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Wien | Vienna

Eine Woche Ottakring

So schnell vergeht die Zeit: Vor gut einer Woche bin ich noch mitten im schwülen Kuala Lumpur gestanden und hab mir zwischen Kakerlaken sitzend die Haare schneiden lassen, und nun trage ich einen dicken Pulli. Seit einer Woche bin ich auch offiziell ein Ottakringer. Nicht Bier, sondern Bürger.

Wie fühlt es sich an, aus Bobostan am Naschmarkt ins Ghetto ziehen? Ehrlich gesagt: Sehr gut. Und damit meine ich nicht nur die Wohnung, die fast doppelt so groß und ca. 1000 mal heller als meine alte ist.

Es ist auch die Umgebung.

Denn das Schöne an Ottakring ist, dass hier schon seit Jahren mit Aktionen wie „Soho in Ottakring“ versucht wird, ein zweites Bobostan zu schaffen – die Gentrifizierung bleibt aber aus.

Und so kommt es dann auch, dass kleinbürgerliche Österreicher, Immigranten und Freizeitintellektuelle wie meine Wenigkeit Tür an Tür wohnen, das auch akzeptieren und die Vorteile sehen. So viele Proleten wie in Favoriten gibt es hier längst nicht, aber andererseits hat man im Gegensatz zur Innenstadt hier auch keine Probleme, sonntags ein Brot zu kaufen – und das, obwohl in Bobostan immer alle auf tolerant tun.

Und es gibt wirklich viele, nette, kleine Geschäfte auf der Thaliastraße, die DVDs mit Horrorfilmen, Schallplatten oder selbst bestickte Taschen verkaufen. Diese Läden sind cool, ohne sich der Tatsache bewusst zu sein – in Bobostan gibt es die gleichen Geschäfte, aber dort heißt das dann Kunst und kostet gleich drei mal so viel.

Fazit: Ich fühl mich wohl, und über mangelnde Besucher kann ich auch nicht klagen. Die MeyMultimediaStudios Ottakring kann ich somit für eröffnet erklären.

Der Blog als Goldgrube

Gleich vorweg: Tut mir leid, falls ich mit dem Titel falsche Hoffnungen geweckt habe. Blogs sind keine Goldgruben, das sollte inzwischen jedem klar sein, der sich auch nur annähernd mit dieser Form der Autoprekarisierung beschäftigt hat. Nicht verwunderlich also, dass ich vergangenen Samstag im Mediencamp auf meine Aussage „Ich werde über die Monetarisierung von Blogs reden – und der Vortrag ist kurz“ schallendes Gelächter erntete.

Anyway: Wir bloggen, weil es Spaß macht. Und weil wir dabei – zum Beispiel auf Barcamps und Blogtails – nette Leute kennen lernen. Und, weil der Blog an sich zwar nur wenig Geld abwirft, aber ein optimales Werbemittel darstellt. Mich kann man ja bekanntlich auch buchen, und das haben auch schon viele tolle Leute gemacht.

Meinen Vortrag stelle ich Euch jedenfalls anschließend hier als Video rein. Und die Folien gibt es hier. Danke für’s Teilnehmen jedenfalls – und für alle, die es verpasst haben: See you next time!

Wien wird Bollywood

Die junge indische Frau steht an einem See, sie hält eine Kerze in ihren Händen. Jeden Morgen kommt sie an diesen Ort, um ihrer toten Mutter zu gedenken – jene Tänzerin, die zu früh starb, aber ihrer Tochter noch ein Versprechen abnahm, sie solle den indischen Tanz in der Welt verbreiten. Die junge Frau betet zu Gott, er soll ihr die geliebte Mutter zurück schicken. Wird sich dieser Wunsch erfüllen?

Romantik, Mythologie, Liebe – klassische Elemente eines Bollywood-Films. Doch dieser Film von Sandeep Kumar ist etwas Besonderes: Er ist der erste rein österreichische Bollywood-Film. „Bis auf eine Szene wurde der gesamte Film in Österreich gedreht; über 100 Österreicherinnen und Österreicher haben ehrenamtlich an dem Projekt mit gewirkt“, sagt Kumar. Die meisten unter ihnen haben so wie Kumar einen Daytime-Job – und so verlagerte sich die Produktionszeit auf Urlaube und Wochenenden; von der ersten Idee bis zur Premiere gestern Abend vergangen zweieinhalb Jahre. Da Kumar als Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler in Personalunion fungierte, konnte die Arbeit zudem nicht aufgesplittet werden – die Szenen konnten nicht gleichzeitig gedreht werden.

