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Die Welt | the world

Indien vs. Israel: Ein Reise-Vergleich

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Wildlife in Israel: Klein, aber fein (c) Stefan Mey

Vor ein paar Jahren habe ich im Rahmen eines Thailand-Urlaubs das besagte Reiseziel mit Indien verglichen und bin dabei zwar diplomatisch zum Schluss gekommen, dass Indien zwar mehr interkulturelle Grenzgänge bietet, dafür Thailand aber die schöneren Strände hat – die Wahl des Urlaubsziels sei daher Geschmackssache. Mir persönlich gefiel Indien allerdings besser – weshalb ich ja auch ein halbes Jahr dort war und sogar ein Buch über die Zeit dort geschrieben habe.

Über andere Länder habe ich seit meiner Indien-Reise, die vor genau zwei Jahren begann, nicht geblogged, auch wenn auf den Indien-Trip noch so manches Abenteuer folgte. Zum Beispiel bin ich nun bereits das zweite Jahr in Folge nach Israel gereist – und während ich im Vorjahr noch nicht so sehr das Bedürfnis zum Bloggen über meine Erfahrungen verspürte, möchte ich diesmal erläutern, warum es mich nun in ein Land zieht, das viele Menschen leider nur aus den abendlichen Nachrichten kennen. Hier ist er also: Mein Reise-Vergleich zwischen Indien und Israel.

Strände

Viele Menschen fahren auf Urlaub, um am Strand zu liegen – ich selbst zähle mich nicht zu dieser Sorte, habe aber gegen weißen Sand und blaues Meer generell nichts einzuwenden. Indien punktet hier an erster Stelle durch die exotischen Andamanen und das Hippie-Paradies Goa, Stadt-Strände wie jener von Bombay lassen den Reisenden am kulturellen Leben teilhaben, laden auf Grund der Verschmutzung aber wirklich nicht zum Baden ein.

Der Strand vom Tel Aviv wiederum ist ein Stadt-Strand, wie man ihn auch von so mancher europäischen Stadt kennt. Hier kann man ins Wasser hüpfen und den Sonnenuntergang vom Strand aus beobachten, mit modernen Hochhäusern im Rücken. In wenigen Stunden ist man von Tel Aviv aus per Bus am Roten oder Toten Meer – und letztgenanntes ist der USP der Israelis: Während man sonst heutzutage jede Sehenswürdigkeit auch auf Wikipedia und Google Street View bewundern kann, ist das Baden im Salzwasser des Toten Meeres eine einzigartige Erfahrung, die ich wohl niemals vergessen werde.

Geschichte und Religion

Indiens kulturelle Vielfalt kann einen Besucher regelrecht erschlagen – hier wälzen sich Jahrtausende an kultureller Entwicklung aneinander, Besucher können exotische Zeremonien verfolgen und ihren Horizont erweitern, wenn sie die richtige Einstellung dafür mit bringen. Wer etwas über Sikhismus, Buddhismus oder Hinduismus lernen möchte, der ist hier an der richtigen Adresse.

Nach Israel wiederum sollten jene Europäer reisen, die an den Wurzeln ihrer eigenen Religion interessiert sind. So gut wie jeder Ort in diesem kleinen Land hat eine Relevanz für die monotheistischen Religionen, der „Lonely Planet“ für Israel ist gespickt mit Bibel-Verweisen – selbst wenn es bloß um Jaffa, die Altstadt von Tel Aviv, geht. In Jerusalem geht es dann so richtig rund: Hier treffen in der Altstadt Vertreter von drei Weltreligionen zusammen, feiern ihre Feste, begehen ihre Pilgerfahrten, Muezzine und Kirchenglocken wettern um das Gehör der Besucher. Jerusalem ist das Varanasi der Buchreligionen – und nicht minder unterhaltsam.

Wandern und Wildlife

Die größeren Tiere gibt es ohne Zweifel in Indien zu sehen: Wer sich hier im richtigen Bundesland in einen Jeep setzt, der kann mit etwas Glück nicht nur gehörnte Viecher, sondern auch Elefanten und diverse Raubkatzen sehen. Damit bietet Indien weniger als diverse schwarzafrikanische Länder – aber mehr als der Schwarzwald.

