Zum Inhalt springen

Die Welt | the world

Leapfrogging in echt

Gestern sind wir von Bombay nach Bangalore gereist. Mit dem Zug. Das dauert 24 Stunden – zahlt sich aber aus, weil man erstens einen tollen Blick auf die Landschaft abseits der Metropolen erhaschen kann, und zweitens immer wieder mit interessanten Leuten ins Gespräch kommt, oder diese zumindest beobachten kann.

So kam es, dass irgendwo auf halber Strecke zwei alte Damen und ein alter Herr zustiegen. Die beiden Hausfrauen trugen traditionelle Saris, ebenso wie gewaltigen Nasenschmuck, und schienen aus einer ländlichen Gegend zu kommen. Man beäugte einander vorsichtig, versuchte sich in Gesprächen: Woher wir kommen? Und wohin wir fahren? Dann widmen sich die Seniorinnen wieder ihrem Gespräch – bis irgendwann ein Handy läutete, die Dame es aus ihrer Handtasche fischte und zu telefonieren begann.

Mobilfunk ist überall in diesem Land, selbst bei der ländlichen Bevölkerung. Und auch andere neue Technologien etablieren sich: Als wir an einem Slum in Bombay vorbei spazierten, erblickte ich die Werbung eines indischen Mobilfunk-Anbieters, der den raschen Zugriff auf Facebook pries – darunter: Wellblechhütten, Dreck, Armut. „Kein sauberes Klo haben, aber stattdessen ein Facebook-Konto“, dachte ich mir da kopfschüttelnd.

Zurück zum Zug: Dass wir selbst mit unseren Smartphones spielten, war für die alten Damen normal. Für Verwirrung sorgte aber dieses etwas größere leuchtende Kastl, das ich dabei hatte. „Computer?“, fragt die eine fragend den begleitenden Mann. „Laptop“, sagte er wissend. Und sie wiederholte staunend: „Laptop…“. Handys kennen sie, Laptops nicht. Man hat einfach eine Generation der Bildschirme übersprungen – das ist Leapfrogging, wie es im Buche steht.

Anlässlich solcher Situationen drängt sich die frage auf: Was ist eigentlich aus der „One Laptop per Chield“-Initiative des MIT-Professors Nicholas Negroponte geworden, mit der jedem Kind in Entwicklungsländern ein Laptop zur Verfügung gestellt werden soll? Und die wohl passendste Antwort auf diese Frage lautet: Wurscht.

Denn inzwischen arbeiten Länder wie Indien slebst an der Lösung der Probleme: Handys und Smartphones haben hier selbst den Sprung in die Bevölkerung geschafft, während Computer und Laptops nach wie vor ein unbekanntes Gut bleiben. Und sollte der Anfang Oktober vom indischen Bildungsministerium vorgestellte Billig-Tablet-PC (um rund 60 Dollar statt ursprünglich geplanter 30 Dollar) ebenfalls von den Massen angenommen werden, so werden westliche Besucher wohl auch in Zukunft mit ihren Laptops für ungläubige Blicke sorgen – aber weniger aus Faszination für moderne Technologie, sondern aus Unverständnis für die Verwendung eines derart veralteten Geräts.

3G in der Hosentasche

Seit gestern fühle ich mich wieder halbwegs vollkommen. Denn nun habe ich wieder eine Handynummer inklusive 3G-Vertrag, kann also auch während wagemutiger Rikschafahrten durch den Monsun gemütlich im Internet surfen oder Emails schreiben. Der Weg dahin ist steinig.

Während in Österreich Wertkarten-Handys ganz ohne Ausweis erhältlich sind, muss man in Indien schon eine halbe Dokumentenmappe unter dem Arm haben. Allein für den Sprachtarif ging ich mal in einen dieser zahlreichen Cornershops, die Mobilfunk-Angebote vertreiben. Der Verkäufer forderte von mir: Passkopie, Visakopie, Meldezettel oder aktuelle Hotelrechnung, sowie ein Passbild. Letzteres hatte ich nicht, spazierte also gleich in einen anderen Cornershop, in dem ich für rund 50 Rupees (weniger als ein Euro) acht Fotos machen ließ.

Wieder beim Handy-Inder angelangt, legte ich ihm nochmals alle Dokumente inklusive Passfoto vor. Sein Kollege tippselte etwas in sein Nokia-Gerät und verkündete, in einer halben Stunde könne ich telefonieren. Ob ich auch 3G haben könne, frage ich anschließend. Zuerst heißt es, ich müsse 48 Stunden warten, bis ich 3G beantragen könne. Dann wirft er einen Blick auf mein Smartphone – ein HTC Desire – und verkündet selbstbewusst, dieses sei gar nicht 3G-tauglich.

