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Arschlöcher

Zug-Diebe? Verbrecher? (c)ÖBB

Offener Brief: ÖBB-Kunden als Verbrecher?

Zug-Diebe? Verbrecher? (c)ÖBB

Zug-Diebe? Verbrecher? (c)ÖBB

Sehr geehrte Damen und Herren,

Bevor ich in medias res gehe, möchte ich Sie gerne darauf hinweisen, dass ich bereits seit etlichen Jahren vielreisender Kunde der ÖBB bin. Ich schätze besonders die Umweltfreundlichkeit der Verkehrsmittel und die Höflichkeit des Personals. Schade, dass es auch schwarze Schafe gibt.

Als ich am 12.4. um 7:15 mit der S7 zum Zweck einer Rom-Reise von Wien Landstraße mit meiner Freundin zum Flughafen Wien fuhr, wollte ich mir ein Ticket am Automaten kaufen. Das Prozedere ist altbekannt: Ab Stadtgrenze anwählen, Reiseziel angeben, bezahlen.

Leider akzeptierte der Automat unseren Geldschein nicht, und das Prozedere musste wiederholt werden – was nicht weiter schlimm ist. Leider übersahen wir in der Eile jedoch, das Feld „sofort entwerten“ beim zweiten Durchlauf anzuwählen. Denn der Automat geht vorerst davon aus, dass der Fahrschein später entwertet wird. Warum nehmen die ÖBB an, dass Käufer eines Fahrscheins diesen nicht sofort verwenden wollen? Ich weiß es nicht. Wissen ausländische Touristen, was sie tun müssen? Vermutlich nicht.

Nachdem wir uns noch Reiseproviant besorgt hatten, begaben wir uns zum Gleis. Dort hielt ich flüchtig Ausschau nach einem Automaten zum Entwerten, fand aber keinen. Na gut, dachte ich mir: Das gewohnt freundliche Personal der ÖBB wird mich wohl verstehen.

Dem war nicht so.

Als ich den zuständigen Kontrolleur freundlich um die Entwertung des Fahrscheins bat, entgegnete dieser lautstark und mit sichtlich gesteigertem Blutdruck, dass dies nicht möglich sei. Weiters bezeichnete er mich und meine Lebensgefährtin als „Verbrecher“ und warf uns die „Erschleichung einer Dienstleistung“ vor. Auf eine Bemerkung meinerseits zu seiner unvorsichtigen Wortwahl drohte er mit der Einschaltung der Polizei. Die Versuche anderer, sichtlich schockierter Fahrgäste zur Beruhigung des cholerischen Kollegen waren diesem egal und verliefen daher fruchtlos.

Auf dem Weg zum Bankomaten zwecks Begleichung der Strafe von insgesamt 130 Euro versuchte ich erneut, die Wogen zu glätten und schilderte den Vorgang des Ticket-Kaufs. Ihr Kollege behielt seinen lauten Tonfall bei, warf uns ein weiteres Mal ein „Verbrechen“ vor und fragte mich barsch, ob ich der deutschen Sprache mächtig sei. „Ich bin Journalist, ich arbeite täglich mit Sprache“, antwortete ich – und dachte mir: Doch was machen ausländische Touristen? Werden Sie ob dieser österreichischen Gastfreundschaft das Land ein weiteres Mal beehren? Wohl eher nicht.

Da der Kollege sich partout weigerte, seinen Namen preis zu geben, sehe ich keinen Grund, diesen Sachverhalt nicht auch auf meinen Blog und auf diversen Social Media-Kanälen zu publizieren. Weitere sei angemerkt, dass der Kollege bei jeder noch so kleinen Erwiderung mit dem Einschalten der Polizei zu drohen – in dem Wissen, dass wir einen Flug zu erwischen haben.

Mir persönlich ging dies nicht allzu nahe, als Journalist ist man Beleidigungen und Drohungen aus dem Alltag gewohnt; doch meine Freundin, ein sehr friedliebender Mensch, war zutiefst betroffen durch das barsche Verhalten und die Beschimpfungen. Unser Reise-Erlebnis wurde durch diese Erfahrung extrem getrübt.

Vermutlich waren wir im Unrecht, wir hätten auch unter Zeitdruck in den frühen Morgenstunden die Fehler des Ticket-Automaten ausbügeln müssen. Dennoch möchte ich sie darauf hinweisen, dass ich als vielreisender Kunde eine Entscheidung treffen kann: Sofern ich von Ihnen keinen Nachweis für die Optimierung des Systems inklusive Schulung der sozialen Kompetenz Ihrer sichtlich frustrierten Mitarbeiter erhalte, werde ich vorerst auf andere Verkehrsmittel umsteigen.