Allerdings hat Indien den Nachteil, dass man dort nicht selbst aktiv werden kann – mit Ausnahme von Nischen-Programmen wie dem in meinem Buch beschriebenen Matheran. In Israel wiederum bin ich am Toten Meer bei knapp 40 Grad Celsius eigenständig durch die Wildnis gewandert – und hab dabei sogar ein paar Steinböcke gesehen.

Wer also gerne Tiere per Auto verfolgt, ist in Indien besser dran – wer gerne selbst aktiv ist, sollte auf Israel setzen.

Interkulturelle Flashs

Wie bereits zuvor beschrieben, ist Indien fremd, fern und exotisch – es gehört hier zum Alltag, sich von fremden Kulturen überraschen zu lassen und den Horizont zu erweitern, und der durchschnittliche Mitteleuropäer ist durch seine weiße Haut schnell bekannt wie ein bunter Hund.

In Israel gibt es diese Flashs auch – man muss aber länger danach suchen, meist ergeben sie sich erst in längeren Gesprächen. Auf den ersten Blick hingegen sind die Israelis den Mitteleuropäern extrem ähnlich, dank meines Vollbartes wurde ich gar mehrmals für einen Israeli gehalten – nicht zu vergessen ist immerhin die Tatsache, dass auch dieses Land mit vollem Einsatz am Eurovision Song Contest teilnimmt.

WLAN/WiFi

Manche Leute fahren scheinbar nur auf Urlaub, um endlich ungestört im Internet surfen zu können. Ich selbst ziehe es vor, auf Reisen so viel wie möglich offline zu sein und mich meiner unmittelbaren Umgebung zu widmen – gegen eine rasche Verfügbarkeit von Google Maps und booking.com im Bedarfsfall habe ich aber auch nichts einzuwenden.

In Indien findet sich vor allem in Großstädten WLAN in diversen Hotels und Bars; wer allerdings ständig online sein möchte, der ist wohl besser beraten, sich eine Wertkarte mit 3G-Internet zu holen – sonst könnte die Durststrecke bis zum nächsten Tweet vielleicht doch zu lang sein.

In Israel ist die WLAN-Dichte meiner subjektiven Wahrnehmung zufolge noch besser. Nicht nur, dass hier all meine Unterkünfte mit gratis WLAN ausgestattet waren und ich von vielen Cafes aus Zugriff auf das Web hatte – sogar während der Überlandfahrten in den grünen „Egged“-Bussen (das israelische Gegenstück zu Eurolines) gab es kostenloses WiFi.

Infrastruktur, Sicherheit und Hygiene

A propos Busse: Reisen ist in Israel einfach. Busse fahren zwischen den einzelnen Orten ebenso wie „Sheruts“: Mini-Busse, die als Sammel-Taxis fungieren und in denen man rasch mit Einheimischen ins Gespräch kommt. Da das Land sehr klein ist, kommt man sehr schnell von A nach B – während in Indien das Zugnetz zwar auch gut ausgebaut ist, die Züge aber erstens deutlich dreckiger sind und zweitens auf Grund der Größe des Landes Reisen oft sehr zeitaufwändig sind.

Einen weiteren Punkt gewinnt Israel in punkto Hygiene: Selbst öffentliche Toiletten sind sauber, das Leitungswasser kann man ungefiltert trinken – Punkte, die viele zartbesaitete Urlauber vor Indien zurück schrecken lassen.

In punkto Sicherheit hatte ich das Gefühl, dass der Israel-Reisende weniger Angst vor Taschendieben haben muss und generell weniger gebettelt wird als in Indien. Dafür sollte ein Israel-Reisender stets einen Blick auf das weltpolitische Geschehen haben – aus bekannten Gründen.

