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Geld | money

Vom Millionär zum Tellerwäscher

Die kalifornische Sonne scheint hell herab auf die schillernden Unternehmerpersönlichkeien des Landes. Wer hier eine Idee hat und sie gut vermarkten kann, der hat recht schnell einen Betrag von sechs Nullen auf seinem Konto liegen – denn Geber von Risikokapital gibt es hier viele, und sie investieren nur jene Summen, die ein Ausrollen der Idee auf den gesamten US-Markt möglich machen. Programmierer sind hier schwer zu finden – und wenn doch, dann muss ein Arbeitgeber dafür mal gut 120.000 Dollar Brutto pro Jahr hin legen. Und ein Business Developer kostet 60.000 Dollar Grundgehalt pro Jahr – mit Erfolgsprovision kann sich das Grundgehalt mal rasch verdoppeln. Land der Chancen, Land der Möglichkeiten? Jein.

Denn zweierlei sollte man hier nicht machen. Kinder kriegen und/oder krank werden. Ein Nachwuchs kann Dir nämlich ordentlich auf der Tasche liegen, wenn Du ihm eine Ausbildung ermöglichen möchtest: Die Schule kostet rund 1500 Dollar im Monat, ein Platz auf der Uni kommt auf 50.000 Dollar im Jahr – angesichts solcher Zahlen ist es schon fast belustigend, dass in Österreich wegen rund 350 Euro pro Semester die Universitäten brannten. Wer viel zahlt, akzeptiert auch eine kürzere Ausbildung: Während bei uns der Bachelor-Titel noch immer um Akzeptanz ringt, studiert man hier gerne kürzer, um dann bald Geld verdienen zu können, statt Papa weiter auf der Tasche zu liegen.

Jeder Mitarbeiter hat hier zwölf bis vierzehn Tage Urlaub pro Jahr. Wird er krank, so kann er nicht in Krankenstand gehen, stattdessen wird die Abwesenheit vom Urlaub abgezogen. Danach geht er in „Disability“, bekommt also nur einen Bruchteil seines Gehalts. Private Krankenversicherung ist ein absolutes Muss – und dieses Unternehmen kalkulieren hart: „Meinem Sohn wurde die Krankenversicherung gekündigt, dabei ist er ja nicht mal krank“, zitiert mir ein Österreicher seine amerikanische Bekannte. Lassen Sie diesen Satz mal sickern… Genau: Ist man zu lange krank und kostet die Versicherung zu viel Geld, kann diese den Vertrag kündigen. Dann blecht man selbst ordentlich, kann nicht arbeiten, verdient weniger Geld – und irgendwann werden dann auch noch die nicht-existenten Kündigungsfristen bei Miete und Arbeit schlagend. Hallo Armutsfalle.

Die Arbeitslosigkeit im Valley liegt bei zehn Prozent. Wer seine Leistung erbringt, kann viel Geld verdienen – aber wer stecken bleibt, für den gibt es keine Hilfe. Grund dafür, warum man nicht raucht, kaum Alkohol trinkt, selten Motorräder auf der Straße sieht (Unfallgefahr!) und sich nach Möglichkeit gesund ernährt: Wer sich dennoch mit fettigem Fastfood voll stopft, kann sich oft nichts Besseres leisten – wohl mit ein Grund dafür, warum man auf den Straßen nur entweder extrem fette Menschen oder ultra-hippe Super-Bobos sieht. Für die obere Mittelschicht ist das Ganze schließlich ein Nullsummenspiel: Zwar sind die Nettogehälter in Europa wegen Steuern und Sozialversicherung bei uns deutlich niedriger als im Westen – durch die zusätzlichen Kosten gleicht sich aber alles wieder aus.

Welches System ist besser? Das kommt wohl auf die jeweilige Situation an. High-Performer, die niemals krank werden und keine Kinder planen sind in den USA definitiv besser dran. Wer aber nicht wegen eines Motorradunfalls in der Armutsfalle landen will, der muss wohl auch damit leben, dass er den einen oder anderen Sozialschmarotzer mit finanzieren muss. Besser per se ist keines der beiden Systeme – sie helfen bloß unterschiedlichen Zielgruppen.

Ganz liebe Leute

Von außen erkennt man kaum, was drinnen passiert; das Gebäude in der Lindengasse, in dem der Hub Vienna untergebracht ist wirkt unscheinbar und fad. Doch ist man erst mit dem Aufzug hinauf gefahren, entpuppt sich eine Insel der Andersdenkenden im sonst so engstirnig-traditionellen Wien.

Das erste Mal war ich hier, als ich im vergangenen Jahr ein Interview mit Ashoka-Gründer Bill Drayton führte; letzte Woche war ich zur Ein-Jahres-Feier wieder dort, um mit Wolfgang Bergthaler zu unserem Medium „Indische Wirtschaft“ einiges zu besprechen.

