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Probelesen: „Pferde sind doof“

Der kleine Zug, der sich durch Tunnel und Biegungen, an steilen Klippen entlang von Neral – einem Ort in Maharashtra, zwischen Mumbai und Pune – zur Hill Station „Matheran“ hinauf bewegt, fährt so langsam, dass teilweise die Händler nebenher laufen können; Trittbrettfahrer springen auf und hängen während des letzten Wegstücks auf der Außenseite der Waggons. Als wir den Bahnhof erreichen und uns ein Schild freundlich mit den Worten „Welcome to Matheran“ begrüßt, steige ich mit meinem Gepäck aus dem Zug – und an meiner Stelle klettert eine Ziege in das kleine Abteil, macht es sich dort bequem.

Exkurs (1): Warum das Wochenende in Matheran verbringen? Nun, der Grund ist eine Mischung aus Neugierde und Nostalgie. Wie ich bereits an früherer Stelle erwähnte, habe ich als Kind in Bombay gelebt  – viel Zeit habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten nicht mit dem Stöbern in alten Erinnerungen verbracht; doch gerade Matheran will ich mir nicht entgehen lassen. Denn schließlich haben unsere Schulausflüge genau in dieses kleine Eck Indiens geführt – während in Deutschland und Österreich die Kinder auf Sportwache oder Skikurs fuhren, verbrachte ich als 10jähriger meine Zeit mit Wanderungen über ein Hochplateau, Reiten auf Pferden und dem Füttern wilder Affen. Ziel meines Ausflugs ist, diese alten Erinnerungen hochleben zu lassen. Ende des ersten Exkurses.

Schon auf der Hinfahrt merke ich, dass irgendetwas anders ist. Als ich mein Ticket für den Miniatur-Zug kaufe, stehe ich Schlange hinter einem Haufen verwöhnter College-Kids aus Bombay – allesamt schwerst pubertierend -, die mit ihren Smartphones spielen. Ich passe mich an und mache einen Foursquare-Checkin. Im Zug selbst schließlich sitzen mir zwei Pärchen gegenüber, die den Stereotypen US-amerikanischer Highschool-Filme entsprechen: Die jungen Herren Beide muskelbepackt, mit offenem Hemd; das eine Mädel ist das Urbild der Chearleaderin – hübsch, aber mit offensichtlicher Dummheit in den Augen -, die andere ist ein Mauerblümchen, das ebenfalls mit fahren darf.

Nach zwei Stunden Fahrt: Besagte Ankunft in Matheran. Mit Ziege. Ich frage mich durch das kleine Dorf und finde schließlich mit Hilfe der freundlichen Einheimischen mein Ziel, das Cecil Hotel, irgendwo in der Wildnis, umgeben von Dschungel, rotem Sand und Straßenhunden.

Nach einem raschen Mittagessen mache ich mich auf, um die Stadt zu erkunden. Meine Erkenntnis: Nichts ist gleich. Die Herberge, in der ich als Kind residiert hatte, finde ich nicht mehr; und auch keinen anderen der früher so markanten Punkte. Dafür entdecke ich etwas anderes: Geschäfte. Sehr viele Geschäfte. Und sie verkaufen zweierlei: Souvenirs – und Schuhe.

Nun möge man denken, dass Schuhe ja auf einer Hill Station stark benötigt werden. Schließlich gibt es hier nicht allzu viel zu tun, außer im eigenen Hotel gemütlich einen Tee zu trinken oder wandernd die nähere Umgebung zu erkunden; und für einen gesunden Fußmarsch benötigt der Wanderer nun mal festes Schuhwerk. Ein genauerer Blick offenbart allerdings: Denkste. Denn statt sportlicher Ausrüstung finden sich in den Läden billige Flip-Flops aus China, als Wanderwerk denkbar ungeeignet. Wie bewegt man sich also hier fort, wenn nicht wandernd per Schuhwerk?