Denn der Kunde ist in Österreich nicht König – sondern wird entweder in die Kaste der Kriminellen degradieret, oder fühlt sich wo anders als Kaiser.

Arroganz meets Art – die Sommer-Trends 2012

Jedes Jahr müssen sich die Machthaber der Modekonzerne von Neuem entscheiden, wie wir uns im kommenden Sommer anziehen und und beschriften sollen: Welche Farbe suggeriert gerade, dass man durch den frühjährlichen Einkauf auch heuer das Wirtschaftswachstum gefördert hat? Wie viel Markenbotschaft auf den Körpern der Menschen ist in diesem Sommer legitim? Heuer, so mein bescheidener Eindruck, ist die Entscheidung unter dem Einfluss schwerst psychedelischer Drogen gefallen: Mit dem omnipräsenten Buzz-Wort „Art“ wird beworben, man solle sich doch bitte so bunt wie möglich anziehen – am Besten in Farben, die in Wahrheit nicht im Entferntesten zusammen passen – so zumindest die Fachmeinung von Menschen, die sich mit solchen Dingen beschäftigen.

Mode-Uninteressierte Menschen wie meine Wenigkeit wiederum horchen kurz auf: Bedeutet das nun, dass wir unsere Garderobe wild mixen können? Dass wir im Kollegenkreis nicht mehr schief angesehen werden, weil wir hellblaue T-Shirts auf blaue Jeans anziehen? Dass die soziale Ächtung der permanent wegen Stillosigkeit exkludierten nun ein Ende hat? Die Antwort lautet: Leider nein. Denn, so sagte man mir, es sind nur jene Farben erlaubt, die von den Marketing-Abteilungen der Mode-Konzerne für cool befunden wurden. Damn.

Arroganz ist angesagt

Und nicht nur Farbe scheint zur Zeit im Trend zu sein – zurückgeschleckte Haare, überdimensionale Sonnenbrillen und teilweise sogar recht gewagte Rotzbremsen suggerieren zudem: Wer sich dem aktuellen Trend anpasst, der findet es offensichtlich auch irgendwie geil, wie ein Arschloch auszusehen. Ist zumindest mein subjektiver Eindruck; allgemein wirken Befolger des Trends etwas arroganter als der Rest der vergleichsweise farblosen Menschheit.

Mich wiederum stellt das vor ein Problem – denn jedes Jahr kaufe ich mir in einem bekannten Modehaus eine Sonnenbrille aus Bangladesh um sieben Euro. Warum? Weil Sonnenbrillen bei mir nie länger als eine Sommer-Saison überleben – entweder sie werden mir am Strand gestohlen, oder jemand – meist ich – setzt sich auf die Brille drauf und verbiegt sie dadurch. Es zahlt sich somit für mich nicht aus, dreistellige Beträge in Brillen mit besonderer Beschriftung zu investieren; in einem hiesigen Mode-Haus kann ich mir aber sich sein, dass – im Gegensatz zu Einkäufen in Dritte-Welt-Ländern – diverse UV-Schutz-Standards eingehalten werden.

Tja, und dieses Jahr stand ich doof da.

Denn wähle ich normalerweise das kleine schwarze Modell, das eher sportlich am Kopf anliegt und nicht allzu sehr auffällt; so hatte ich diesmal nur die Wahl zwischen Varianten, die sich dem allgemeinen Trend aus Art und Arroganz anpassen. Also entweder die extrem überdimensionierte Flieger-Brille oder die kleine Möchtgern-Hornbrille, die so individuell ist wie ein Paar schwarzer Socken.

Ich hab echt lange überlegt, was ich diesen Sommer im Gesicht tragen soll, bin sicher eine halbe Stunde vor dem entsprechenden Regal gestanden. Schließlich entschied ich mich dann für die Variante „Arschloch XS“ – also die un-individuelle Hornbrillen-Kopie. Nächsten Sommer, das habe ich mir vorgenommen, investiere ich dann doch in eine langlebige Brille mit teurer Beschriftung und passe auf, dass ich mich nicht drauf setze – denn mich freut’s echt nicht, mir mein Aussehen von ein Marketing-Fuzzies vorschreiben zu lassen.