Weil ich es besser weiß, bin ich gestern noch in einen Vodafone-Shop spaziert. Diesmal kein Corner-Shop, sondern ein klimatisierter Point-of-Sale, der mit österreichischen Standards vergleichbar ist. Ich muss eine Nummer ziehen, warten, damit mir schließlich ein freundlicher Mitarbeiter sagt, ich solle eine SMS an eine Telefonnummer schicken und anschließend mein Wertkarten-Guthaben aufladen – dies allerdings bei einem anderen Mitarbeiter, Zahlung und Leistung sind in Indien meist getrennt, um Korruption zu verhindern. Wieder warten, dann in bar bezahlen.

Heute piepste es dann um acht Uhr morgens: SMS, dass mein 3G aktiviert ist. Hurra. Allerdings gibt das Erlebnis zu denken: Nämlich, dass trotz des Verwaltungsaufwands der Mobilfunk derart in Indien boomt. Doch andererseits: Werden Wertkarten eine Zeit lang nicht verwendet, so verfallen sie; und innerhalb der einzelnen Bundesstaaten fallen Roaming-Gebühren an, wenn man in eine andere Region reist – auch wir tragen derzeit etliche SIM-Karten verschiedener nicht-indischer Freunde mit Anmeldung in verschiedenen Bundesstaaten mit uns herum, um diese aktiv zu halten, damit sie nicht deaktiviert werden.

Zu einem gewissen Teil des Booms tragen somit wohl Geschäftsleute bei, die nach und innerhalb Indiens reisen – und sich nicht alle paar Monate erneut in einem Cornershop registrieren wollen. (Stefan Mey)

Durch den Monsun

Gestern war es bereits über den Tag hinweg bewölkt und schwül, was wir als entsprechendes Vorzeichen hätten deuten können – dennoch hat es uns in den HUB Bombay verschlagen, um noch ein paar Mails zu schicken und zu schreiben. als es dann langsam zu donnern, blitzen und tröpfeln begann, ahnten wir noch immer nichts Böses – bis es dann so richtig begann, (wie man auf wienerisch so schön sagt) „obi zu wascheln“. Die Rikschafahrt durch den Monsun gestalte sich entsprechend abenteuerlich, wie das anschließende Video zeigt.

Music: „Train under water“ von Bright Eyes.

Back in Bombay

Aus dem Flugzeug aussteigen. Mit einer leichten Verkühlung, weil es die vergangenen Tage in Wien so kalt war – doch der europäische Herbst ist rasch vergessen. Die Hitze erschlägt einen, als man aus dem Flugzeug steigt und indischen Boden betritt. Heiß ist es, und feucht. Die Luft lässt sich durchschneiden; und der Flughafen von Mumbai (vormals Bombay) ist in einem Stil gehalten, der im Westen wohl schon in den 80ern als uncool gegolten hätte.Es riecht komisch – so wie nur Bombay riechen kann, und keine andere Stadt der Welt: Eine Mischung aus Abgasen, Schweiß, Urin, Räucherstäbchen und Gewürzen.

Beim Verlassen des Flughafens nimmt mir jemand den Koffer ab. Er schiebt ihn fünf Meter, bis ich ihm mein Gepäck entreißen kann. Für seine Dienstleistung will er zehn Rupees (15 Cent) haben. Okay. Das Taxi fährt los, bleibt beim Verlassen des Flughafens stehen; Bettler umringen das Auto. Es hat noch immer 35 Grad, um 11 Uhr abends.

Fahrt zum Hotel. In einem schlecht gefederten Auto vorbei an Menschen, die auf einer Verkehrsinsel schlafen. Und Kühen, und Hunden. Und vorbei an Geschäften, die auch zu später Stunde noch geöffnet haben – 94 Prozent des Handels in Indien läuft im informellen Sektor ab, da spielen staatlich vorgegebene Öffnungszeiten keine Rolle.

Ankunft im Hotel. Unter unserem Zimmer läuft eine wilde Bollywood-Party; draußen rattern die Züge vorbei. Für einen Aufpreis von 1000 Rupees (15 Euro) kriegt man ein Zimmer ohne Kakerlaken. Morgens nach dem Aufstehen beobachte ich die Pendler, wie sie in überfüllten Zügen in die Arbeit fahren – Bombay mag laut und dreckig sein, aber die 16-Millionen-Einwohner-Metropole gehört zu den teuersten Immobilienstandorten der Welt.

