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Wien | Vienna

Wiener Alltagsrassismus

Marija – eine serbische Freundin, die ich noch von meiner Zeit als Chefredakteur der Bunten Zeitung kenne – ist vor einiger Zeit aus ihrer Wiener Wohnung ausgezogen. Kurz darauf fand ein Bekannter im Stiegenhaus folgenden Zettel:

Das ist die Seite Wiens, die meine geschätzten Leser aus dem nördlichen Nachbarland weniger kennen: Der hierzulande stinknormale Alltagsrassismus. Ich möchte an dieser Stelle nicht darüber philosophieren, ob aus dem Osten oder dem Westen mehr Kriminelle kommen – sicher gibt es die ominösen „Ost-Banden“, von denen der werte Herr schreibt. Aber Vorab-Verdächtigungen sind einfach ungut; und trotz des zaghaften Versuchs einer politisch korrekten Wortwahl scheitert er an seiner Grundeinstellung, die leider die meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger (laut letzter Nationalratswahl rund ein Drittel der Gesellschaft) teilen.

Marijas Einfall war, einen Zettel daneben zu hängen: „Lieber Helmut, weniger trinken. Du hast dein Rad hinter der Kellertüre abgestellt. Lg, die Oststaaten-Mafia.“ Wäre wohl eine gute Idee – anders als mit hochprozentigen flüssigen Drogen lässt sich die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung wohl ohnehin nicht erklären. Die hübsche Marija ist jedenfalls keines Verbrechens schuldig – außer vielleicht, so manchem Mann das Herz gestohlen zu haben… oh, sorry: Ich geb zu, der Spruch war platt und dumm. Aber irgendwie musste ich diesen Blogeintrag ja zum Schluss bringen.

Für das neue Zuhause wünscht die Redaktion dieser Website (das bin ich) jedenfalls nur das Beste – und nettere Nachbarn.


Ein Blick in die Mey Multimedia Studios

Nun bin ich schon eine Wochen in meiner neuen Wohnung in Ottakring, die gleichzeitig mein Firmensitz ist – zumindest bis Ende Mai 2011, denn dann ziehe ich wieder weiter. Gerne möchte ich Euch diese Hallen vorstellen – und das ist gleichzeitig die optimale Gelegenheit, die iPhone-Apps „Hipstamatic“ und „Retro Camera Light“ zu verwenden. Beide setzen fort, was Anfang dieses Jahres mit dem Hype rund um die Lomo-Kamera begann: Ein Kult rund um schlechte Fotos. Enjoy.

Dieses Bild ist in meiner alten Wohnung im Flur gehangen – es ist eine Erinnerung an meine Tätigkeit beim UNHCR. Wenn ich schlecht gelaunt bin, schaue ich mir den springenden Burschen am rechten Bildrand an – der ist mein persönlicher Held.

Social Entrepreneurship ist bekanntermaßen ein wichtiges Thema für mich. Inspirierend finde ich derzeit das Werk „Social Business – von der Vision zur Tat“ von Nobelpreisträger Muhammad Yunus.

Auch wenn mein Kerngeschäft aus Texten besteht, widme ich mich nebenberuflich gerne der Musik. Mein kleines Tonstudio besteht aus einem Laptop, einer Audiokarte (Tascam US-122L) und diesem Keyboard – und einem Wasserglas, das zufällig auch im Bild steht.

Allerdings bin ich eigentlich gar nicht Pianist, sondern Gitarrist. Im Bild sind die akustische Gitarre, die mir meine Eltern zum Abschluss meines ersten Studiums geschenkt haben, sowie meine E-Gitarre „Sally“ – eine koreanische Rock-Röhre, die ich im Alter von 17 Jahren um 1000 Schilling kaufte. Auch im Bilder: Verstärker mit Werbung von „Amnesty International“ und ein Pod2 – dank dieses Effektgeräts muss ich selbst nicht wirklich spielen können.

Ich beginne keinen Tag ohne Kaffee. Und, ja: Filterkaffee ist noch immer mein klarer Favorit. Dieser Nespresso-Kram ist eine reine Marketing-Masche, die mehr nach Plastik als nach „Guten Morgen“ schmeckt.

Ernährung ist wichtig. Hier verstaue ich zahlreiche Gewürze, mit denen ich vor allem asiatische Speisen koche – auf Anfrage stelle ich übrigens gerne meine Mitschrift des Kochkurses zur Verfügung, den ich in Indien 2008 absolviert habe.

Kern meiner Wohnung ist das Sofa, auf dem ich brainstorme und Gäste empfange. Gleich daneben steht der Plattenspieler, der mir Inspiration durch alte Meister schenkt. Im Bild: Das Album „Making Movies“ von Dire Straits.

Keine Ablenkung gibt es hingegen durch den Fernseher: Das Gerät stammt noch von der Vormieterin, hat mehr Museums-Funktion als praktischen Nutzen. Wenn man ihn einschaltet, flimmert es; Teletext, Fernbedienung und Blu-Ray sind aus seiner Perspektive Science Fiction.

