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Indien (2): Begegnungen

Zuerst ist es wirklich anstrengend: Bei jeder Gelegenheit kommen sie auf einen zu und beginnen ein Gespraech, meistens mit der Intention, mir etwas zu verkaufen oder mich anderweitig ueber’s Ohr zu hauen. Vor allem in den groesseren Staedten Indiens und in den Touristenmagneten sind einheimische Ramsch-Haendler und selbsternannte Fremdenfuehrer eine echte Plage. Aber es gibt auch die andere Seite.

Als ich etwa in Jaipur auf den Zug nach Udaipur wartete. Da kamen nach und nach junge Maenner her und begannen Gespraeche, meist mit oberflaechlichen Fragen der Form „Wie heisst Du?“ und „Wo kommst Du her?“. Redet man aber etwas mehr mit ihnen, gehen die Gespraeche schnell tiefer. Dann kommen ploetzlich Fragen wie „Glaubst Du an Gott?“ und „Hast Du die wahre Liebe schon gefunden?“ Beides Fragen, ueber die man im hektischen Wiener Alltag viel zu selten nachsinnt. Ob er an die wahre Liebe glaube, frage ich meinen Gespraechspartner, einen Technik-Studenten, zurueck. „Ja, ich hatte sie gefunden“, sagt er‘ „aber dann wieder verloren.“ Mit 18 Jahren wurde sie an jemand anders verheiratet.

Ein anderer ist Jus-Student und kennt Wien: „Da sind Teil-Organisationen der UNO.“ Schoen, dass man das 29-Prozent-Land in Fernost anders kennt.

„In Wien war ich, die sprechen fuerchterliches Englisch“, sagt wiederum der Regional-Leiter eines indischen Finanzunternehmens, der mit mir ein Zugabteil teilt. Er war in Wien gewesen und zeigt uns auf seinem HP-Laptop Fotos von Schoenbrunn. Er habe versucht, mit einer Kellnerin zu flirten, aber die habe es einfach nicht kapiert, sagt der Mann, der das Dreifache meiner Koerpermasse hat. Er gibt mir nuetzliche Tipps, sucht mir eine Zugfahrt von Udaipur nach Bombay raus und wird ueberhaupt eine Weisheit los: „Im Sanskrit sagt man, Gaeste seien den Goettern nahe.“ Deshalb seien alle so erpicht auf Gespraeche mit Auslaendern – Schwarze Schafe gebe es aber dennoch.

In Udaipur angekommen finde ich eine Stadt vor, die viel ruhiger ist als Jaipur. Mit nur rund 500.000 Einwohnern gibt es hier weniger Verkehr, weniger Laerm und weniger Bescheisserei. Mit einem Buchmacher (so etwas gibt es tatsaechlich) habe ich lange Gespraeche ueber Karma und Religion gefuehrt; in einem Tempel kam ich der hinduistischen Religion etwas naeher (Nachtrag zum letzten Eintrag: Der Sonnengott heisst „Surya“). Ausserdem habe ich einen Kurs im Floetenspiel belegt, morgen lerne ich Yoga und das Zubereiten indischer Speisen.

Danach geht es im Zug auch schon zu unserer letzten Station: Bombay – der Ort, an dem ich aufgewachsen bin.