Kosten

Flüge nach Mumbai werden ab 650 Euro angeboten (plus Visum und Impfungen), mein Flug nach Tel Aviv hat mich 400 Euro gekostet – der Differenz stehen allerdings deutlich höhere Beträge vor Ort gegenüber. Meine billigste Unterkunft in Israel war ein Jugendherbergszimmer in der Altstadt von Jerusalem um 40 Euro, in Indien wiederum habe ich für manche Unterkünfte – allerdings mit Fröschen und Kakerlaken geteilt – unter 10 Euro gezahlt. Ein Essen in Indien kostet einen Euro, ein Burger mit Bier in Tel Aviv kostet 20 Euro.

Stellt man die Fixkosten (Flug, Visum, Impfungen) den variablen Kosten (Schafen, Essen, Alkohol, Ausflüge) gegenüber, so ergibt sich, dass ein Trip nach Fernost ab einer Reisezeit von circa zwei Wochen billiger kommt als ein gleich langer Ausflug in den Nahen Osten.

Fazit

Eine eierlegende Wollmilchsau gibt es nie – auch nicht in Bezug auf das Reiseziel. Klar ist für mich freilich, dass meine Liebe zu Indien nicht so schnell nachlassen wird – dafür schätze ich zu sehr die Möglichkeit, auch mit einem geringen Reisebudget Erfahrungen zu sammeln, die einfach unvergesslich sind.

Allerdings habe ich in Israel eine gute Alternative gefunden für den Fall, dass ich nur wenige Urlaubstage zur Verfügung habe und dennoch ein famoses Abenteuer erleben möchte. Womit für mich klar ist, dass mich beide Länder sicher früher oder später wieder als Gast begrüßen dürfen – über die entsprechenden Erfahrungen lesen Sie dann auf diesem Kommunikationskanal.

Orbitalflüge und Ohrenschmerzen

Eine der größten Zukunftsvisionen aller Zeiten sind kommerzielle Raumflüge für jedermann, also Urlaub im Weltall. Und diese Vision wird realistischer, nachdem bereits verschiedne Unternehmen – darunter Virgin – Tickets für einen kurzen Ausflug in den Orbit verkaufen. Hier zahlt der Kunde einen guten Batzen Geld dafür, dass er ein paar Minuten in der Schwerelosigkeit verharren kann – aktuell nur für Multimillionäre eine spannende Option.

Doch die Vision der Anbieter geht über dies hinaus. In Zukunft, so heißt es, sollen Raumschiffe die bestehenden Linienflüge ersetzen. Dies geschieht, indem das Raumschiff in den Orbit aufsteigt und hier die Erde umfliegt – da kein Luftwiderstand herrscht, soll Energie ebenso wie Zeit gespart werden: Ein Flug von Wien nach Australien, so die Vision, soll in zwei Stunden möglich sein. Das klingt spannend, wirft aber Fragen auf.

Interessant wird es nämlich, wenn man auch in die umgekehrte Richtung nur zwei Stunden braucht, also ruckzuck von Australien nach Europa kommt: Denn dann ist die Flugzeit geringer als die Zeitverschiebung. Bedeutet das folglich, dass man die Zeit überholt? Eine Zeitreise macht? Kommt man dann in der Vergangenheit an, und kann man sich dann selbst anrufen? Vermutlich nicht. Aber werbetexterisch ließe sich das gut ausschlachten: „Mittagessen in Melbourne, Frühstück in Berlin“ wäre ein denkbarer Slogan.

Eine andere Frage ist jene der Gesundheit. Denn wie ich kürzlich bei einem Flug von Wien nach Bangkok feststellen musste, tut es ganz schön in den Ohren weh, wenn man mit Erkältung in einem Jumbojet sitzt – und es ist davon auszugehen, dass sich diese Schmerzen beim Eintritt in die Erdatmosphäre im Rahmen eines Orbitalflugs vervielfachen. Explodiert dann der Kopf? Tod durch Schnupfen? Darf man mit Erkältung dann noch fliegen? Und wer haftet bei Abbruch? Zur Not muss man dann wohl doch mit dem Zug auf Urlaub fahren statt mit dem Raumschiff – an den Neusiedler See statt auf die Andamanen. Ist ja auch ganz nett. Und den Jetlag spart man sich sowieso.