Das Schönste ist aber freilich, wenn Besuch vorbei kommt. Dann werden die Kreativ-Pantoffeln angezogen, und es wird gemeinsam die Rettung der Welt geplant. Dieses Bild entstand allerdings nicht mit Hipstamatic, sondern mit einem alten iPhone – was ja ebenfalls in einem gewissen Sinne retro ist.

Barcamp im neuen Gewand

Nein, haha… nicht das, was Sie jetzt denken: Am Konzept der Barcamps wird freilich nichts geändert; und das morgige wird sicher so toll wie alle anderen davor. Das neue Gewand hat nämlich nicht die Veranstaltung selbst, sondern ich: Ein blaues Hemd.

Erwähnenswert ist das aus zweierlei Gründen:

Erstens, weil blau meine Seelenfarbe ist. Konkret: Dunkelblau. Um das heraus zu finden bin ich NICHT zu irgend welchen indianischen Schamanen gefahren, sondern habe mich von der Farbe finden lassen. Fazit: Chicitita (meine Vespa), Boombaby (mein Laptop), Blogbaby (mein Netbook) und zahlreiche andere Gegenstände in meinem Leben, zu denen ich eine emotionale Bindung aufgebaut habe, sind blau. Das wollte ich hier einfach mal los werden.

Zweitens – und das ist die deutlich spannendere Geschichte – habe ich dieses Hemd gemeinsam mit Martin Habacher eingekauft. Die Geschichte dazu ist toll, aber ausnahmsweise werde ich sie hier nicht in Textform wiedergeben, sondern mit dem Video unter diesen Buchstaben. Oder Ihr fragt Martin oder mich einfach morgen am Barcamp – wir klären Euch gerne auf.

Eine Woche Ottakring

So schnell vergeht die Zeit: Vor gut einer Woche bin ich noch mitten im schwülen Kuala Lumpur gestanden und hab mir zwischen Kakerlaken sitzend die Haare schneiden lassen, und nun trage ich einen dicken Pulli. Seit einer Woche bin ich auch offiziell ein Ottakringer. Nicht Bier, sondern Bürger.

Wie fühlt es sich an, aus Bobostan am Naschmarkt ins Ghetto ziehen? Ehrlich gesagt: Sehr gut. Und damit meine ich nicht nur die Wohnung, die fast doppelt so groß und ca. 1000 mal heller als meine alte ist.

Es ist auch die Umgebung.

Denn das Schöne an Ottakring ist, dass hier schon seit Jahren mit Aktionen wie „Soho in Ottakring“ versucht wird, ein zweites Bobostan zu schaffen – die Gentrifizierung bleibt aber aus.

Und so kommt es dann auch, dass kleinbürgerliche Österreicher, Immigranten und Freizeitintellektuelle wie meine Wenigkeit Tür an Tür wohnen, das auch akzeptieren und die Vorteile sehen. So viele Proleten wie in Favoriten gibt es hier längst nicht, aber andererseits hat man im Gegensatz zur Innenstadt hier auch keine Probleme, sonntags ein Brot zu kaufen – und das, obwohl in Bobostan immer alle auf tolerant tun.

Und es gibt wirklich viele, nette, kleine Geschäfte auf der Thaliastraße, die DVDs mit Horrorfilmen, Schallplatten oder selbst bestickte Taschen verkaufen. Diese Läden sind cool, ohne sich der Tatsache bewusst zu sein – in Bobostan gibt es die gleichen Geschäfte, aber dort heißt das dann Kunst und kostet gleich drei mal so viel.

Fazit: Ich fühl mich wohl, und über mangelnde Besucher kann ich auch nicht klagen. Die MeyMultimediaStudios Ottakring kann ich somit für eröffnet erklären.

24 Stunden in Wien

Morgens, 4 Uhr, in Wien.

Ich bin putzmunter, kann nicht mehr einschlafen. Also meditiere ich noch ein wenig, schreibe die ersten 700 Wörter meines NaNoWriMo-Romans, bewundere den Sonnenaufgang über den Dächern Ottakrings und frühstücke ausgiebig, bevor ich mich in die Arbeit aufmache. Logisch eigentlich, dass ich nicht mehr schlafen kann; denn nach meiner inneren Uhr ist es bereits 11 Uhr morgens, Zeit für’s Frühstücksbuffet.

Am Vorabend ist der Bär nicht sonderlich lange gesteppt. Bereits um 21 Uhr (4 Uhr morgens in Bali) bin ich in die Federn gekippt. Gemeldet habe ich mich bei keinem meiner Freunde; nur Tina – die den Fehler gemacht hatte, mich anzurufen – hat sich meine gesamten Bali-Erfahrungen ausführlich anhören müssen. Die Arme.

