die Deutsche Schule Bombay, in der ich die Vormittage meiner Kindheit verbracht hatte, steht noch immer; der Garten ist genau so eine Oase der Ruhe wie damals. Die Nachmittage hatten wir im Breach Candy Club verbracht; auch den gibt es heute noch, und die deutschsprachige Community trifft sich dort täglich. Familien planschen dort im Pool, Kinder lernen Tennis spielen – und das Soda Lemon ist das beste der ganzen Welt.

Die meisten Backpacker bleiben nicht lange in Mumbai, finden die Stadt zu hektisch, sind irritiert durch die Anzug-tragenden Business-Leute, die in Colaba herum spazieren. Aber ich liebe dieses Drecksloch mit seinen 14 Millionen Einwohnern. Denn ich habe gemerkt: Auch Mumbai ist Zuhause. Hier bin ich aufgewachsen, und ich kenne noch immer so manche Ecke der Halbinsel wie meine Westentasche. Sie hat mich geprägt und mich zu einem Teil zu dem gemacht, was ich heute bin. Und das ist gut so.

Übrigens: Ich geh oft bei Rot über die Straße.

Indien (2): Begegnungen

Zuerst ist es wirklich anstrengend: Bei jeder Gelegenheit kommen sie auf einen zu und beginnen ein Gespraech, meistens mit der Intention, mir etwas zu verkaufen oder mich anderweitig ueber’s Ohr zu hauen. Vor allem in den groesseren Staedten Indiens und in den Touristenmagneten sind einheimische Ramsch-Haendler und selbsternannte Fremdenfuehrer eine echte Plage. Aber es gibt auch die andere Seite.

Als ich etwa in Jaipur auf den Zug nach Udaipur wartete. Da kamen nach und nach junge Maenner her und begannen Gespraeche, meist mit oberflaechlichen Fragen der Form „Wie heisst Du?“ und „Wo kommst Du her?“. Redet man aber etwas mehr mit ihnen, gehen die Gespraeche schnell tiefer. Dann kommen ploetzlich Fragen wie „Glaubst Du an Gott?“ und „Hast Du die wahre Liebe schon gefunden?“ Beides Fragen, ueber die man im hektischen Wiener Alltag viel zu selten nachsinnt. Ob er an die wahre Liebe glaube, frage ich meinen Gespraechspartner, einen Technik-Studenten, zurueck. „Ja, ich hatte sie gefunden“, sagt er‘ „aber dann wieder verloren.“ Mit 18 Jahren wurde sie an jemand anders verheiratet.

Ein anderer ist Jus-Student und kennt Wien: „Da sind Teil-Organisationen der UNO.“ Schoen, dass man das 29-Prozent-Land in Fernost anders kennt.

„In Wien war ich, die sprechen fuerchterliches Englisch“, sagt wiederum der Regional-Leiter eines indischen Finanzunternehmens, der mit mir ein Zugabteil teilt. Er war in Wien gewesen und zeigt uns auf seinem HP-Laptop Fotos von Schoenbrunn. Er habe versucht, mit einer Kellnerin zu flirten, aber die habe es einfach nicht kapiert, sagt der Mann, der das Dreifache meiner Koerpermasse hat. Er gibt mir nuetzliche Tipps, sucht mir eine Zugfahrt von Udaipur nach Bombay raus und wird ueberhaupt eine Weisheit los: „Im Sanskrit sagt man, Gaeste seien den Goettern nahe.“ Deshalb seien alle so erpicht auf Gespraeche mit Auslaendern – Schwarze Schafe gebe es aber dennoch.

In Udaipur angekommen finde ich eine Stadt vor, die viel ruhiger ist als Jaipur. Mit nur rund 500.000 Einwohnern gibt es hier weniger Verkehr, weniger Laerm und weniger Bescheisserei. Mit einem Buchmacher (so etwas gibt es tatsaechlich) habe ich lange Gespraeche ueber Karma und Religion gefuehrt; in einem Tempel kam ich der hinduistischen Religion etwas naeher (Nachtrag zum letzten Eintrag: Der Sonnengott heisst „Surya“). Ausserdem habe ich einen Kurs im Floetenspiel belegt, morgen lerne ich Yoga und das Zubereiten indischer Speisen.

Danach geht es im Zug auch schon zu unserer letzten Station: Bombay – der Ort, an dem ich aufgewachsen bin.