Diese Frage wird beantwortet durch auffallend viele Pferde. Die hohe Anzahl dieser Reittiere in Matheran wird nicht etwa damit erklärt, dass männliche Exemplare dieser Gattung echte Hengste sind, sondern ist eine simple ökonomische Schlussfolgerung aus dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage: Die Teenager selbst sind nämlich zu verwöhnt und faul, um sich per pedes fort zu bewegen; stattdessen reiten sie lieber.

Das war mir anfangs noch egal – doch irgendwann drückt es auf meine Stimmung. Gerade als ich mal wieder tief durchatme, um in meinen Lungen die verpestete Luft Bombays gegen die saubere, wenn auch staubige Landluft auszuwechseln, höre ich hinter mir wieder ein hysterischen Kreischen – ein weibliches Exemplar der Gattung Homo Pubertando hat das Gefühl, den eigenen Gaul nicht unter Kontrolle zu haben; durch den entsprechenden Brunftschrei versucht sie, die Aufmerksamkeit der Männchen zu erregen. Das Paarungsritual erstreckt sich über das gesamte Hochplateau.

Ich bin genervt. Meine Entspannung ist dahin.

Wenn in Indien der Status der Frustration erst mal eingetreten ist, wird es meist bald noch ein bisschen schlimmer. Als ich also den Weg entlang trotte, den trabenden Pferden ausweichend, suhle ich mich in meiner Unzufriedenheit: „Matheran – das Mallorca Mumbais“, grummle ich vor mich hin: „Nur halt mit Pferden statt mit Alkohol.“ Wenn man den Teufel ruft: Eine Horde männlicher Exemplare kommt aus dem Gebüsch, und spielt das Ausländer-Spiel: Wo kommst Du her, wie heißt Du, ich muss auf ein Foto mit Dir. Weil Du weiß bist. Keine Widerrede. Ob ich einen Whisky trinken möchte, fragt einer am helllichten Tag. Ich lehne ab und suche das Weite.

Exkurs 2: Die Werbeindustrie arbeitet mit dem dualen Prinzip von Freunde und Schmerz. Ein Konzept, das sich im Großteil aller Werbeclips wiederfindet: Zuerst wird eine Situation des Schmerzes erzeugt- mein Gott! Dreckige Wäsche! -; um anschließend umso brillanter gelöst zu werden (Hurra! Alles sauber!“).Das klingt bescheuert, funktioniert aber tatsächlich. Indien ist in dieser Hinsicht ein gewaltiger Werbeclip: Zuerst wird das Individuum mit allen Mitteln der Kunst frustriert, bis er sich schließlich über jede Kleinigkeit umso mehr freuen kann. Ende von Exkurs 2.

Meine Erlösung will nicht kommen. Ganz im Gegenteil: Die Sonne verschwindet hinter den Hügeln, taucht den Himmel in ein blutiges Rot – und nur zehn Minuten später ist es stockfinster; ich für meinen Teil stehe mittendrin in der Dunkelheit: Auf meiner Flucht vor Pferden und Fotografen habe ich einen der Seitenwege eingeschlagen, und nun zahle ich den Preis dafür. Ich bin verloren, irre durch das schwarze Dschungelmeer; anfangs finde ich noch ein paar Einheimische auf den schmalen Wegen, die mich auf der Suche nach meiner rettenden Bleibe aber stets in die falsche Richtung schicken – Halb-Wissen kann fatale Auswirkungen haben.

Irgendwann sind selbst die Einheimischen fort; es ist kein Mensch mehr im Dschungel, mit Ausnahme eines kleinen Deutschen, der erkennt, dass er verloren ist – statt der Menschen finden sich aber andere Lebewesen im Wald: Aus den dunklen Büschen höre ich Geraschel; es sind Geräusche, die kein Gesicht haben. Ein paar Straßenhunde – jene Viecher, die sonst nur faul auf der Straße liegen – sind erwacht; jetzt jaulen und bellen sie, und sie sind ganz nah. In diesem Augenblick ist es so weit: Ich verfluche die moderne Technik. Verfluche die Smartphones und Google Maps, und Foursquare und GPS. Verfluche, dass sie mein Leben in den vergangenen Jahren so einfach gemacht haben, dass ich abhängig von ihnen wurde – so dass ich nicht mal die grundlegenden Orientierungskenntnisse mehr besitze, um ein kleines Hotel im Urwald zu finden.