Der Hub Vienna ist alles andere als ein normales Büro: Die Bar und die gemütlichen Tische erinnern mehr an ein Bobo-Cafe; Aufkleber mit einem hochgestreckten Daumen und dem Schriftzug „I like“ zeugen von der Präsenz der Facebook-Generation. Zu trinken gibt es Kaffee und Bionade. Man kommt zum Arbeiten oder gemeinsamen Brainstormen her – am meisten lebt der Hub aber von den Menschen, die ihn mit Leben und Ideen befüllen.

Auf der Jahresfeier traf ich etwa Michael Rajiv Shah, der Wolfgang und mir nützliche Inputs für unser Projekt gab. Ebenso Sylvie Chin, die gerade an ihrem Projekt „Clear Karma“ – einer Datenbank zu Ernährung und Gesundheit – arbeitet. Sylvies und mein Weg kreuzen sich seit Jahren immer wieder. Auch im Hub fanden wir uns also.

Am 20.1.2011 um 22:11 sprach mich dann jemand an, ob sie mich kenne. Ich sei doch auch Mitglied, oder? Nicht dass ich wüsste, entgegnete ich zu diesem Zeitpunkt.

Gestern, nicht mal eine Woche später, war ich wieder dort. Um einen Artikel für das Wirtschaftsblatt zu recherchieren, der am Freitag in der Print-Ausgabe erscheint. Während ich im Eingangsbereich mit Hub-Co-Gründer Matthias Reisinger meinen Kaffee schlürfe, kommt Michael Fembek, Herausgeber des CSR-Jahrbuchs, herein und drückt mir auf Anfrage ein Exemplar in die Hand. Die Gebrüder Stitch bereiten einen Salat vor. Und Sylvie ist auch wieder da.

Mit jedem Besuch fühle ich mich im Hub ein bisschen mehr zuhause.

Gratis arbeiten?

In der Szene der Kreativ-Arbeiter wird derzeit ein Schaubild herum gereicht, mit dessen Hilfe die Entscheidung über anstehende Gratis-Arbeit gefällt werden kann. Da mir das Übel der scheinbar-selbstverständlichen Autoprekarisierung in der Branche nicht unbekannt ist, lade ich das Bild hier gerne hoch und füge nur noch hinzu: Wer Qualität haben will, muss dafür zahlen – es sei denn, man ist meine Mama.

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Wenn die ÖBB diskriminieren, kommt wer anders zum Zug

Ring-Ring.

Freundliche Dame: „ÖBB-Kundenservice. Grüß Gott.“

Ich: „Grüß Gott. Ich habe von Ihnen eine vorläufige Vorteilscard bekommen und würde damit gerne online buchen. Aber dafür muss ich die Kartennummer angeben, und die steht da leider nicht.“

„Ja, die Online-Buchung geht mit der vorläufigen Karte nicht. Das geht nur am Schalter.“

„Aha. Wissen Sie, ich bin krank und kann daher das Haus nicht verlassen. Gibt es wirklich keine Möglichkeit, online die Vorteilscard zu nutzen?“

„Nein, leider.“

„Ich zahle also für einen Service, den ich nicht nutzen kann, weil ich an meine Wohnung gebunden bin.“

„Ja, das geht nur am Schalter.“

„Dann bitte ich um Verständnis, dass ich meine Fahrt nach München lieber direkt bei der Deutschen Bahn buche, wenn die ÖBB mobil eingeschränkte Menschen diskriminiert. Das ist schade – für die ÖBB.“

Ein weiteres Beispiel dafür, dass Kunden verliert, wer sich nicht an ihre Bedürfnisse anpasst. Mein Ratschlag: Auch gesunde Menschen sollten den Anbieter wechseln, wenn sie diskriminierendes Verhalten bei Unternehmen wittern. Allein schon aus Solidarität.

Thema verfehlt

Die Blögger veranstalten mal wieder eine Blogparade – diesmal mit freundlicher Unterstützung von 3M (ja, genau: Die Erfinder der Post-Its) und zum Thema „Innovation“.

Als ich das las, hatte ich gleich einen recht klaren Plan vor Augen: Einen Beitrag schreiben, in dem ich fürchterlich ablästere darüber, wie sehr der Begriff „Innovation“ über die vergangenen Jahre vergewaltigt worden ist. Schnell ist heute male in Produkt oder eine Idee „innovativ“ – im Werbe- und PR-Slogan wird kaum ein Begriff öfter verwendet, um an und für sich öde Ideen als großartige Revolutionen anzupreisen. „Innovativ“ spielt hier in der gleichen Liga wie die kleinen Wörtchen „nachhaltig“, „intuitiv“ und „effizient“. Nur wenige Dinge sind heute noch wirklich innovativ – aber gerade meine eigene Branche muss sich wohl an der Nase packen, wenn wir auf der Suche nach griffigen Headline einen übergroßen iPod tatsächlich als großartige Neuerung feiern – die erfolgreichste Marketing-Maschine der Welt hat dazu ebenso ihren Beitrag geleistet.

Also: Ich wollte lästern. Aber dann kam es anders, denn ich fuhr nach München.