Indien (1): Mein erster spiritueller Moment

Gewissen Menschen im engeren Kreis wird schon aufgefallen sein, dass Wien seit einigen Tagen in meiner Abweseneheit erglaenzt. Denn statt mich an Regen und Kaelte zu erfreuen, kaempfe ich mich auf der Suche nach mir selbst und etwas interessantem zu essen durch die Strassen Rajasthans. Derzeit weile ich in Jaipur, der Hauptstadt des Wuesten-Bundeststaats Indiens. Das Bild insgesamt: Staubige Strassen, ueberall laestige Haendler und jede Menge Tiere – frei laufende Hunde, Katzen, Affen, heilige Kuehe und sogar Wildscheine, die vor unserem Hotel sich nachts in stinkenden Muell betten, gemeinsam mit den Affen.

Aber es gibt freilich mehr als nur das: Gestern etwa waren wir am heiligen Affentempel, der dem hinduistischen Sonnengott gerwidmet ist (den Namwen habe ich vergessen, laesst sich bei Bedarf via Lonely Planet aber schenll nach recherchiren). Am Fuss des Huegels, den es zu erklimmen galt, trafen wir ein freundliches indisches Ehepaar, das gemeinsam mit uns hinauf zum klettern begann, vorbei an den zugedroehnten Hindu-Priestern, die zu unserer Begruessung erst mal ordentlich auf den Boden spuckten.

Oben angekommen, fanden wir einen kleinen Tempel vor. Wir entledigten uns unserer Schuhe, beruehrten zur Begruessung mit unserer rechten Hand den Boden, laeuteten eine Glocke. eine Priesterin, die rund 100 Jahre alt sein duerfte, bat uns naeher zu treten und uns nieder zu setzen. Vom Strassenlaerm der Grossstadt war hier nichts mehr zu hoeren, stattdessen kuehlte eine leichte Brise unsere erhitzten Koerper, das Licht der untergehenden Sonne tauchte die Szene in sanfte Gold-Toene.

Die Priesterin segnete uns, versah uns mit dem heiligen Mal auf der Stirn. Blumen-Girlanden wurden uns umgehaengt. Wir fuehlten uns erleuchtet, verweilten noch einige Zeit, im Schneidersitz sitzend.

Dann wollten wir aufbrechen, und zum Abschied wollte ich der alten Dame noch 20 Rupien da lassen.

„Nein“, sagt die Heilige: „Ich will 100.“

Wir feilschten einige Zeit um den Preis der Erloesung und einigten uns schliesslich auf 50 Rupien, sowie einen Kugelschreiber fuer ihren Lehrling.

Auch Spiritualitaet ist in Indien kaeuflich.

Angriff der Affen-Krieger

Das Beispiel ist nur eines von vielen fuer die verrueckten Abenteuer, die man in Indien erlebt. Am Weg zurueck vom Tempel mussten wir gegen eine Horde Affen kaempfen, die uns ansprangen und kratzten, weil sie Futter von uns erkaempfen wollten. Die Horde war nicht zu unterschaetzen – und ich bin froh, dass ich in eine Tollwut-Impfung investiert habe.

Andererseits gewoehnt man sich auch an so manches. Ein beliebtes Fortbewegungsmittel sind Fahrrad-Rikschas, die Fahrer bezeichnen sie stolz als „Indian helicopter“. Waehrend unserer ersten Fahrt auf einem solch instabilen Gefaehrt durch Delhis verstopgfte Strassen hatten wir noch Todesaengste gehabt – mittlerweile empfinden wir Gehen im Vergleich als viel zu anstrengend. Rikschas – Fahrrad oder motorisiert – sind angenehme Fortbewegungmittel geworden.

Und auch gegen die Bescheisserei haben wir inzwischen recht gute Karten beeinander. Als uns vor dem Taj Mahal in Agra ein paar falsche Fuehrer „in wenigen Minuten“ rein brinen wollten, liessen wir sie links liegen und fanden den zweiten Eingang stattdessen selbst. Auch mit Rikscha-Fahrern handeln wir den Preis aus, bevor wir das Gefaehrt besteigen – damit wird der Geldbeutel deutlich geschont.

Freilich schuetzen solche Taktiken nicht davor, dass man sich – wie vor wenigen Minuten geschehen – auf dem Fahrzeug eines Betrunkenen wieder findet, der das Hotel nicht findet und auf der Suche danach auf einer vierspuriegn Strasse gegen die Fahrtrichtung faehrt.

