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Arroganz meets Art – die Sommer-Trends 2012

Jedes Jahr müssen sich die Machthaber der Modekonzerne von Neuem entscheiden, wie wir uns im kommenden Sommer anziehen und und beschriften sollen: Welche Farbe suggeriert gerade, dass man durch den frühjährlichen Einkauf auch heuer das Wirtschaftswachstum gefördert hat? Wie viel Markenbotschaft auf den Körpern der Menschen ist in diesem Sommer legitim? Heuer, so mein bescheidener Eindruck, ist die Entscheidung unter dem Einfluss schwerst psychedelischer Drogen gefallen: Mit dem omnipräsenten Buzz-Wort „Art“ wird beworben, man solle sich doch bitte so bunt wie möglich anziehen – am Besten in Farben, die in Wahrheit nicht im Entferntesten zusammen passen – so zumindest die Fachmeinung von Menschen, die sich mit solchen Dingen beschäftigen.

Mode-Uninteressierte Menschen wie meine Wenigkeit wiederum horchen kurz auf: Bedeutet das nun, dass wir unsere Garderobe wild mixen können? Dass wir im Kollegenkreis nicht mehr schief angesehen werden, weil wir hellblaue T-Shirts auf blaue Jeans anziehen? Dass die soziale Ächtung der permanent wegen Stillosigkeit exkludierten nun ein Ende hat? Die Antwort lautet: Leider nein. Denn, so sagte man mir, es sind nur jene Farben erlaubt, die von den Marketing-Abteilungen der Mode-Konzerne für cool befunden wurden. Damn.

Arroganz ist angesagt

Und nicht nur Farbe scheint zur Zeit im Trend zu sein – zurückgeschleckte Haare, überdimensionale Sonnenbrillen und teilweise sogar recht gewagte Rotzbremsen suggerieren zudem: Wer sich dem aktuellen Trend anpasst, der findet es offensichtlich auch irgendwie geil, wie ein Arschloch auszusehen. Ist zumindest mein subjektiver Eindruck; allgemein wirken Befolger des Trends etwas arroganter als der Rest der vergleichsweise farblosen Menschheit.

Mich wiederum stellt das vor ein Problem – denn jedes Jahr kaufe ich mir in einem bekannten Modehaus eine Sonnenbrille aus Bangladesh um sieben Euro. Warum? Weil Sonnenbrillen bei mir nie länger als eine Sommer-Saison überleben – entweder sie werden mir am Strand gestohlen, oder jemand – meist ich – setzt sich auf die Brille drauf und verbiegt sie dadurch. Es zahlt sich somit für mich nicht aus, dreistellige Beträge in Brillen mit besonderer Beschriftung zu investieren; in einem hiesigen Mode-Haus kann ich mir aber sich sein, dass – im Gegensatz zu Einkäufen in Dritte-Welt-Ländern – diverse UV-Schutz-Standards eingehalten werden.

Tja, und dieses Jahr stand ich doof da.

Denn wähle ich normalerweise das kleine schwarze Modell, das eher sportlich am Kopf anliegt und nicht allzu sehr auffällt; so hatte ich diesmal nur die Wahl zwischen Varianten, die sich dem allgemeinen Trend aus Art und Arroganz anpassen. Also entweder die extrem überdimensionierte Flieger-Brille oder die kleine Möchtgern-Hornbrille, die so individuell ist wie ein Paar schwarzer Socken.

Ich hab echt lange überlegt, was ich diesen Sommer im Gesicht tragen soll, bin sicher eine halbe Stunde vor dem entsprechenden Regal gestanden. Schließlich entschied ich mich dann für die Variante „Arschloch XS“ – also die un-individuelle Hornbrillen-Kopie. Nächsten Sommer, das habe ich mir vorgenommen, investiere ich dann doch in eine langlebige Brille mit teurer Beschriftung und passe auf, dass ich mich nicht drauf setze – denn mich freut’s echt nicht, mir mein Aussehen von ein Marketing-Fuzzies vorschreiben zu lassen.