Probelesen: „Metallica rocken Bangalore“

„Bitte geht alle ein paar Schritte zurück, um Platz für die Securities zu machen. Denn Eure Sicherheit ist das Wichtigste heute abend“ – in Europa mag eine solche Argumentation funktionieren, denn wir haben alle ein gewaltiges Roskilde-Trauma und legen dementsprechend Wert auf Sicherheit. Doch in Bangalore hat der Roadie kein leichtes Spiel, als er vor der Masse aus 40.000 Besuchern logisch zu argumentieren versucht: Es ist das erste Mal, dass die Heavy Metall-Band Metallica hier spielt; und die Fans haben Jahrzehnte gewartet – da will man nicht zurück weichen. Der Roadie wird ausgebuht, und der Konzertbeginn verzögert sich um eine weitere Stunde. Uff… Also greifen noch einige der Freizeit-Rocker zur Zigarette – was, wie bitte?

Ja: Zwar herrschte auf dem gesamten Festivalgelände ein ausdrückliches Verbot von Alkohol und Zigaretten – doch die Glimmstängel wurden in Socken und Handtaschen einfach an den spärlichen Sicherheitskontrollen vorbei geschmuggelt. Geraucht wurde dann heimlich, unter vorgehaltener Hand, und die Zigaretten wurden innerhalb der Freundeskreise herum gereicht. Und was den Alkohol angeht: Kaum ein Gesprächspartner wurde angetroffen, der nicht eine ordentliche Fahne hatte – die Fans haben sich einfach vor dem Konzert volllaufen lassen; und einige Flachmänner wurden ebenfalls gesichtet. Das ist Widerstand gegen das System, das ist Rock’n’Roll.

Wer sind diese Fans überhaupt? Gesichtet wurde auf dem ersten Konzert der US-amerikanischen Rockband in Indien weniger der typisch westliche Metallica-Fan mit seiner haarigen Bierwampe und fettigen Haaren – sondern hauptsächlich Menschen der jungen urbanen Mittelschicht: Zwischen 20 und 30 Jahren alt, mit vernünftigen Jobs, so dass man sich das Eintrittsgeld von rund 40 Euro leisten kann – und gekleidet in den typischen Metallica-Shirts, schwarz mit Dämonen und so.

Als dann das Konzert eine Stunde nach dem Roadie-Fiasko beginnt, bricht die Hölle auf – Indische Metallica-Fans zeigen Emotionen, die Europäer einfach nicht mehr zeigen können und wollen. Sie singen und sie tanzen und sie grölen. Und dabei tun sie weitere Dinge, die in Europa wohl seit den 80ern nicht mehr als cool gelten. Die Highlights:

1. Mit dem Handy aus zig Meter Entfernung ein Konzert von der Video-Leinwand abfilmen

2. Die Finger zur Teufels-Geste formen und in die Höhe strecken

3. Laut mitsingen – und zwar nicht nur den Text, sondern ganze Gitarrensoli

4. Luftgitarre spielen

Das wirkt auf Europäer befremdlich, ist aber verständlich – so lange haben die Fans gewartet, und nun wurde ihr Traum erfüllt. Und die Band weiß, was sie den Fans schuldet, röhrt zwei Stunden lang, spielt einige Zugaben – nachdem man das Konzert in Delhi abgeblasen hatte, war man das den Indern einfach schuldig. Als Drummer Lars Ulrich schließlich um 22 Uhr vor das Mikrofon tritt und ins Publikum fragt, ob er der einzige sei, der sich weitere Metallica-Konzerte in Indien wünscht, erntet er einen Sturm aus Jubel.

Rockmusik in Indien: Das funktioniert. Das haben die Veranstalter nun bewiesen, die allein mit den Ticket-Verkäufen an einem einzigen Abend mit zwei Bands (Metallica plus Vorband) 1,6 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet haben. Nur muss man sich halt auf lokale Gegebenheiten gefasst machen – dann erwarten einen aber die motiviertesten Fans dieses Planeten.