In München wurde die Ashoka Sozialunternehmerkonferenz abgehalten, zu der ich freundlicherweise als Co-Moderator geladen war. Neben mir, einem Journalisten mit nur bedingter praktischer Social Entrepreneurship-Erfahrung im Rahmen meiner damaligen Chefredakteur-Tätigkeit bei der Bunten Zeitung, waren dort Menschen, die echte Social Entrepreneurs sind, also das Lösen von sozialen Problem mit betriebswirtschaftlichen Mitteln zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben.

Ein Gynäkologe war etwa dort, der selbst für die Tastuntersuchung im Vorfeld einer Mammographie nicht genug Zeit aufbringen konnte – also schulte er blinde Frauen darin, die Untersuchung an seiner Stelle durchzuführen; eine Win-Win-Situation, bei der die Patientinnen sich sicherer fühlen und die blinden Frauen eine Arbeit finden. Man möchte fast sagen: Das Ei des Columbus. Und wirklich innovativ, weil neu.

Ähnlich das Projekt wheelmap.org von Raul Krauthausen. Auf dieser Website gibt es eine Karte, auf der Betroffene einzeichnen können, welche Orte einer Stadt barrierefrei sind und welche nicht… das ist so simpel, wie es genial ist – denn wer als nicht-barrierefrei markiert ist, trägt einen Marketing-Schaden davon. Übrigens in Wien wirklich überraschend, welche Schickimicki-Orte Rollstuhl- und Kinderwagen-Fahrer nicht in ihre Halle lassen.

Habe ich jetzt das Thema verfehlt? Vermutlich ja. Denn ich sollte ja beantworten, was für mich „Innovation“ bedeutet und nicht darüber philosophieren, welche neuen Ideen den Menschen tatsächlich helfen. Aber wenn ich jetzt eh schon dabei bin, kann ich gleich weiter machen und die von Blögger vorgegebenen Leitfragen beantworten:

* Was zeichnet ein innovatives Unternehmen aus?

Dass es über den Tellerrand schaut und sein Know-How im Unternehmen einsetzt, um das Leben benachteiligter Menschen zu verbessern – und in diesem Zug auch neue Zielgruppen erschließt, ergo Gewinn erwirtschaftet.

* Wie können größere Unternehmen sicherstellen, selbst agil und innovativ zu bleiben?

Indem sie die Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen, lange Gespräche mit ihnen führen, sich wieder auf die Lösung von Problemen statt das Aufwärmen alter Lösungen fokussieren.

* Was sind die Chancen und was die Grenzen von “Open Innovation” in einer Zeit des geistigen Eigentums?

Neue Zielgruppen erschließen und somit Umsatz steigern, bzw. Imageverlust vermeiden.

* Zusatzfrage: Gibt es zu dem Thema ein Buch, welches Du empfiehlst?

Ja.

* Welches?

„Social Business – von der Vision zur Tat“ von Nobelpreisträger Muhammad Yunus. Er ist super.

So, und nun habe ich das Thema total verfehlt. Schade. Aber das war es trotzdem wert.

Blogparade Innovation

Nicht vorenthalten möchte ich Euch freilich auch die anderen Beiträge, die das Thema „Innovation“ umreißen:

  • Stefan Hagen: Was zeichnet ein innovatives Unternehmen aus?
  • Heinz Peter Wallner: Innovation. Dem Dickicht der Zwergenwelt entfliehen?
  • Cornelia Daniel: Gesellschaftsfreundliche Produkte als Innovationsmotoren
  • Jörg Liemandt: Was ist eigentlich an Innovation so toll?
  • Hannes Offenbacher: Innovation? Nicht labern, machen!
  • Thomas Mathoi: Innovatives Bauwesen (?)
  • Marcus Ambrosch: Zukunft, Innovation von Menschen, Management und Organisationen
  • Diana Ljubic: Innovation
  • Stefan Mey: Thema verfehlt
  • Franz Kühmayer: Der Wendepunkt
  • Der Blog als Goldgrube

    Gleich vorweg: Tut mir leid, falls ich mit dem Titel falsche Hoffnungen geweckt habe. Blogs sind keine Goldgruben, das sollte inzwischen jedem klar sein, der sich auch nur annähernd mit dieser Form der Autoprekarisierung beschäftigt hat. Nicht verwunderlich also, dass ich vergangenen Samstag im Mediencamp auf meine Aussage „Ich werde über die Monetarisierung von Blogs reden – und der Vortrag ist kurz“ schallendes Gelächter erntete.

    Anyway: Wir bloggen, weil es Spaß macht. Und weil wir dabei – zum Beispiel auf Barcamps und Blogtails – nette Leute kennen lernen. Und, weil der Blog an sich zwar nur wenig Geld abwirft, aber ein optimales Werbemittel darstellt. Mich kann man ja bekanntlich auch buchen, und das haben auch schon viele tolle Leute gemacht.

    Meinen Vortrag stelle ich Euch jedenfalls anschließend hier als Video rein. Und die Folien gibt es hier. Danke für’s Teilnehmen jedenfalls – und für alle, die es verpasst haben: See you next time!