Zu Weihnachten ist meine Familie zu Besuch – Schwester, ihr Verlobter, Mutter und Vater – und wir sind allesamt katholisch in einem Hindu-Land. Was bietet sich also mehr an als ein Ausflug zum Mahalakshmi-Tempel, dem größten Tempel Mumbais?
Gewidmet ist er – so lehrt es zumindest die Heilige Schrift des Lonely Planet – der Wohlstandsgöttin Lakshmi. Wer allerdings etwas tiefer gräbt, stellt bald fest: Da sitzen noch zwei andere Göttinnen auf dem Podest, nämlich die permanent wütende Kali und die Göttin der Weisheit, Saraswati. Aber so weit muss man erst mal kommen.
Denn wer von der Hauptverkehrsstraße aus das Tempelgelände betritt, der muss sich auf dem Weg zum zentralen Heiligtum zuerst einen Weg bahnen: Durch Menschenmassen, an Shops vorbei, die Räucherwaren ebenso verkaufen wie Süßigkeiten, Souvenirs und Schuhe. Ein Shop verkauft auch kleine schwarze Figuren einer mythischen Figur. Ich frage den Händler, um welche Inkarnation es handle und bekomme die Antwort: „20 Rupies“. Ob das wohl ein Verwandter Lakshmis ist?
Dann kommt irgendwann der Punkt, an dem auch Katholiken dem hinduistischen Tempelbrauch nicht mehr entkommen: Schuhe ausziehen. Securities achten mit wachsamen Augen darauf, dass Jeder den Tempelbereich mit bloßen Füssen betritt – die Schuhe können nach dem Besuch verlässlich beim Wachmann wieder abgeholt werden. Außerdem werden beim Besuch des Tempels Damen und Herren akribisch getrennt, um den weiblichen Gläubigen den Zugang zum Tempel zu erleichtern – was aber wurscht ist, denn geschubst, gedrängelt und gedrückt wird sowieso.
Wer sich dann barfuß in einer Warteschlange wiederfindet, die mit ihren Wirrungen und Biegungen mehr an einen Vergnügungspark erinnert als an ein Heiligtum, irgendwo zwischen schwitzenden Hindus, die von hinten drängeln und vorne nicht weiter gehen wollen, der kann beobachten, wie das 21. Jahrhundert auch in der Religion Einzug gefunden hat: Im Wartebereich sind LCD-Screens angebracht, die die Stauen der drei Göttinnen zeigen – besonders Gläubige bewegen bereits hier stumm ihre Lippen, erwartend den Fernseher anbetend.
Das Heiligtum selbst ist dann vergleichsweise fad: Gläubige schwenken ihre Opfergaben und legen sie vor den Statuen ab, wo sie eifrig von den Pandits entfernt werden um Platz für weitere Kokosnüsse und Blumen zu machen. Hinter Lakshmis Rücken können dann noch Saris erstanden werden; und auf dem Rückweg kauft sich meine Schwester einen Ring um ein paar Rupies.
Am Abend wird die Familie dann hinduistisch beschenkt: Eine Messingstatue von Saraswati, der Göttin der Weisheit, für meine Mutter, Lakshmi, die Göttin des Geldes, für meinen hart arbeitenden Vater und ein elefantenköpfiger Ganesh, Entferner aller Schwierigkeiten, für meine Schwester. Ob ich an die Macht dieser Götter glaube? So halb. Klar sind wir als echte Katholiken skeptisch – aber immerhin zeigt die Praxis, dass die Händler im unmittelbaren Umfeld der Geld-Göttin gutes Geld verdienen.