Oesterreich ist nah

Bollywood-Interessierten kann schliesslich noch der Film „Drona“ ans Herz gelegt werden, den wir uns gestern fuer satte 1,30 EUR im groessten Bollywood-Kino Rajasthans angesehen haben. Da alles auf Hindi war, haben wir nur recht wenig verstanden – es ging mal wierder um einen Helden, der gegen einen boesen Zauberer kaempft. Die Handlungsorte kamen uns verdaechtig bekannt vor – als wir schliesslich waehrend einer wilden Verfolgungsjagd im Hintergrund eine rot-weiss-rote Fahne wehen sahen, tippten wir auf den Handlungsort Salzburg.

Morgen werden wir uns in einen Zug setzen und nach Udaipur weiter fahren. Ab dort geht es weiter nach Mumbai, und dann wieder heimwaerts – wo es mildes Essen, trinkbares Wasser und wundervoll kalten Regen gibt.

Die Ostalgie beginnt gleich vor der Haustür

„Ostalgie“ ist der romantische Ausdruck für jenen Gemütszustand, den Menschen wie ich empfinden, wenn sie sich von wildem kommunistischen Ost-Kitsch umgeben fühlen. Dafür fahren wir nach Kaliningrad, Moskau, Kiev oder St. Petersburg. Die Nachbarländer Tschechien und Slowakei haben wir in dieser Hinsicht schon abgeschrieben; denn sie sind moderne EU-Staaten mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum, moderner Architektur und entsprechenden Immobilienpreisen. Das stimmt durchaus; bei einem gestrigen Besuch in Bratislava konnte ich mich selbst davon überzeugen, dass es echt fetzige und moderne Architekturprojekte gibt.

Aber: Die Ostalgie gibt es trotzdem noch. Am schönsten ist diese im Hotel Kyjev repräsentiert. Das Gebäude wurde in den 60ern, also im tiefsten Sozialismus, geplant und gebaut; seitdem ist wenig renoviert worden. Einst als hochmodernes Projekt gepriesen, ist es nun ein Ort, an dem die Zeit still gestanden zu sein scheint: Ein fetter Block, eine unansprechende Eingangshalle und sogar unfreundliche Kellner – alles wie vor zwanzig Jahren!

Schön, dass es so was noch gibt. Liebe Stadtplaner von Bratislava: Bitte lasst bei aller Aufschwungs-Euphorie dieses Hotel stehen. Spätere Generationen werden nicht glauben können, dass es so etwas tatsächlich mal gegeben hat.

Bratislava neu: Eine Luxuswohnung mit moderner Architektur.

Bratislava alt: Das ostalgische Hotel Kyjev.

Europareise (7): London Heathrow Terminal 5 Madness

Mit einem 5,4 Milliarden € teuren Terminal am Londoner Flug­hafen Heathrow sollte mit Donnerstag die Abfertigung beschleunigt werden. Doch am ersten Tag streikte das Gepäckband, 10.000 Passagiere waren von Verschiebungen oder Ausfällen betroffen und fühlten sich wie Tom Hanks im Film „Terminal“ – darunter ich.

„Heute fliegen Sie wohl nicht mehr“, sagt ein Angestellter am Check-In, der währenddessen mit zwei Handys gleichzeitig telefoniert und heftig schwitzt. British Airways bietet mir an, 100 Pfund für die Übernachtung zu zahlen. Das Problem: Durch die erhöhte Nachfrage kostet ein Hotelzimmer inzwischen 250 Pfund.

Asyl

Da ich keine 150 Pfund für die Fehler anderer zahle, lege ich mich lieber auf dem Teppich­boden im Gebetsraum schlafen. An sich nicht unbequem, doch um vier Uhr morgens werde ich durch das Gebetsgemurmel eines Mitarbeiters geweckt. Hoffentlich hilft es, denke ich.

Falsch gedacht: Meinen zweiten, für sechs Uhr morgens angelegten, Flug verpasse ich wegen langer Wartezeiten beim Sicherheitscheck. Als ich zweiein­halb Stunden zum „Rescheduling“ anstehe, rede ich mit einer Nigerianerin. „Das habe ich noch nie erlebt“, sagt sie, „Nicht mal in Nigeria.“ Eine von vielen verärgerten Fluggästen. Die werden bei British Airways wohl noch für Köpferollen sorgen.Beim dritten Anlauf lande ich am Freitag um 15 Uhr in Schwechat – nach 22 Stunden. Der Abflug hat sich um eine Stunde verspätet. „Wir müssen noch einen Koffer ausladen“, sagt der Pilot. War vermutlich meiner. Denn der kam erst Sonntag abend hierher.