Dieser Beitrag ist Teil des E-Books „Indien 2.0 – Twittern im Tuk-Tuk“, das aktuell bei Amazon erhältlich ist.

Probelesen: „Bye bye, Neo-Imperialismus!“

Seit dem Jahr 2002 mache ich einen großen Bogen um die Fastfood-Kette Mc Donald’s. Gründe dafür gab es viele: Erstens hat mich eine befreundete Vegetarierin davon abgehalten, zweitens erkannte ich, dass Fastfood ungesund ist, drittens schmeckte es mir nicht mehr und viertens – das ist wohl das wichtigste – sagt mir die Politik US-amerikanischer Fastfood-Ketten nicht zu, bei der mit Hilfe unterschwelliger Werbung Kunden zum Verneinen ihrer lokalen gastronomischen Kultur verführt werden. Ich gehe auch lieber in ein verrauchtes Wiener Kaffeehaus mit grantigem Kellner und teurem Kaffee statt ins supersterile Starbucks-Marketingparadies.

Dennoch: Gestern war ich mal wieder bei Mc Donalds. In Bombay. Schuld daran war alles und jeder.

Man nehme: Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit, eine der schwülsten Klimazonen unseres Planeten. Und mittendrin wir, wie wir versuchen, den Bahnhof zu erreichen – in einem Taxi, mit schweren Koffern, inmitten lauten, stinkenden Straßenverkehrs. Lärm und Blink-Blink; überall. Stau, Stau, nochmals Stau. Schließlich erreichen wir den Bahnhof. Blick auf die Anzeigetafel: Kein Gleis für unseren Zug angeschrieben. Es ist circa 21 Uhr, um 22 Uhr soll unser Zug gehen. Die Anzeigetafel zeigt aber 7 Uhr morgens als Abfahrtszeit.

Eintritt also in die Wartehalle, wo viele Menschen warten. Liegend, auf dem Boden, und auch aufeinander. Durchkämpfen mit schweren Koffern, angerempelt werden. Nachfragen am Ticket-Schalter, ob die Angabe stimmt: Ja, tut sie; der Zug hat neun Stunden Verspätung.

Also diverse Hotels in der Nähe durch telefonieren. Bei manchen ist das Fax als Telefonnummer hinterlegt, andere verlangen horrende Preise. Schließlich komme ich beim „Galaxy Avenue“ durch und sage, wir seien in 20 Minuten dort.

Der Rikschafahrer will 150 Rupien für eine fünfminütige Fahrt. Mit Mühe bringen wir ihn auf 50 Rupien runter. Er fährt uns ins „Galaxy Avenue“ und kommt mit rein. Bleibt beim Rezeptionisten stehen und schaut uns beim Einchecken zu, weil es gerade lustig ist. Zwei Hotelboys schauen ebenfalls. Zu sechst stehen wir auf geschätzt vier Quadratmetern.

Ring ring. Mein Handy läutet.
Stimme: „Hallo, hier spricht das Galaxy Hotel. Wann kommen sie?“
Ich: „Wir stehen in Ihrer Lobby.“
Er: „Ah.“
Klick. Er hat aufgelegt. Okay.

Inzwischen will der Rezeptionist unsere Pässe haben. Wir sagen, dass sie in unseren Koffern sind und wir sie aus dem Zimmer holen müssen. Das dauere zwei Minuten. Der Rezeptionist wird nervös, willigt aber ein.

Auf dem Zimmer: Kein Luxus, aber wenigstens auch keine Kakerlaken. Wir öffnen die Koffer, um die Pässe heraus zu holen. Der Hotel-Boy klopft an die Tür – was jetzt mit den Pässen sei? Ja, gleich.

Unten geben wir unsere Pässe ab. Der Rezeptionist zeigt meinen Pass dem Rikschafahrer, sagt meinen Namen und lacht dreckig. Dann starrt er die Pässe noch weitere zehn Minuten an.

