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Indien

Back in Bombay

Aus dem Flugzeug aussteigen. Mit einer leichten Verkühlung, weil es die vergangenen Tage in Wien so kalt war – doch der europäische Herbst ist rasch vergessen. Die Hitze erschlägt einen, als man aus dem Flugzeug steigt und indischen Boden betritt. Heiß ist es, und feucht. Die Luft lässt sich durchschneiden; und der Flughafen von Mumbai (vormals Bombay) ist in einem Stil gehalten, der im Westen wohl schon in den 80ern als uncool gegolten hätte.Es riecht komisch – so wie nur Bombay riechen kann, und keine andere Stadt der Welt: Eine Mischung aus Abgasen, Schweiß, Urin, Räucherstäbchen und Gewürzen.

Beim Verlassen des Flughafens nimmt mir jemand den Koffer ab. Er schiebt ihn fünf Meter, bis ich ihm mein Gepäck entreißen kann. Für seine Dienstleistung will er zehn Rupees (15 Cent) haben. Okay. Das Taxi fährt los, bleibt beim Verlassen des Flughafens stehen; Bettler umringen das Auto. Es hat noch immer 35 Grad, um 11 Uhr abends.

Fahrt zum Hotel. In einem schlecht gefederten Auto vorbei an Menschen, die auf einer Verkehrsinsel schlafen. Und Kühen, und Hunden. Und vorbei an Geschäften, die auch zu später Stunde noch geöffnet haben – 94 Prozent des Handels in Indien läuft im informellen Sektor ab, da spielen staatlich vorgegebene Öffnungszeiten keine Rolle.

Ankunft im Hotel. Unter unserem Zimmer läuft eine wilde Bollywood-Party; draußen rattern die Züge vorbei. Für einen Aufpreis von 1000 Rupees (15 Euro) kriegt man ein Zimmer ohne Kakerlaken. Morgens nach dem Aufstehen beobachte ich die Pendler, wie sie in überfüllten Zügen in die Arbeit fahren – Bombay mag laut und dreckig sein, aber die 16-Millionen-Einwohner-Metropole gehört zu den teuersten Immobilienstandorten der Welt.

Dies ist Indien. Die größte Demokratie der Welt. Das Land mit den knapp neun Prozent Wirtschaftswachstum. Mit Städten wie Bangalore, welches als indisches Silicon Valley bezeichnet wird. Wo IT, Entrepreneurship und Mobilfunk wahre Boom-Märkte sind. Hier werde ich die kommenden Monate eintauchen. Werde jenseits der PR-dominierten Pressereisen und der sterilen Expat-Hilton-Welt recherchieren, werde über die aufstrebende indische IT-Welt schreiben.

Wie das wohl funktionieren soll, frage ich mich, während ich schwitzend auf dem Bett liege und mir ein paar Bollywood-Videos ansehe – bis diese von einer Werbung für den neuen Blackberry unterbrochen werden – und ein Blick in die „Times of India“ verrät mir, dass die Vorbestellungen des neuen iPhone 4S hier explodieren. High-Tech und Innovation gibt es hier wirklich. Halt irgendwo zwischen Dreck, Hitze und auf der Straße schlafenden Menschen.

Mein Begleitung, Wolfgang Bergthaler, kennt Indien wie seine Westentasche
Mein Begleitung, Wolfgang Bergthaler, kennt Indien wie seine Westentasche

Frösche und Freaks

Die Hunde sind sehr gutgläubig. Sie schlafen auf der Straße oder schauen eine auf sie zu fahrende Rikscha mit wedelndem Schwanz erwartend an, weil sie wissen, dass der Fahrer ohnehin in letzter Minute ausweichen wird. Schade nur, dass Züge dazu eine deutlich geringere Wendefähigkeit besitzen. Und so sprang der Hund auf einem Bahngleis irgendwo westlich von Hospet hin und her, während sich der Koloss aus Stahl näherte. Erst wenige Meter vor dem möglichen Zusammenprall bemerkte das Tier die Fatalität seiner Situation und versuchte, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen – leider zu spät, wie ein dumpfer Knall verkündete.