Ich überlege, ob ich auf eine weit simplere, aber stets effektive Form der Kommunikation zurückgreifen soll: Laut um Hilfe rufen.

Dann: Ein Licht. Ein Licht am Ende des … Weges. Ich spurte auf die Taschenlampe zu, spreche gehetzt: Ich habe mich verlaufen; man möge mir doch bitte sagen, wie ich zu meinem Hotel komme – bei den Besitzern der Taschenlampe handelt es sich um ein älteres Ehepaar. Sie sind sehr freundlich; und ihr Hotel ist gleich in der Nähe des meinigen, noch ein wenig weiter in der Wildnis.

Gerettet. Und glücklich. Der alte Werbe-Schmäh hat also mal wieder gewirkt, denke ich mir, als ich mit dem Hotel-Inhaber beim Abendessen sitze. Er ist ein alter Mann, um die 70 Jahre alt; sein weißer Schnurrbart drückt eine verschmitzte Ernsthaftigkeit aus, seine verbleibenden Haare hinter den stark ausgeprägten Geheimratsecken sind nach hinten gekämmt und vermitteln Seniorität. „Ja, die Pferde. Es sind tatsächlich mehr als vor 20 Jahren“, sagt er, und schaut mir tief in die Augen: Früher, da habe Matheran doch gute Rennpferde exportiert, heute sei das nur noch Mist. Und eine Lizenz zum Pferdevermieten bekomme heute Jeder, mit Bestechung der Polizei sei das kein Problem. Wir sitzen uns kurz schweigend gegenüber – ohne ein Wort zu sprechen sind wir uns einig, dass früher alles besser war.

Dann sprechen wir über andere Dinge. Etwa darüber, dass dieses Gasthaus mitten im Dschungel über 100 Jahre alt ist. Und das Restaurant des Anwesens, das sich in der Mitte zwischen den Wohnhäusern der Gäste befindet, war früher das Kino von Matheran – heute bröckelt der Putz von den Wänden, die Eingangstür ist flankiert von illuminierten hinduistischen Göttern; ich bin der einzige Gast, und es hallt gespenstisch, wenn ich kauend mein Mahl zu mir nehme.

Er fragt mich auch, was ich so beruflich mache. „Journalist“, sage ich: „Und außerdem schreibe ich Geschichten – über Indien, über diese Reise, und wie sich die indische Gesellschaft verändert. Wie chaotisch alles ist, und am Ende doch irgendwie einen Sinn macht.“ Wieder starrt er mich mit seinem durchdringenden Blick an, sein weißen Schnurrbart ruht über den dünnen Lippen: „Das Leben“, sagt der 70jährige: „ist ein Lernprozess – egal, wie alt man ist.“

Die Weisheit eines alten indischen Mannes, der auf einem Berg im Dschungel sitzt. Nicht wirklich spezifisch, sondern irgendwie allgemeingültig – und zu meiner Situation könnte es wohl nicht besser passen: Stimmt; ich habe hier nicht das gefunden, wonach ich gesucht habe, denke ich mir: Stattdessen habe ich auf meiner Reise durch dieses Land eine weitere Erfahrung gesammelt. Und diese ist Teil eines gewaltigen Lernprozesses.

 

Dieser Beitrag ist Teil des E-Books „Indien 2.0 – Twittern im Tuk-Tuk“, das aktuell bei Amazon erhältlich ist.

Hurra, wir sterben bald!

