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Fernsehen

Ein Moment: Ganesh löst alles

Vor dem abendlichen Ausgehen spaziere ich noch zum Barbier, um meinen Bart stutzen zu lassen – der Mann von heute rasiert sich ja nicht selbst. In der kleinen Barbierstube nehme ich Platz; Kakerlaken betrachten ihr Abbild im Spiegel, während der Barbier seine Aufmerksamkeit meinem Bart widmet und ich das Geschehen im Fernsehen betrachte.

Dort läuft ein Film; ich verstehe die Sprache nicht – aber die Bilder sprechen Bände. Offensichtlich sind da drei Hexen – denn es handelt sich um drei in schwarz gekleidete Frauen mit Buckeln, die in schrillen Stimmen plappern – und eine Ziege. Das Tier attackiert die Hexen; offensichtlich handelt es sich dabei um einen Menschen, der von den bösen Schwarzmagierinnen verwandelt wurde. Während der gehörnte Schädel gegen schwarz-gekleidete Hintern rammt, fällt in einem parallelen Handlungsstrang eine junge Frau in Ohnmacht… Was nun? Zum Glück ist der Held gleich bei Stelle: Er hebt die Dame auf und trägt sie zu einem Ganesh-Schrein, legt sie dort sanft nieder. Dann rüttelt er an dem Schrein.

In der nächsten Szene sieht der Zuschauer Ganesh, den elefantenköpfigen Gott, in seinem Zuhause. Da der Held an seinem Schrein rüttelt, wird auch der Glücksgott ordentlich durch geschüttelt. Er torkelt; und ihm wird klar, dass seine Hilfe gebraucht wird. Also sagt der Elefantenkopf etwas, das ich nicht verstehe – und alle Probleme sind gelöst: Die Frau wacht auf, die Ziege wird wieder ein Mensch und die Hexen sterben. Es gibt Feuerwerke.

Ende gut, alles gut also. Und auch mein Bart ist gestutzt. Hochmotiviert starte ich in den Abend.

Indischer Mittelklasse-Alltag

Der Wolf ist zu Besuch. Gemeinsam nehmen wir eine Rikscha vom Hub zum Bahnhof in Khar, futtern noch etwas in meinem Lieblings-Straßenlokal. Dann spazieren wir los: Vorbei am Sikh-Tempel, wo die bärtigen Männer mit den Turbanen sitzen, vorbei am vermeintlichen Strip-Club, vorbei am Bambusstab-Tuch-Gestell, in dem die Männer Karambol spielen – „Das ist wirklich eine schräge Gegend“, sagt der Wolf; und ich entgegne: „Wir sind zuhause.“

Wir sitzen in meinem Wohnzimmer auf den gemütlichen Sofas und trinken Löskaffee. „Wie hast Du den Feiertag verbracht?“, fragt mich der Wolf.

Am Feiertag vergangene Woche hatte ich versucht, etwas zu unternehmen. Ich war in die Hanging Gardens im Süden der Stadt gefahren und dort ein wenig spaziert. Dann war ich am Chowpatty Beach gewesen und habe dort die Menschen beobachtet, wie sie Fahnen schwenken im Sonnenuntergang.

„Und dann bin ich zurück gefahren in meine Wohnung“, sage ich dem Wolf: „Dort habe ich mich auf das Sofa gelümmelt, den Fernseher eingeschaltet und mich den ganzen Tag durch die Kanäle geschaltet – es lief nur Schrott, aber ich habe mir dann einfach irgendeinen komischen Bollywood-Film angeschaut, um meine Freizeit tot zu schlagen.“ Der Wolf steht auf und umarmt mich: „Ich bin stolz auf Dich“, flüstert er: „Nun bist Du ein echter Mittelklasse-Inder geworden.“ Abendliches Fernsehen ist in Indien unabdingbare Mittelklasse-Alltagskultur.