Indes: Ring-Ring.
Ich: „Hallo?“
Stimme: „Hier das Galaxy Hotel. Wann kommen Sie endlich?“
Ich: „Wir sind längst da. Ihr Rezeptionist betrachtet gerade unsere Pässe.“
Stimme: „Nein, sind Sie nicht“
Ich: „Wir sind im Galaxy Avenue.“
Stimme: „Nicht das Galaxy Palace?“
Ich: „Nein.“
Stimme: „Ah“
Klick.

Plötzlich kriege ich einen Gusto auf Schnitzel. Und auch: Lust auf einen weißen Spritzer, einen grantigen Ober, auf Schwarzbrot-Toast mit Kürbiskernen im MQ, auf laue Sommerabende auf dem Balkon eines Hauses am Stadtrand Wiens. Auch bekannt als: Kulturschock. Heimweh.

Auf der Suche nach etwas Essbarem gehen wir somit die Straße entlang, während Autos hupend an uns vorbei rauschen, die Luft noch immer schwül ist, es so seltsam riecht, wie nur Bombay riechen kann. Und dann sehen wir es: Das Mc Donald’s.

Kurzes Zögern, dann doch rein gehen. Auf’s WC, wo mich ein Mitarbeiter fragt, aus welchem Land ich komme. „Thailand“, sage ich, und bestelle einen Burger. Mit Huhn, Rind gibt es nicht. Wolfie nimmt Chicken Mc Nuggets, und wir essen. Es ist klimatisiert, die Werbung ist westlich. Kein Andrang, keine Hektik, bloß ein paar Mittelklasse-Familien und der Mitarbeiter, der mich für einen Thailänder hält.

Als wir das Etablissement verlassen, sehe ich eine Mutter mit Baby, welches begeistert eine lebensgroße Statue des McDonald’s-Clowns anfasst. Und dann hat es Klick gemacht in meinem Kopf.

Dann habe ich gemerkt, dass Indien stärker ist. Dass sich der alte Stefan wohl aufgeregt hätte über den „Neo-Imperialismus“, und über die manipulativen Marketing-Methoden, mit denen selbst Kleinkinder schon zu potentiellen Kunden erzogen werden. Nach dem Klick meinem Kopf dachte ich hingegen einfach nur: Scheiß drauf. Indien, dieses Land mit seinen Menschen, seinem Klima, seinem Chaos wird wohl niemals zu Füßen eines US-amerikanischen Konzerns kriechen, nur weil dieser ein paar Clowns aufstellt. Indien ist einfach größer, stärker, ist unbezwingbar in seiner chaotischen Art.

Das fühlt sich dann wieder gut an. Wir gehen noch zum Alkohol-Shop und kaufen uns Dosenbier, dazu eine Packung Beedies. Das konsumieren wir vor unserem Hotel, während uns ein Straßenköter anstarrt. Irgendwie ein beruhigendes Gefühl, dass Chaos die lokale Wirtschaft erhält.

Und übrigens: Der Burger hat beschissen geschmeckt.

Dieser Beitrag ist Teil des E-Books „Indien 2.0 – Twittern im Tuk-Tuk“, das aktuell bei Amazon erhältlich ist.

 

„Staycation“ ist auch mal nötig

Früher nannte man so etwas „Balkonien“. Aber nachdem urbane Kosmopoliten erstens sehr anglophil sind und zweitens meistens gar keinen Balkon besitzen, setzt sich aktuell ein neues Trend-Wort durch: „Staycation“ – also eine Fusion der beiden Wörter „Stay“ und „Vacation“. Ein Urlaub, bei dem man zuhause bleibt quasi. Oder zumindest in der näheren Umgebung, also im deutschsprachigen Raum. Und für mich war das in diesem Sommer die beste Option.

Erstens – offen gesagt – aus Kostengründen. Wer ein halbes Jahr in Indien war, dann noch jeden Monat einen Wochenendtrip innerhalb Europas durchzieht, anderthalb Wochen in Israel rumhängt und schließlich noch einen Umzug in eine neue Wohnung inklusive Renovierung und Kauf einer neuen Küche finanziert, der muss irgendwann aufs Geld schauen. Und siehe da: Meine Woche Urlaub hat mich in Summe vielleicht einen niedrigen dreistelligen Betrag gekostet – und das, obwohl ich durch vier Länder gefahren bin.