Print ist bald tot. Eine Branche geht den Bach runter. Das große Mediensterben. Wir sind alle bald arbeitslos… Wie oft habe ich diese Sätze im vergangenen Jahr nicht gehört? Wie oft musste ich mir nicht anhören, dass ich bald auf der Straße sitze? Dass es für mich keine Zukunft gibt? Und war dabei nicht auffällig, dass diese Aussagen gerade aus jenen Ecken kommen, wo entweder hoffnungslose Fadesse herrscht oder das Platzen der nächsten Irgendwas-Blase kurz bevor steht? Hey, hier ein kurzes Status-Update: Wir leben noch. Und, ehrlich gesagt: Ich möchte jegliches Gejammer rund um meine Branche nicht mehr hören; ich habe die Schnauze voll von Naseweisen, die sich einbilden, mich und meinen Beruf besser zu kennen als ich selbst. Menschen, die das Feuer der Angst zusätzlich anfachen.

Denn wohl kaum eine Branche ist so selbstreflektiert wie die meinige. Wenn etwas passiert, dass uns selbst betrifft, dann wird das nicht nur mit Interesse aufgefasst, sondern gleich mit reißerischer Headline publiziert und marktschreierisch verbreitet. Dadurch hat sich eine absurde Form der „Self Fulfilling Prophecy“ entwickelt – in den vergangenen Monaten war vermehrt in Medien über Medien zu lesen, weshalb sich mehr Medien Gedanken über sich selbst gemacht habe. Und nicht selten lautete die Folgerung: Ach du heilige Scheiße – wenn es die trifft, kann es mich dann auch treffen? Verstärkt wird dies durch externe Aussagen von selbst ernannten Experten, die uns das Ende der Zeitung prophezeien. Woher sie das wissen? Na, eh klar: Aus der Zeitung.

Diese Situation hat viele Menschen in der Informations-Branche in die Bewegungsunfähigkeit getrieben. Wir sitzen da wie das Kaninchen vor der Schlange, gelähmt vor Panik – unfähig, neue und innovative Ansätze auszuprobieren aus Angst, einen Fehler zu machen. Dadurch ist Arbeit nach Schema F noch möglich; zugleich stehen wir aber vor dem Problem, dass Sich-Nicht-Bewegen Stillstand bedeutet. Und Stillstand, das wusste schon Herbert Grönemeyer, ist bekanntlich der Tod.

Mag sein, dass es unserer Branche wirklich nicht mehr so gut geht wie früher. Dass es eine gewisse Bereinigung am Markt gibt. Aber das heißt nicht, dass wir nun in Depressionen versinken müssen. Unter Hedonisten- und zu dieser Gattung Mensch zähle ich mich durchaus – herrscht nämlich das Credo, man solle jeden Tag so leben, als sei er der letzte. Und das macht Sinn, denn nur so kommt man dazu, das Leben zu genießen und jene Dinge zu machen, die man am liebsten macht.

Und so – oder so ähnlich – sollten wir auch arbeiten. Im kommenden Jahr möchte ich als Journalist so agieren als sei es mein letztes Jahr in der Branche. Möchte die Dinge tun, die ich schon immer tun wollte – und so tun, als sie dies meine letzte Chance dazu. Die Live-Berichte müssen dann noch flotter, multimedialer und sozialer werden. Die Reportagen müssen abgefahren sein und neuartige Dinge beleuchten. Blogs und Kommentare müssen bissiger, aggressiver und mutiger sein. Und was dann ganz nebenbei entsteht ist das, was den Journalismus retten kann: Gute Inhalte statt langweiligen Einheitsbreis – sowie in Folge eine treue Leserschaft, die weiß: Hey, der Typ macht seinen Job, weil er ihn verdammt nochmal liebt. Und das spürt man.

Denn, ja: Ich bin von Herzen gerne Journalist. Einen besseren Job kann ich mir nicht vorstellen. Und auch wenn ich 2013 so tun möge als sei jede Reportage meine Henkermahlzeit – in Wahrheit hoffe ich, dass ich diesen Beruf noch lange ausüben kann. Allen apokalyptischen Prophezeiungen zum Trotz.

Weihnachts-Shopping: Offline doch besser als online?