Gedacht ist der Film als Demo-Projekt, um ein Bewusstsein für Bollywood zu schaffen. „Bollywood ist in Österreich zwar bekannt, aber nur wenige Filme laufen in den Kinos, weil das Genre noch zu exotisch ist“, sagt Kumar. Bei der Premiere von „Kesariya Balam“ hingegen waren 90 Prozent des Publikums Österreicher; viele von ihnen hatten mit diesem Film ihren ersten Kontakt mit dem Genre. Beim Ansprechen der Zielgruppe passt Kumar sein Produkt an die lokalen Gegebenheiten an: „Kesariya Balam“ dauert etwa nur 80 Minuten statt der genreüblichen drei Stunden. Auf andere Faktoren wiederum konnte unmöglich verzichtet werden: Auch hier gibt es bei der Mitte des Films eine „Intermission“, eine dramaturgische Pause.

Der Film selbst ist ein wildes Crossover, ein Aufeinandertreffen von zwei Welten. „Liebe kennt keine Grenzen“ ist die korrekte Übersetzung des Filmtitels. Und eben dieser Name ist auch Programm: In den Wiener Straßenbahnen wird gesungen; in den Tiroler Bergen getanzt – Österreich wird zu einer exotischen Bollywood-Schaufläche.

Ist das befremdlich? Im ersten Augenblick ja. Aber dann zeigt Kumar doch, dass diese Mischung funktioniert und eine echte kulturelle Bereicherung darstellt. Die Protagonistin, eine Sängerin des Wiener Lieds, findet sich am Ende des Films in einem Drama aus Tanz und Wiedergeburt wieder – eine Lektion der Horizonterweiterung, die auch das Publikum mit nimmt. Und das ist gut so.

Aus Gründen der Effizienzmaximierung erscheint dieser Beitrag auch auf „Indische Wirtschaft“.

Das war das #bcvie

Zugegeben, ich verwende meinen Twitter-Account nicht wirklich oft. Aber wenn doch, dann ist meistens ein entsprechendes Event der Auslöser dafür. In diesem Fall: Das Barcamp Wien vergangenes Wochenende in den Räumlichkeiten von Microsoft Österreich.

Für jene, denen das Konzept der Barcamps nicht bekannt ist: Dabei handelt es sich um so genannte „Adhoc-Nicht-Konferenzren“. Während bei gewöhnlichen, faden Konferenzen die Leute im Anzug daher spaziert kommen, teure Teilnahmegebühr zahlen und dann in dunklen Räumen dösen, während vor ihnen auf Powerpoint-Folien eine Werbeveranstaltung läuft, ist das Barcamp das genaue Gegenteil.

Hier ist der Teilnehmer nämlich zugleich Vortragender; es wird ausdrücklich gewünscht, dass man sich einbringt – im Vorfeld durch twittern, bloggen und darüber reden; während der Konferenz selbst durch Eigen- und Ko-Referate. Der Gedanke des Web 2.0, des Prosumenten – die Mischung zwischen Konsument und Produzent – wird hier in die Offline-Welt übertragen. Ich selbst schreibe soeben meinen zweiten Blog-Beitrag zum Thema, am Freitag erscheint meine Reportage dazu im WirtschaftsBlatt Kompakt – und da mein offener Brief an die Ärztekammer sich derzeit viral verbreitet, habe ich mir auch das Recht raus genommen, mich an der Diskussion zur SVA zu beteiligen.

Aber eigentlich geht es ja gar nicht um die Vorträge. Sondern um die Menschen.

Zum Beispiel um Luca Hammer, der sich und anderen aus dem Hype rund um seinen Auftritt im Club 2 einen Spaß macht und das ganze Event hindurch ein T-Shirt mit der Aufschrift „Social Media Superstar“ trägt, ergänzt durch die humorvolle Ansage, in seinem Vortrag werde er „vor allem über sich selbst reden“. Die dazu passende Autogrammstunde am Sonntag morgen habe ich leider verschlafen.