So begann meine Reise nach Hampi, auf der ich mich über drei Tage vom bangalore’schen Großstadtstress erholen wollte. Aus der Laune bringen ließ ich mich dennoch nicht. Man lernt in Indien sehr bald eine gewisse Schicksalsergebenheit: Dinge passieren; und mit der Situation muss man irgendwie klar kommen. Ändern kann man nur in den seltensten Fällen etwas.

Angekommen in Hampi fand ich auch das, wonach ich mich gesehnt habe: Ruhe. Kaum Straßenlärm. Vor allem Natur. Und weil ich das volle Programm fahren wollte, habe ich mich sogar nicht mal in Hampi selbst einquartiert, sondern auf der anderen Seite Flusses – dort ist es sogar noch viel ruhiger, aber dafür muss man mit dem Boot täglich um 15 Rupien (25 Cent) über das Gewässer fahren. Der Anlegesteg sieht so aus:

Das rote Ding ist eine Bierkiste, auf die man tritt, um ins Boot zu steigen; davor macht man sich die Füße nass – was aber halb so wild ist, weil man davor durch den Gatsch spaziert ist und somit eine Reinigung willkommen heißt.

Mein Zimmer hat 200 Rupien (3,30 €) pro Nacht gekostet. Inklusive chilligem Restaurant mit lustigem Wirt, Hippie-Gästen aus Israel, einer kalten Dusche, einem Moskitonetz und der härtesten Matratze, auf der ich je geschlafen habe. Und Fred, mein Zimmergenosse. Hier ist ein Foto von ihm:

Manche Menschen mögen Frösche im Zimmer ja eklig finden. Aber ich hatte Fred gerne dabei; denn er hat in der Nacht die Moskitos gefangen – zumindest dann, wenn er nicht damit beschäftigt war, panisch vor mir weg zu hoppeln.

Unglück kommt selten allein

So weit, so gut. Nachdem ich mich also am zweiten Tag meines Kurzurlaubs die alten Tempel und Paläste von Hampi angesehen hatte (wegen der eigentlich die meisten Touristen nach Hampi kommen), wollte ich nach einem erfüllten Tag wieder zurück in mein Hotel. Blöde Sache aber: Der Fluss war zu hoch, und somit wollte der Fährmann nicht mehr übersetzen. Auch die sanfte Zusprache meines Masseurs (woher ich den kenne, das ist eine andere Geschichte) hat wenig geholfen. Dafür baten nun etliche Rikscha-Fahrer an, mich um 800 Rupien über eine weit entfernte Brücke auf die andere Seite zu bringen. Nach längerer Verhandlung hatte ich einen Zeitgenossen auf 550 Rupien runter gehandelt.

Also: Los.

Der Weg führte uns durch Dörfer, in denen kein einziger Tourist zu sehen war, und über holprige Landstraßen mit schlechter Federung – wer mich besser kennt, der weiß, warum mich das beunruhigte. Übler war noch, dass es bald dunkel wurde und der Fahrer Probleme hatte, die einzelnen intakten Straßenstücke zwischen den Schlaglöchern auszumachen. „Viel schlimmer kann es nicht werden“, dachte ich mir. Falsch.

Denn als wir gerade in das nächste Dorf einfuhren, fing es heftig an zu regnen, so dass der Fahrer tatsächlich nichts mehr sah. Irgendwann schaute er auf die rechte Seite seiner Rikscha und fügte hinzu: „Ich glaube, mein Reifen ist geplatzt, vor nur drei Minuten“. Als er kurz darauf feststellte, dass er nicht mal das passende Werkzeug besitzt, fuhr er mit dem Platten zu einem Laden im Dorf.

Dort wechselte er den Reifen, im strömenden Regen. Und da er keinen Wagenheber hatte, ga es echtes Jugaad: Mit purer Muskelkraft hob er eine Seite der Rikscha an, während ein Junge aus dem Dorf das kaputte Rad eilig als Stütze unter des Fahrzeug schob. Anschließend wechselten sie rasch das Rad, und wir fuhren weiter.