Dies ist Indien. Die größte Demokratie der Welt. Das Land mit den knapp neun Prozent Wirtschaftswachstum. Mit Städten wie Bangalore, welches als indisches Silicon Valley bezeichnet wird. Wo IT, Entrepreneurship und Mobilfunk wahre Boom-Märkte sind. Hier werde ich die kommenden Monate eintauchen. Werde jenseits der PR-dominierten Pressereisen und der sterilen Expat-Hilton-Welt recherchieren, werde über die aufstrebende indische IT-Welt schreiben.

Wie das wohl funktionieren soll, frage ich mich, während ich schwitzend auf dem Bett liege und mir ein paar Bollywood-Videos ansehe – bis diese von einer Werbung für den neuen Blackberry unterbrochen werden – und ein Blick in die „Times of India“ verrät mir, dass die Vorbestellungen des neuen iPhone 4S hier explodieren. High-Tech und Innovation gibt es hier wirklich. Halt irgendwo zwischen Dreck, Hitze und auf der Straße schlafenden Menschen.

Mein Begleitung, Wolfgang Bergthaler, kennt Indien wie seine Westentasche
Mein Begleitung, Wolfgang Bergthaler, kennt Indien wie seine Westentasche

Erlebe die indischen Startup – Szene bei der StartUpWeek 2011 in Wien!

YourStory.in, Indiens führende Online-Plattform für Entrepreneure, präsentiert in Zusammenarbeit mit Indische Wirtschaft, das Online-Medium zum Wachstumsmarkt, am 5.Oktober im Rahmen der StartupWeek 2011 die indische Startup-Szene in Wien. Wir ermöglichen allen Teilnehmern tiefe Einblicke in das indische „Eco-System“ und den boomenden Markt, präsentieren die TechSparks 2011 (die heißesten Product-Tech Start-ups Indiens) und diskutieren, wie auch europäische Entrepreneure von den Möglichkeiten in Indien profitieren können.

Indien ist heute eine der dynamischsten und interessantesten Destinationen für Start-ups weltweit, speziell im Bereich der Web- und Mobile-Technologien. In den letzten zwei bis drei Jahren hat es Indien geschafft, sich von einer billigen Outsourcing-Destination zu einem funktionierenden und boomenden Zentrum für IT-Product Start-ups zu entwickeln. Die Fragen, die wir in diesem Kontext beantworten wollen:

  • Ist Bangalore das neue Silicon Valley?
  • Wodurch unterscheidet sich der indische Markt vom Europäischen?
  • Wer sind die indischen Entrepreneurship-Rockstars?
  • Welche Ideen rocken in Indien?
  • Welche indischen Start-ups können auch global den Durchbruch schaffen?
  • Und was haben europäische Entrepreneure davon?

Antworten auf diese Fragen bekommst du

  • am Mittwoch, dem 5.Oktober ab 18:30
  • im UnternehmerInnen-Zentrum Rochuspark, in der Erdbergstrasse 10 in 1030 Wien
  • Der Eintritt ist frei, für Snacks und Erfrischung ist gesorgt.

Bitte um verbindliche Registrierung hier!

Wir freuen uns auf dein Kommen!

Weitere Infos zum Event und Ablauf bekommst du in den kommenden Tagen auf www.indische-wirtschaft.de

(Geschrieben von Wolfgang Bergthaler auf indische-wirtschaft.de)

Frösche und Freaks

Die Hunde sind sehr gutgläubig. Sie schlafen auf der Straße oder schauen eine auf sie zu fahrende Rikscha mit wedelndem Schwanz erwartend an, weil sie wissen, dass der Fahrer ohnehin in letzter Minute ausweichen wird. Schade nur, dass Züge dazu eine deutlich geringere Wendefähigkeit besitzen. Und so sprang der Hund auf einem Bahngleis irgendwo westlich von Hospet hin und her, während sich der Koloss aus Stahl näherte. Erst wenige Meter vor dem möglichen Zusammenprall bemerkte das Tier die Fatalität seiner Situation und versuchte, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen – leider zu spät, wie ein dumpfer Knall verkündete.

So begann meine Reise nach Hampi, auf der ich mich über drei Tage vom bangalore’schen Großstadtstress erholen wollte. Aus der Laune bringen ließ ich mich dennoch nicht. Man lernt in Indien sehr bald eine gewisse Schicksalsergebenheit: Dinge passieren; und mit der Situation muss man irgendwie klar kommen. Ändern kann man nur in den seltensten Fällen etwas.