Ansonsten wieder mit harter österreichischer Bürokratie konfrontiert worden: Nach zwei Stationen Fahrt mit der S-Bahn wurde ich kontrolliert; und weil meine aktuelle Jahreskarten-Marke nicht eingeklebt war (die lag nämlich im Postkasten meiner neuen Wohnung), musste ich am Folgetag ein Mail schicken. Verwaltungsnummer vergessen – also gleich ein zweites Mail hinterher. Post vom Finanzminister, der wieder Geld von mir haben wollte, war auch in meiner Snailmail-Inbox. Nur nichts von der SVA – ein sehr ungewöhnliches Verhalten für die kleinen Blutsauger.

Zeitsprung. Heute Vormittag im Büro: Die Anzahl der Emails in meiner ohnehin stets überfüllten Inbox lässt sich nicht mehr erfassen; immer, wenn ich ausreichend gelöscht habe, rücken neue nach. Normalerweise lese ich Mails, indem ich die Maus in der rechten Hand halte und den linken Zeigefinger auf der „Entf“-Taste habe – diesmal lass ich die rechte Hand gleich ganz weg.

Und dann: Döner. So rassistisch und engstirnig Österreich auch ansonsten ist, eines muss man ihnen lassen: Die Immigranten machen hier hervorragenden Kebap, deutlich besser als das komische Ding, das ich vor drei Wochen in Kuala Lumpur gegessen habe. Was wäre Österreich bloß ohne so wundervolle Menschen wie meinen Döner-Mann? Manches hat man vermisst, ohne zu wissen, dass man es vermisst hat.

Tja, und nun ist es halb drei. Zumindest in Wien. In Bali hingegen ist es halb 10; und das bedeutet, dass meine innere Uhr Lust auf ein Bintang hat. Aber das käme im Büro erstens nicht so gut an – und zweitens schmeckt das ohne weiße Strände nur halb so gut.


Die SPÖ glaubt an Zuwanderung? Hurra!

Selektive Wahrnehmung ist ein wichtiger Schutzmechanismus. Unverzichtbar geradezu in einem Umfeld, in dem die Reizüberflutung ansonsten zu einer Supernova im Großhirn führen würde. Und überhaupt: Der ganze Bullshit. Den würde man ohne selektive Wahrnehmung gar nicht mehr verarbeiten können.

Aber manchmal, da funktioniert sie nicht, meine selektive Wahrnehmung. Dann geh ich über die Straßen und mach mir Gedanken über das, was ich sonst auszublenden versuche. Und dann kann ich der Versuchung nicht widerstehen, und muss dann doch über Politik schreiben, auf diesem Blog. Was ich sonst ja nie tue, aber heute will ich. Heute muss ich.

Weil mich dieses Plakat schon wieder angesprungen hat. Das mit der Aufschrift: „Wir glauben an unsere Jugend. Die SPÖ an Zuwanderung.“

Ist eigentlich ziemlich gemein, nicht an mich zu glauben. Und auch nicht an viele andere tolle Menschen in diesem Land. Und an ihre Lebensgefährten.

Ich meine: Nicht nur, dass ich selbst zugewandert bin und augenblicklich auswandern würde, käme – Gott behüte! – diese Partei tatsächlich eines Tages in die Situation, etwas ändern zu können. Hinzu kommt ja, dass ich viele Freunde aus der Community der Nicht-so-ganz-aus-Österreich-stammenden habe. Einer meiner besten Freunde ist Tscheche, ein anderer Bosnier, wieder einer hat ungarische Wurzeln. Manche kommen aus dem Burgenland, und das ist ebenfalls okay.

Und die Österreicher, die da noch bleiben, die haben zu einem großen Teil Lebensgefährtinnen aus dem Ausland: Ungarn, Tschechien oder auch Belgien. Mein eigener Lebenslauf ist in dieser Hinsicht auch alles andere als rein-österreichisch oder -deutsch. Und, wohlgemerkt: Meine Freunde sind nicht ausschließlich links-linke Grün-Wähler, sondern zu einem großen Teil Konservative. Das hindert sie nicht daran, die Welt außerhalb der Staatsgrenzen wahrzunehmen.

Man möge mich jetzt vielleicht als multikulti-verträumten Gutmenschen hinstellen, wegen meiner Vergangenheit als Chefredakteur der „Bunten Zeitung“ (die nun als „Global Player“ verkauft wird). Aber ehrlich: Ich seh das pragmatisch. Beziehungen, die ich mit „zugewanderten“ Mädchen hatte, bereue ich nicht, und der ungarische Humor ist traumhaft – kennen Sie die Witze mit dem schlecht gelaunten Schwein? Werde ich bei Gelegenheit mal erzählen. Außerdem sind die kreativsten Entrepreneure in meinem Umfeld Asiaten, die fleißigsten Arbeiter sind Türken – wenn ich morgens aus der Straßenbahn steige, dann werkelt der Kebap-Mann schon eifrig, während die Österreich-Fraktion ihrerseits Richtung AMS torkelt.

Fazit: Bei Herrn Strache kann man sich nur bedanken. Weil er ein klares Statement gesetzt hat: „Wer die FPÖ wählt, entscheidet sich gegen Stefan. Und gegen seine Freunde.“

Also, bitte: Entscheidet weise. Danke.