Der technophile Teil meines Ichs hat ja längst verstanden, dass man Weihnachtsgeschenke am Besten in virtuellen Kaufhallen besorgt. Denn wer online konsumiert, der kann dies gemütlich von zuhause aus tun, muss nicht hinaus in die Kälte, in die Massen, in die echte Welt mit all ihren zahlreichen Nachteilen. Doch leider steht diese rational begründete Zukunfts-Euphorie meinem Laster der Prokrastination gegenüber, was de facto bedeutet: In Wahrheit bin ich jede Jahr zu spät dran, als dass die Geschenke rechtzeitig zum Aufbruch in die allweihnachtliche Fernreise auf meinem Postamt landen. Denn: Wer online bestellt, gibt Macht ab – und zwar nicht an irgendwen, sondern ausgerechnet an Lieferdienste und die Post, die wohl unzuverlässigsten Outsourcing-Partner des uns bekannten Universums.

Also, auch heuer wieder die leidige Last-Minute-Entscheidung: Es muss die Mahü sein.

Diese geographische Region, mitten in Bobostan gelegen, gilt für den Konsumkritiker als die Hölle auf Erden: Hier sagen sich Systemgastronomie, Kleidungsgeschäfte mit den Früchten ertragreicher Kinderarbeit und dubiose Spenden-Keiler täglich Guten Tag und Gute Nacht – wer Moral hat, der meidet die Mariahilfer Straße, erst recht zur Weihnachtszeit. Wer allerdings muss, der muss – und heuer hatte ich einen Plan, um mir die lästige Pflicht des gesellschaftlich und religiös vorgeschriebenen Geschenke-Konsums so angenehm wie möglich zu machen: Auf die eigenen, von Natur gegebenen Ur-Wurzeln besinnen.

Ja. Ich bin ein Männchen. Auf der Jagd. In einer lebensfeindlichen Umgebung.

Und nicht nur, dass dieser Raum lebensfeindlich ist; er ist auch vollkommen transformiert. Mein erster Blick, als ich von der Zieglergasse aus das Schlachtfeld betrete, fällt auf den Thalia: Ein Geschäft, das in erster Linie Papier-Bücher verkauft. Diese Gegenstände, die im 21. Jahrhundert vermehrt an Bedeutung verlieren, finden absurderweise im Dezember einen reißenden Absatz – selbst liest heute kaum noch jemand ein gedrucktes Buch, aber den Nächsten kann man damit ja vielleicht zufrieden stellen. Die Menschen stehen Schlange, um hinein zu kommen.

Ebenso verhält es sich mit dem Riesen-Spielzeugimperium „Müller“, vor dessen Eingang sich die Menschenmassen tummeln. Die „Spielerei“ hingegen, früher als kleines, aber feines Geschäft eine garantierte Anlaufstelle für intellektuell hochwertige Freizeitbeschäftigung im Kreis der Liebsten bekannt, musste inzwischen einem Laden für Computer-Games weichen. Dies ist der Geist der Zeit.

Mein Weg treibt mich weiter in die großen Kaufhäuser. Die hier anzutreffenden Menschenmassen pflegten mich früher abzustoßen – nun weckt das anlassbezogene Getummel aber fast ein wenig Erinnerungen an den Alltag im fernen Indien. Ich sehe Kosmetik, Kleidung, und viele, viele andere blinkende, lustige Dinge; doch ich bin mir meiner Mission bewusst: Ein bestimmtes Wild muss ich erledigen, es dann nach hause in meine Höhle schaffen, von mystischen Naturwundern wie exotischen Düften darf ich mich nicht ablenken lassen.