Viel wichtiger ist aber etwas anderes – nämlich die Tatsache, dass ich nach meiner Zeit in Indien zwar weiter viel reiste, aber immer wieder feststellen musste: Nichts auf der Welt kann mit dem Staub Matherans, den Kakerlaken Chennais oder einer Öko-Farm irgendwo bei Coimbatore mithalten. Und: Demzufolge ist es in Indien zwar am schönsten; am zweitschönsten aber ist es zuhause, vor allem in Wien – oder warum sonst sollten so viele Touristen jedes Jahr meine Stadt belagern? Eben.

Dennoch bin ich am ersten Tag meines Urlaubs ins Ausland gefahren, wenn auch nicht allzu weit weg: Meine jüngste Nichte wurde in der Schweiz getauft, und das will man sich als stolzer Onkel nicht entgehen lassen. Am zweiten Tag bin ich dann gleich mit meinen Eltern via Auto von der Schweiz über Lichtenstein nach Deutschland gefahren – drei Länder an einem Tag also – und habe ein paar entspannende Tage an einem bayrischen See verbracht.

Wenn an einem Mittwoch Feiertag ist, gibt es am Dienstag davor logischerweise in einer Stadt wie Wien immer jemand, der eine Party feiert; in diesem Fall eine 50er-Party, für die ich mich vom Großteil meiner Gesichtsbehaarung zugunsten gewaltiger Koteletten trennte. Und, nein: Fotos werden auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht ins Web gestellt. Keine Chance.

Am Mittwoch folgte dann das Ausnüchtern; und am Donnerstag wurden mal ein paar Punkte auf der To-Do-Liste abgearbeitet: UPC-Internet einrichten lassen, längst überfälliges Pickerl bei der Vespa machen lassen, im Saturn eine neue Küche kaufen. So. Und wer das alles erledigt hat, darf sich freilich auch wieder eine Entspannung gönnen.

Somit habe ich mich am Freitag in das Auto des werten Braunbären gesetzt und bin mit ihm nach Retz gefahren, wo wir mit dem Rest des Debattierclubs das Wochenende verbracht haben: Grillen, im Freibad sich unters Ozonloch legen, viel Wein trinken – und obendrein hat der Peqer seiner Freundin auch noch einen Ring unter die Nase gehalten. Und sie hat ja gesagt.

Abschließend habe ich mir mit meiner Liebsten am Sonntag Abend noch die Inline-Skates umgeschnallt und bin mit ihr bei Sonnenuntergang an der Donau entlang gesportelt. Sonnig war es, und warm, und alle Menschen waren gut gelaunt; obendrein hatte ich in den vergangenen Tagen auch wirklich etwas auf die Reihe gebracht und konnte mir selbst auf die Schulter klopfen – ein richtig gutes Gefühl. Stellt sich nur die Frage: Warum fährt man überhaupt noch weg?

Auf Reisen

Schalom.

Der geneigte Leser wird sich wohl fragen, weshalb sich derzeit so wenig auf diesem Kommunikationskanal tut. Nun ja, der Grund ist der folgende: Ich bin auf Urlaub – diese Zeilen schreibe ich auf meinem iPod, während ich zwischen zwei anderen schwitzenden Herren in einem israelischen Sherut sitze. Davor war ich ein Wochenende in Amsterdam – und zwar gab es zwischen beiden Reisen einen kurzen Aufenthalt in Österreich, in diesem musste ich allerdings meinem Daytime-Job nachkommen und meinen Umzug planen, so dass für die Bloggerei wenig Zeit blieb.

Was ich damit sagen möchte: Ich bitte herzlichst um Ihre Geduld und Ihr Verständnis, dass auf stefanmey.com in letzter Zeit Funkstille herrschte. Denn die gute Nachricht ist: Mitte kommender Woche bin ich wieder zurück – mit Geschichten aus aller Welt und jede Menge Motivation, diese mit der Menschheit zu teilen.

Man darf gespannt sein.