Angekommen in Hampi fand ich auch das, wonach ich mich gesehnt habe: Ruhe. Kaum Straßenlärm. Vor allem Natur. Und weil ich das volle Programm fahren wollte, habe ich mich sogar nicht mal in Hampi selbst einquartiert, sondern auf der anderen Seite Flusses – dort ist es sogar noch viel ruhiger, aber dafür muss man mit dem Boot täglich um 15 Rupien (25 Cent) über das Gewässer fahren. Der Anlegesteg sieht so aus:

Das rote Ding ist eine Bierkiste, auf die man tritt, um ins Boot zu steigen; davor macht man sich die Füße nass – was aber halb so wild ist, weil man davor durch den Gatsch spaziert ist und somit eine Reinigung willkommen heißt.

Mein Zimmer hat 200 Rupien (3,30 €) pro Nacht gekostet. Inklusive chilligem Restaurant mit lustigem Wirt, Hippie-Gästen aus Israel, einer kalten Dusche, einem Moskitonetz und der härtesten Matratze, auf der ich je geschlafen habe. Und Fred, mein Zimmergenosse. Hier ist ein Foto von ihm:

Manche Menschen mögen Frösche im Zimmer ja eklig finden. Aber ich hatte Fred gerne dabei; denn er hat in der Nacht die Moskitos gefangen – zumindest dann, wenn er nicht damit beschäftigt war, panisch vor mir weg zu hoppeln.

Unglück kommt selten allein

So weit, so gut. Nachdem ich mich also am zweiten Tag meines Kurzurlaubs die alten Tempel und Paläste von Hampi angesehen hatte (wegen der eigentlich die meisten Touristen nach Hampi kommen), wollte ich nach einem erfüllten Tag wieder zurück in mein Hotel. Blöde Sache aber: Der Fluss war zu hoch, und somit wollte der Fährmann nicht mehr übersetzen. Auch die sanfte Zusprache meines Masseurs (woher ich den kenne, das ist eine andere Geschichte) hat wenig geholfen. Dafür baten nun etliche Rikscha-Fahrer an, mich um 800 Rupien über eine weit entfernte Brücke auf die andere Seite zu bringen. Nach längerer Verhandlung hatte ich einen Zeitgenossen auf 550 Rupien runter gehandelt.

Also: Los.

Der Weg führte uns durch Dörfer, in denen kein einziger Tourist zu sehen war, und über holprige Landstraßen mit schlechter Federung – wer mich besser kennt, der weiß, warum mich das beunruhigte. Übler war noch, dass es bald dunkel wurde und der Fahrer Probleme hatte, die einzelnen intakten Straßenstücke zwischen den Schlaglöchern auszumachen. „Viel schlimmer kann es nicht werden“, dachte ich mir. Falsch.

Denn als wir gerade in das nächste Dorf einfuhren, fing es heftig an zu regnen, so dass der Fahrer tatsächlich nichts mehr sah. Irgendwann schaute er auf die rechte Seite seiner Rikscha und fügte hinzu: „Ich glaube, mein Reifen ist geplatzt, vor nur drei Minuten“. Als er kurz darauf feststellte, dass er nicht mal das passende Werkzeug besitzt, fuhr er mit dem Platten zu einem Laden im Dorf.

Dort wechselte er den Reifen, im strömenden Regen. Und da er keinen Wagenheber hatte, ga es echtes Jugaad: Mit purer Muskelkraft hob er eine Seite der Rikscha an, während ein Junge aus dem Dorf das kaputte Rad eilig als Stütze unter des Fahrzeug schob. Anschließend wechselten sie rasch das Rad, und wir fuhren weiter.

Nach zwei Stunden Reisezeit waren wir angekommen. Und ich hatte eine Geschichte, die ich den Israelis erzählen konnte.

…und trotzdem ist alles gut.

Denn auch wenn ich nun ein paar Geschichten erzählt habe, die auf Europäer schockierend oder abstoßend wirken könnten: Es kommt trotzdem in Indien immer alles verstärkt positiv zurück. Der dritte Tag war nämlich einfach nur schön: Lange frühstücken, mit dem Masseur vor seinem Laden sitzen und einen Chai trinken, Trommeln mit ein paar Kanadiern. Und das allerwichtigste: Zurückkommen nach Bangalore. Denn nun sehe ich diese Großstadt mit anderen Augen – nicht nur als einen chaotischen Moloch, sondern auch als eine Insel des modernen Lebens. Mit richtigen Straßen, und ohne Frösche im Schlafzimmer.