An der Wasserstelle angekommen, erblicke ich die farbenfrohe Vielfalt des zu erlegenden Wilds und bin vorerst entzückt – erkenne aber auch, dass  andere Raubtiere hier ebenso aktiv sind… man fährt über einander hinweg, weicht geschickt den Rempel-Angriffen aus, beobachtet die Strategien des anderen und kopiert die Verhaltensweise, um im Sozial-Darwinismus in höhere Höhen hinauf klettern zu können. „Wir könnten XY besorgen“, sagt etwa ein Weibchen neben mir. „“XY?!?“, denke ich erstaunt: Diese Idee war mir noch gar nicht gekommen – doch ich verwerfe den Gedanken gleich wieder: XY ist für meine Zwecke nicht geeignet – ich brauche YX, das habe ich mir fest in den Kopf gesetzt. Bleib beim Plan, Stefan, bleib beim Plan. Nur so kannst Du diese Hölle überleben. Eine dickliche Verkäuferin brüllt mit hochrotem Gesicht durch die Massen: „WER HAT MICH NACH XY GEFRAGT?“… keine Antwort: „ICH  HABE XY GEFUNDEN…. WER VON IHNEN HAT MICH GEFRAGT???“

Bleib fokussiert, Stefan. Du willst XY nicht.

Leider findet sich aber das YX, welches ich für unseren Stammesältesten (a.k.a. mein Vater) besorgen wollte, nicht unter den Beutetieren. Ich muss also ein YZ erlegen, nehme für seine Squaw gleich ein XZ mit und für mein eigenes Weibchen ein ZZ – gerade rechtzeitig, bevor eine andere Sexualgemeinschaft zuschlagen kann. Das Weibchen murmelt etwas, worauf das Männchen mit panischem Gesichtsausdruck erwidert, dass der Thalia zu dieser Zeit sicher kein angenehmer Aufenthaltsort sei.

Ich für meinen Teil habe aber meine Beute erlegt und bin glückselig. Nun muss ich nur noch durch das Nadelöhr namens „Kassa“; schon nach einer halben Stunde darf auch ich meinen Beitrag zur Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts leisten.

Rasch fülle ich die Beute in einen Beutel und stürme aus dem Turm des Terrors, um das erlegte Wild heim in meine Höhle zu bringen, wo das Weibchen schon auf mich wartet. In freier Wildbahn spricht mich ein anderes Männchen an; ich schüttele hastig den Kopf und eile davon. „Was wollte er von mir?“, denke ich, während mich meine Füße weiter tragen. Er hatte irgendetwas von „Kerze“, „Kirche“ und „Jesus“ geredet… geht es darum etwa, wenn wir von Weihnachten reden? Nicht, oder? Es geht um Geschenke, die Befriedigung unserer Bedürfnisse und die Steigerung des Umsatzes der großen Handelsketten. Online ebenso wie offline. Alles andere hat im 21. Jahrhundert längst an Bedeutung verloren.

In diesem Sinne wünsche ich den Leserinnen und Lesern schon jetzt ein glückliches Weihnachtsfest. Im Idealfall mit ein paar ruhigen, besinnlichen Stunden. Man sagte mir, an einem Ort namens „Kirche“ könne man so etwas finden. Doch dies ist nur eine Legende, aus längst vergangenen Tagen.

Dies und das, Neues im Web

Zugegeben, die letzten Wochen und Monate war es immer mal wieder etwas stiller auf diesem Kanal. Warum? Was ist passiert? So einiges, kann man sagen. Da waren so manche familiäre Events, denen ich beigewohnt habe: Taufe der Nichte, Hochzeit der Schwester, Geburtstag des Schwieger-Opas und so weiter… allesamt schöne Erlebnisse, die aber natürlich das Gedeihen eines Blogs behindern; und als Erlebnisberichte haben solche persönlichen Geschichten (anderer Menschen) hier definitiv nichts verloren.

Dann wäre da noch die Sache mit der Schriftstellerei. Mein Buch „Indien 2.0 – Twittern im Tuk-Tuk“ befindet sich aktuell im Selbst-Lektorat und wartet zudem auf die letzten Texte; dann sollte es bald online gehen – und da Bücher nun mal langlebiger sind als Blogs, hat das Projekt entsprechende Priorität gegenüber stefanmey.com.