Fotocredit: Christian Lendl

Luca hat das T-Shirt übrigens von Tony Gigov, ein äußerst talentierter Grafiker. Tony habe ich auf dem Blogtail letzten Juli kennen gelernt; er ist ein echt lieber Kerl. Hier ein Bild von mir, wie ich ihm anlässlich des Events eine Massage verpasse:

Fotocredit: Karola Riegler

Hmmmm…. ebenfalls auf dem Blogtail habe ich übrigens Wolfgang Bergthaler kennen gelernt – und dass ich mit diesem gemeinsam den Blog „Indische Wirtschaft“ betreibe, dürfte wohl inzwischen bekannt sein. Hier der Erguss eines romantischen Foto-Shootings im Fengshui-Innenhof:

Fotocredit: Christian Lendl

Auch gespottet auf dem Event habe ich Marc, die Hälfte des super-coolen Okto-Duos Ron Tyler, sowie zahlreiche andere wirklich nette Menschen. Bei den Vorträgen habe ich Dinge gelernt, von denen ich bisher nicht gewusst habe, dass sie mich interessieren – Mode im Web 2.0 etwa – und das Essen war auch einsame spitze.

Fazit: Das nächste Mal bin ich gerne wieder dabei; etwa beim Mediencamp im Herbst. Und bis dahin, das habe ich mir vorgenommen, werde ich auch meinen Twitter-Account ein wenig pflegen. Die Zeit dafür ist mehr als reif.

Orthodoxe Frühlingsgefühle

Wer orthodox ist, der macht viele Dinge um ein bis zwei Wochen später als die Katholiken. Weihachten feiern etwa. Oder Ostern. Grund genug also, mit dem besten Mädchen von allen auch den Valentinstag eine Woche später als von der Floristen-Lobby vorgegeben zu feiern – auch ein wenig als Wiedergutmachung, da ich ja den eigentlichen Feiertag mit FunkyMike in Köln verbracht habe, statt der Romantik zu frönen.

Und so stellte ich mir jene Frage, mit der wir Männer immer in solchen Situationen kämpfen: Wie mache ich sie glücklich, behalte aber zugleich meine Männlichkeit?

Schwer genug ist das an sich ja eh schon: Wer sich etwa für einen Kinobesuch entscheidet, muss die Lösung irgendwo zwischen den beiden Extrem-Polen „Inglorios Basterds“ und „Wenn Liebe einfach wäre“ finden. Selbiges gilt für DVD-schauen: Die Sissi-Trilogie als krasser Gegensatz zur StarWars-Sextologie… Sie verstehe, was ich meine, gell? Aber meine Situation war noch deutlich pikanter.

Denn das Mädchen – das liebste Mädchen von allen – merkte klar an, dass der orthodoxe Valentinstag

a) keine Standard-Freizeitbeschäftigung sein und

b) nichts mit Sport zu tun haben durfte.

Das allein schließt schon mal einen Großteil der Aktivitäten aus, da Sport in unserer gemeinsamen Freizeitgestaltung einen recht niedrigeren Stellenwert hat. Aber dem nicht  genug; zudem sollte die Aktivität

a) preiswert und

b) niveauvoll sein.

Und das auch noch an einem Sonntag im Winter. Will heißen: Zahleiche Lokale und Geschäfte haben geschlossen, was die Möglichkeiten zusätzlich einschränkt. Und Winter wiederum bedeutet Kälte: Das schließt auch sonst recht romantische Tätigkeiten wie Spazierengehen aus (was man aber auch als Sport hätte interpretieren können – da hätte ich mich also eh in die Nesseln gesetzt). Einen Jet zu chartern und sich den Winter von oben anzusehen wäre ebenfalls keine Option gewesen – erstens aus Kostengründen; zweitens hat die liebste Person der Welt leider Flugangst.

Was also tun?

