Früher mussten Spiele-Entwickler die Früchte ihrer Arbeit von einem  Konzern auf DVDs pressen lassen, um sie im Handel zu verkaufen. Musiker  galten nur als erfolgreich, wenn sie einen Plattenvertrag hatten.  Authoren konnten ohne Verlage nicht publizieren. Und Händler hielten  sich brav an die vorgegeben „unverbindlichen Preisempfehlungen“ der  produzierenden Konzerne. Heutzutage ist all dies Vergangenheit.
Denn Spiele-Entwickler vertreiben ihre Mini-Games inzwischen über den  AppStore von Apple, Androids GooglePlay oder demnächst auch den Store  von Windows 8. Musiker brauchen keinen Vertrag mehr, sondern stellen  ihre Musik mit Hilfe on Rebeat, INgrooves oder Reverbnation auf iTunes  oder Spotify direkt dem Fan zur Verfügung. Authoren publizieren auf  Amazon, Ciando oder bod.de ihre Bücher ohne Mittelmann. Und Händler  entdecken über die Marktplätze von Amazon und eBay neue Vertriebskanäle.
Das ist eine schöne neue Welt, in der Wirtschaften eine zuvor noch  nie dagewesene Freiheit erlebt. Aber das schmeckt nicht jedem.
Denn während sich die Content-Produzenten und Händler am Web  erfreuen, ärgern sich etablierte Unternehmen über Gewinneinbußen: Die  Videospiel-Branche etwa sieht eine vermehrte Konkurrenz durch die von  kleinen Start-Ups produzierten Handy-Spiele, die nur einen Bruchteil  kosten, die Spieler aber ebenfalls fesseln können – Branchenriese  Electronic Arts rechnet heuer mit einem Minus von bis zu 100 Millionen  Dollar. Und auch die Musikindustrie klagt seit Jahren über sinkende  Gewinne.
Es wäre möglich, selbst kreative Ansätze zu entwickeln und in diesem  Spiel der Innovationen mit zu spielen – was auch manche Unternehmen  erfolgreich tun. Andere Vertreter der Old Economy wiederum ziehen es  vor, gegen den Strom zu schwimmen. Exemplarisch ist dabei das Festhalten  der Musikindustrie an konventionellem Vertrieb – inklusive matraartigem  Wiederholen der Aussage, die CD dürfe nicht sterben; ebenso wie die  Vorgabe des Sportartikel-Herstellers Adidas, die Händler sollen künftig  nicht mehr die Vertriebskanäle von Amazon und eBay verwenden –  Begründung: Die Darstellung der Produkte erfolgt bei Amazon und eBay  nicht zufriedenstellend. Frage: Was kann man bei der Darstellung einer  Sport-Tasche großartig falsch machen?
Erreichen kann Adidas durch diese Strategie lediglich, dass die  vorgegebenen Preise in bestehenden Vertriebskanälen erhalten bleiben.  Auf die neuen Vertriebskanäle hingegen verzichtet man – und wenn der  Kunde beim Online-Marktplatz seines Vertrauens dann keinen Adidas-Schuh  findet, kauft er halt einfach ein Produkt der Konkurrenz.
Fakt ist, dass in den vergangenen Jahren ein Damm aufgebrochen ist,  der sich nun entleert und ein neues Wirtschaften ermöglicht. Was wir nun  parallel dazu erleben, ist ein verzweifeltes Aufbäumen der Old Economy,  das Kunden eher verärgert, statt sie glücklich zu machen. Und  verärgerte Kunden will niemand haben. Etablierte Unternehmen tun daher  gut daran, im digitalen Spiel mit zu spielen, statt sich dagegen zu  stemmen – denn aufhalten lässt sich die Revolution ohnehin nicht mehr.
Aus Gründen der Effizienzmaximierung erschien dieser Artikel auch in der TechZone des WirtschaftsBlatt.