Nach zwei Stunden Reisezeit waren wir angekommen. Und ich hatte eine Geschichte, die ich den Israelis erzählen konnte.

…und trotzdem ist alles gut.

Denn auch wenn ich nun ein paar Geschichten erzählt habe, die auf Europäer schockierend oder abstoßend wirken könnten: Es kommt trotzdem in Indien immer alles verstärkt positiv zurück. Der dritte Tag war nämlich einfach nur schön: Lange frühstücken, mit dem Masseur vor seinem Laden sitzen und einen Chai trinken, Trommeln mit ein paar Kanadiern. Und das allerwichtigste: Zurückkommen nach Bangalore. Denn nun sehe ich diese Großstadt mit anderen Augen – nicht nur als einen chaotischen Moloch, sondern auch als eine Insel des modernen Lebens. Mit richtigen Straßen, und ohne Frösche im Schlafzimmer.

Angekommen.

An meinem ersten Tag in Bangalore habe ich ja einen sehr verstörten Blogeintrag geschrieben. Mittlerweile hat sich mein Gemüt deutlich geändert: Der Lärm und die Luft, sie machen mich nicht mehr so fertig wie am ersten Tag – de facto nehme ich Straßenlärm nur noch ab einem gewissen Pegel war, der Rest wird als Hintergrundrauschen abgetan (ein Zustand, den vermutlich so mancher westlicher HNO als Vorstufe zu Taubheit identifizieren würde). Gestern war ich im Kino, habe mir einen politischen Bollywood-Streifen angesehen, der in zwei Staaten verboten wurde; davor bin ich mit Wolfie und Satya über den Bazar spaziert.

Heute in der früh war ich im Supermarkt und habe dort eingekauft: eine Zeitschrift um 20 R (ca. 30 Cent), Ingwer zum kauen, eine seltsame Ayurveda-Salbe und eine Ayurveda-Nahrungsergänzung; Chips wollte ich auch kaufen, griff aber stattdessen zu „Mini Samosas“. Als ich heim in die Wohnung kam, war unsere Mitbewohnerin Elena gerade wach und gab mir gratis Yoga-Unterricht. Anschließend habe ich mir eine Ayurveda-Massage gegönnt und sitze nun im Büro, nachdem ich mir zum Mittagessen noch ein Dosa genehmigt habe.

Man kann also guten Gewissens sagen, dass ich mich in Bangalore inzwischen schon halbwegs eingelebt habe. Von daher ist es fast schade, dass ich heute abend in den Zug steige, um mir in Hampi ein wenig Entspannung vom Großstadtlärm zu gönnen. Zurück komme ich dann am Freitag, bevor es Samstag wieder nach Wien geht. Stressig? Ein bisschen. Aber das bin ich inzwischen ja gewohnt.

„Indische Wirtschaft“ bringt Indien-Experten in Wien zusammen

„Indische Wirtschaft“, das Medium zum Wachstumsmarkt, veranstaltet am 30. April im Hub Vienna (Lindengasse 56, 1070 Wien) das „IndiaCamp“ – eine Veranstaltung rund um das Thema Indien.

Diese Veranstaltung wird im Stil eines Barcamps abgehalten. Das bedeutet, dass jeder Teilnehmer selbst zum Gelingen der Veranstaltung beiträgt – nicht zuletzt dadurch, dass Jeder sich selbst für das Vortragen seines Spezialgebiets melden kann. Grobe Vorschläge werden bereits vorab im Web gesammelt; die Finalisierung des Tagesplans erfolgt am Morgen des Events. Die Teilnahme ist kostenlos , für Verpflegung ist gesorgt.