Unter Zuhilfe verschiedener Internet-Tools (das bekannteste unter ihnen ist Google) stellte ich einen Abend zusammen, der ein akzeptables, wenn auch nicht perfektes Programm enthalten hätte: Zuerst essen gehen (ein Lokal mit exotischen Speisen zu einem günstigen Preis, in dem wir noch nicht gemeinsam gewesen sind und wo man auch keinen Sport treiben muss); anschließend drei Kinofilme zur Auswahl, die sich allesamt innerhalb des Spektrums befanden.

So weit zum Plan. Dieser wurde dann aber wieder über den Haufen geworfen.

Denn das Kino ließen wir dann bleiben. Stattdessen erkannten wir durch basisdemokraktische Kommunikation – das macht man nämlich so in einer Nicht-Beziehung, der perfektesten Form aller Beziehungen -, dass wir beide Lust auf einen Kaffee und eine gepflegte Partie Schach haben…. Wie bitte? Schach? Ja, perfekt: Gratis, aber doch mit wahnsinnig viel Niveau. Außerdem war das unser erstes gemeinsames Schachspiel, also etwas komplett Neues. Und dass Schach von manchen Menschen als Sport betrachtet wird, darüber sehen wir jetzt mal hinweg.

Im Endeffekt also alles gut gelaufen; jegliche männliche Panik vollkommen unangebracht. Und als Dankeschön für den schönen Nachmittag hat mich das tollste Mädchen von allen – nebenbei bemerkt Tochter eines Schach-Großmeisters – sogar gewinnen lassen. Na bitte, geht doch. Was ich daraus gelernt habe: Das nächste Mal wird gleich gemeinsam entschieden. So was nennt man dann Emazipation, glaube ich. Ist besser so.

Ein wirres Posting zum Thema Karneval, Sprache und so

Okay, ich muss mich entschuldigen und rechtfertigen zugleich: Es ist NICHT meine Schuld, dass über die Karnevalstage hinweg die Berichterstattung auf diesem Kanal so schlecht war – Schuld ist viel mehr die miserable WLAN-Infrastruktur in Deutschland, kombiniert mit den heftigen Roaming-Gebühren für Datentarife. Findet man mal ein Café mit Netz, so ist dieses kostenpflichtig – und für den eigenen Mobil-Tarif legt man bei der der derzeitigen EU-Regelung mal locker 12 Euro pro MB auf den Tisch.

Aber genug gesudert – a propos: „Sudern“ ist ein Wort, das die Wiener erfunden haben; Kölner können damit herzlich wenig anfangen. Und die Wiener beherrschen das Sudern ja auch deutlich besser als ihre nördlichen Nachbarn. Während in Wien so manche „Grantscherben“ (laut Wörterbuch Österreichisch-Deutsch ein „anhaltend schlecht gelaunter Mensch“) unterwegs sind, wird Köln beherrscht von den „Jecken“ – äh… hä?

Definition aus dem Langenscheidt Kölsch für das Wort „Jeck“:

Jeck – ein sehr vielschichtiges Wort! Es ist ohne beleidigenden Ton als Anrede zu gebrauchen, oft bei leichtem Widerspruch oder Zweifel: „Nä, Jeck, dat maache mer janz anders!“ oder „Nä, do Jeck, dät stemmp doch jaa nit!“. Die hohe Schule der kölschen Philosophie besagt, dass alle Menschen Jecken (=Indivisuen) sind und gilt: „Mer sinn all jet jeck, ävver jede Jeck es anders.“ (=Wir sind alle etwas verrückt, aber jeder Jeck ist anders.) Und weil man ja tolerant ist, heißt es: „Jeck looß Jeck elans“ (= Der eine Narr lässt den anderen gewähren.)

Alles klar so weit? FunkyMike und meine Wenigkeit hatten jedenfalls Spaß auf den diversen Faschingsfeten (in Wien nennt man das „G’schnaas“) und auch mit den Karnevalszügen, bei denen sich erwachsene Menschen um Süßigkeiten prügeln als ginge es um Leben  und Tod.

Übrigens, hier – um den Bogen zum Anfang dieses Postings zurück zu spannen – ein Bild von meinem Lieblings-Wagen auf dem Rosenmontagszug, welcher sich kritisch mit der Privatsphäre im Web 2.0 auseinander setzt:

karneval1

Hiermit möchte ich das Posting auch schließen. Jegliche Kommentare sind freilich jederzeit erwünscht.

Alaaf und Helau!