Und dann wäre da freilich noch mein Daytime-Job; also die Arbeit, die ich für meinen aktuellen Brötchengeber erledige: Mit WirtschaftsBlatt.at haben wir einen Relaunch im August hingelegt, und das Ergebnis kann sich sehen lassen – parallel dazu war ich immer mal wieder unterwegs; unter anderem auf der IFA in Berlin. Und weil ich auf meine Arbeit im WiBl recht stolz bin, stelle ich hier Quick-Links zu den von mir am meisten betreuten Bereichen rein:

Man sieht: Ich ruhe nicht, ganz im Gegenteil. Und das ist gut so. Für die entstandenen Kommunikationspausen auf diesem Blog bitte ich um Verständnis.

Hier kommt der Herbst

Die Tage werden kürzer und außerdem dunkler. Es wird kälter, und wir müssen und wieder mehr anziehen. Vorbei ist die Zeit der Bikinis, der kurzen Röcke, der Shorts und der Sonnenbrillen. Vorbei die Zeit des Sportelns im Freien und des gemütlichen Abhängens an Badeseen oder dem Donaukanal. Vorbei die Zeit, in der man in eine neue Wohnung umziehen kann, ohne dass die Hälfte des Hab und Guts von Regen, Eis, Schnee oder Hagel zerstört wird. Vorbei die Zeit, in der man mal einfach so sich im MQ auf ein Enzi lümmelt, um gleich darauf mit einem anderem Menschen ins Gespräch zu kommen – egal ob Fremde oder Bekannte.

Aber auch vorbei: Die Zeit des ständig rastlosen Suchens nach einem neuen Abenteuer. Der permanente Zwang, die Wohnung zu verlassen, um Sonne aufzusaugen. Das Sommerloch, in dem sich so wenig getan hat, kaum spannende Konferenzen waren und sich ständig ausgerechnet jene Leute im Ausland aufhalten, die man eigentlich gerade braucht. Vorbei die Zeit, in der sich Autos, Vespafahrer und Radfahrer um das Vorrecht im Straßenverkehr balgten – denn den beiden letztgenannten ist es ab nun zu kalt, sie überlassen das Schlachtfeld daher freiwillig den CO2-Schleudern.

Ohne Frage hatte Rilke Recht: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“. Doch für alle anderen gilt: Einmotten in die eigenen Wände. Sofa, Tee und Kuscheldecke genießen. Endlich mal die Serien und Filme schauen, für die im Sommer keine Zeit war. Oder ein Buch lesen. Oder – ja, ganz Recht – endlich wieder diesen Blog füllen, der über die vergangenen Wochen viel zu lange ruhen musste.

Prometheus: Chickflick-Sciencefiction mit Eklig

Gestern war ich wieder mal im Kino. Handlung des Films: Ein glückliches Forscherpärchen arbeitet gemeinsam an einem Traum. Die Karriere der Beiden floriert, nur eines überschattet den Erfolg – sie ist unfruchtbar und kann keine Kinder kriegen. Die Dinge werde noch viel dramatischer, als die Karriere der Beiden ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht und er ausgerechnet in diesem Moment unheilbar tödlich erkrankt. Kurz nachdem er vor den Augen ihrer Freunde und Kollegen mit einem dramatisch gehauchten „Ich liebe dich“ stirbt erkennt sie, dass sie doch schwanger ist – um gleich danach den nächsten emotionalen Rückschlag zu erleiden, denn das Kind in ihrem Leib ist schwer behindert und es droht eine Fehlgeburt. Obwohl sie den Arzt inständig darum bittet, weigert er sich, eine Abtreibung vorzunehmen, weshalb sie dies selbst in die Hände nehmen muss.

Die Handlung überschlägt sich, als ein reicher alter Mann in die Geschichte tritt, der sich vor dem Tod fürchtet. Er pilgert gemeinsam mit der Forscherin an einen heiligen Ort, um dort Gott um Hilfe zu bitten. Doch sie werden enttäuscht. Und die Forscherin muss feststellen, dass sie alleine für ihr Schicksal verantwortlich ist – ein Happy End, in dem der Feminismus siegt.

Dies, und nichts anderes, ist die Handlung des Films „Prometheus“. Im Weltraum, mit Ekel-Effekten von Mastermind H.R. Giger. Mein Urteil: Fünf von fünf möglichen Sternen.