Zielgruppe sind EuropäerInnen und InderInnen aus Wissenschaft und Wirtschaft, Selbständige und Changemaker; Berufstätige ebenso wie Studentinnen und Studenten. Ziel der Veranstaltung ist ein Erfahrungs- und Wissensaustausch zum Thema Indien. Die Schwerpunkte liegen dabei auf folgenden Fachbereichen:

* Wirtschaft, Entrepreneurship & Innovation
* Politik & Soziale Entwicklung
* Lifestyle, Medien, Musik & Film

Details zur Veranstaltung finden sich hier:

http://www.barcamp.at/IndiaCamp_am_30._April

Eine Übersicht über die Vorschläge für Vorträge findet sich hier:

http://www.barcamp.at/Sessions_IndiaCamp

Eine Anmeldung funktioniert informell über die Emailadresse indcamp@gmail.com oder durch die Editierung eines Wikis unter folgender Adresse:

http://www.barcamp.at/Teilnehmer_IndiaCamp

Die Veranstalter Wolfgang Bergthaler und Stefan Mey freuen sich auf einen spannenden Tagen mit anregenden Diskussionen und Vorträgen in entspannter Atmosphäre.

Fußball mit bitterem Beigeschmack

Nicht  mehr lange, dann ist Anpfiff zur Fußball-WM 2010. Wir werden uns wieder auf unsere Sofas zurück ziehen und der schönsten Nebensache der Welt nach fiebern, während wir uns den Bauch mit Bier, Chips und Cola voll schlagen. A propos Cola: Dass im Rahmen der WM nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht, kann in meinem aktuellen Beitrag auf „Indische Wirtschaft“ nachgelesen werden. Ich wünsche angenehme Lektüre – und allem Widersinn zum Trotz eine tolle Fußball-Saison.

Going East – und zwar ganz schön weit

Es ist so weit; mittlerweile können wir auf das bisher Erreichte stolz sein und müssen uns nicht mehr verstecken, können stattdessen lauthals verkünden: Seit Anfang des Jahres betreiben Wolfgang Bergthaler und ich mit vollem Enthusiasmus unter den URLs www.indische-wirtschaft.de und www.indische-wirtschaft.at das Online-Medium „Indische Wirtschaft“ – wie der Name schon sagt eine Website, die intensiv vom fernöstlichen Wachstumsmarkt berichtet.

Und um die Frage vorweg zu nehmen: Ja. Bei „Indische Wirtschaft“ handelt es sich um eben jenes neue Online-Projekt, das ich in meinem Neujahrsbrief 2010 einem ausgewählten Kreis an Lesern angekündigt habe.

Um eine zweite Frage ebenfalls vorweg zu nehmen: Nein. Ich bin nicht verrückt geworden.

Stattdessen ist die Idee zu „Indische Wirtschaft“ entstanden, als ich mir überlegte, in welchen beiden Bereichen ich wirklich Expertise habe. „Wirtschaft“ leitete sich klar aus meinem Studium und meiner jetzigen Tätigkeit ab; „Indien“ aus der Tatsache, dass ich dort aufgewachsen bin, im Jahr 2008 dort einen tollen Urlaub verbrachte und im WirtschaftsBlatt hin und wieder darüber berichte. Und weil ich halbwegs schreiben kann, beschloss ich, alles in einen Topf zu werfen und daraus ein Projekt zu zaubern: Ein Online-Medium zu indischer Wirtschaft.

Auch weiterhin werden wir über die größte Demokratie der Welt berichten. Hauptsächlich über wirtschaftliche Themen, hier und da aber auch über Politik, Kultur und allerlei für unser Weltbild befremdlich wirkendes. Wer des Lesens mächtig ist, sollte diese Fähigkeit also nutzen und vorbei schauen – hilfreich dabei werden ein paar Links in der Seitenleiste von stefanmey.com sein, die stets die neuesten Artikel vorstellen. Das geht automatisch, und ich muss mich nicht darum kümmern. Super.

Und wem das Gelesene wirklich gefällt, der kann ja mal mit uns Kontakt aufnehmen: Wolfgang freut sich bestimmt über neue Aufträge als Projektmanager – und ich stelle meine schreiberishcen Fähigkeiten ebenfalls gerne zur Verfügung. Im dem Sinne: „Dhanyavaad“ für’s Lesen – ich wünsche erfreuliche Lektüre!

jaipur

PS: Dieser Beitrag erschien anstelle eines „Blog der Woche“. Kommende Woche stelle ich dann wie gewohnt einen Blogger meiner Wahl vor – versprochen!