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Die Welt | the world

Europareise (6): Monochromatik

Es ist schon einige Jahre her, dass ich auf Erasmus in Den Haag war. Damals hatte ich begonnen, mich mit kommunikationswissenschaftlichen Theorien zu beschäftigen. Besonders das Modell von Shannon und Weaver hatte es mir angetan: Kommunikation funktioniert so, dass ein Sender durch einen Kanal eine Nachricht an einen Empfänger schickt. „Was“, so dachte ich mir, „passiert wohl, wenn man als künstlerische Provokation in diesem Prozess einfach die Nachricht weg lässt?“ Man müsste also quasi einfach ein weißes Blatt Papier an die Wand hängen. Die Idee stieß bei Freunden auf Unverständnis: „Und was willst Du dann als nächstes machen? Rein blaue Bilder malen?“ scherzte einer. Dass rein einfärbige – „monochromatische“ – Bilder ihr Publikum haben, hat Yves Klein schon erfolgreich gezeigt. Anscheinend reicht es, beim Malen einen Smoking zu tragen, um mit solchen Projekten ernst genommen zu werden.

Eine Entdeckung im Centre Pompidou hat mir aber vorgestern klar gemacht: Es geht tatsächlich dreister, und irgendjemand hat mit meiner Idee verdammt viel Geld gemacht, indem er oder sie selbige einfach kopierte. Da hängen sie jetzt: Drei weiße Leinwände. Namen des Künstlers und Datum der Erstellung habe ich mir nicht gemerkt. Einfach aus Verärgerung. Ces salauds. Connards. Putain de merde.

Europareise (5): Pufferzone

So, nun habe ich zwei Tage in Berlin verbracht. Anfangs schockiert von der Westlichkeit einer Stadt, die im deutschen Sprachraum als Sinnbild für den langsamen Wandel von realem Sozialismus zu freier Marktwirtschaft geshen wird, sehe ich es nun so: Berlin – jene Stadt, die in der Lebenswert-Skala Deutschlands auf Platz 50 rangiert – ist auf meiner Reise der kleine Puffer zwischen dem exotischen Kaliningrad und jener Bobo-Hochburg Europas, in der ich die nächsten sieben Tage verbringen werde: Paris, ich komme!

Europareise (4): Was ich nun verstehe

Immerhin habe ich die letzten Tage über eines verstanden: Ich verstehe Rußland nicht. Und bevor ich auch nur anfangen kann, mich richtig damit auseinander zu setzen, reise ich auch schon wieder ab: Morgen werden wir uns um sieben Uhr morgens in ein Auto setzen, um durch Polen nach Berlin zu fahren. Ich bin mal gespannt, was dort passiert – auch wenn mir der Abschied von Kaliningrad ein wenig weh tut; die Gespräche der vergangenen Tage haben gezeigt, dass es hier noch viel zu erforschen und erkennen gäbe… Könnten Sie sich etwa vorstellen, für den Besuch einer Stadt im gleichen Land ein Transfer-Visum beantragen zu müssen? Eben, ich auch nicht.

Europareise (3): Was man sich so erzählt

Irgendwie hört man hier allerlei interessante Geschichten über das russische Wirtschaftssystem: wie etwa die des hohen Beamten, der dadurch auffiel, dass er von einem Wirtschaftsboss öfters Tortenschachteln überreicht bekam. Als die Schachtel einmal deutlicher unter die Lupe genommen wurde, stellte sich heraus, dass sich darin keine Torte, sondern Schmiergeld befand. Der Mann musste sein Amt nieder legen; das Auffliegen des Komplotts war aber wohl das Ergebnis einer politischen Intrige.

Oder die Gründe für die hohen Immobilienpreise in der Enklave: Sicher einerseits das unasusgeglichene Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, andererseits sind im Preis von 1500 Dollar pro Quadratmeter auch die Kosten für Korruption mit eingerechnet.

Und schließlich: Vodka. Heute erzählte mir der Besitzer eines landwirtschaftlic hen Betriebs, dass ihm die alkoholisierte Bevölkerung das Diesel aus den Traktoren stiehlt, um sich damit ihre Sucht finanzieren zu können.

Kein Kommentar meinerseits.

Welch wunderschöne Stadt – und voller Gerüchte…

Europareise (2): „Ich bin doch nicht schwul“

Wer mit KadAvia fliegt, der hat in Schwechat schon einen Vorgeschmack auf Ostern, denn der CheckIn-Schalter der russischen Fluglinie ist nicht ausgeschildert, die Suche lässt sich also mit der kindlichen Jagd nach versteckten Eiern vergleichen. Interessant dann: Die Linie hat in Österreich so wenig Personal, dass meine CheckIn-Dame und meine Boarding-Dame die gleiche Person waren – persönlich irgendwie, fand ich nett.

Im Flugzeug selbst: Auffällig, dass alles auf russisch durchgesagt wird; selbst die englische Übersetzung ist nur mit viel Fantasie als eine solche zu erkennen. Ansonsten verläuft der knapp zwei Stunden dauernde Flug ereignislos; es gibt normales Essen – wieder mal mit Jacobs-Löskaffee – und das Personal ist freundlich.

Ganz im Gegensatz zum Flughafenpersonal in Kaliningrad: Da werde ich – auf russisch, welches ich nicht verstehe – mit Fragen zu meinem einwandfreien Pass gequält, ich bleibe aber hartnäckig und schließlich murrt die Grenzbeamtin, tippt etwas in ihren Computer, gibt einen Stempel in den Pass, händigt mir das Dokument aus und schnauzt mich dazu abschließend nochmal an. Wie schön, ich bin zuhause. Ähnliche Situation bei der Sicherheitskontrolle: Damit man aus dem Flugzeug keine Bombe ins Land bringt (sic!), muss man sein Gepäck nochmals auf ein Band legen, damit es durchleuchtet wird. Das Band selbst wird allerdings nicht überwacht. Hm, auch gut.

Außerdem sind alle Kontrollstellen bei der Ankunft gespickt mit Soldaten, die einen in harschem Ton zurecht weisen, wenn man eine gewisse gelbe Linie überschreitet und dem Vordermann somit zu nahe kommt. „Das ist auch wichtig, dass es diese Soldaten gibt“, erklärt mir heute der deutsche Handelsdelegierte: „Denn die Russen selbst würden keinen Respekt vor solchen Linien haben.“ Ihm selbst seien Einheimische mal so eng auf die Pelle gerückt, dass er sich umgedreht und sie mit den direkten Worten „Ich bin doch nicht schwul“ zurück gewisen hat. So was wirkt.

Europareise (1) – Es geht los!

Hurra hurra, meine lange erwartete Europa-Reise beginnt in genau drei Stunden! Dann steige ich in ein Flugzeug und fliege nach Kaliningrad, werde dort ein paar Tage verweilen, um ein paar spannende Interviews zu machen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Weitere geplante Stationen: Polen, Berlin, Paris und – wenn alles gut geht – London.

Ich werde versuchen, während der kommenden zweieinhalb Wochen regelmässig von meiner Reise zu berichten. Ständige Besuche des Blogs und Überprüfen meiner Einträge zwecks Stefan-Tracking zahlen sich also aus.