Stefan Mey

Koffer-GAU, Teil 1: Mahabalipuram

Nächste Mission: Von Pondicherry zurück nach Chennai fahren – aber nicht ohne unterwegs einen Halt bei den antiken Tempeln von Mahabalipuram gemacht zu haben. Ähnlich wie in Elephanta – der Insel nahe Mumbai – finden sich hier in die Felsen gehauene Abbilder zahlreicher Hindu-Götter. Um dies zu besichtigen, nehme ich auch Schwierigkeiten in Kauf: Der kleine Rollkoffer, der mich auf meiner Reise begleitet, wird über Stock und Stein gezogen und gezerrt.

Ein junger Mann spricht mich an. Ich weise ihn zuerst barsch zurück; doch er versichert mir, dass er kein Guide ist, sondern dass er lediglich seine Englischkenntnisse über möchte. Also gut, denke ich: Ich bin ohnehin alleine unterwegs und entsprechend einsam – warum also nicht? Er führt mich durch das Gelände, erklärt mir die einzelnen Orte und ihre historische Bedeutung, während ich stets den Koffer über die Felsen zerre.

Am Ende kommt dann doch das Verkaufsgespräch: Er sei eigentlich Steinmetz-Lehrling, und er habe einen innovativen Ganesh aus Stein gehauen; den solle ich mir in seinem Shop ansehen. Die Steinmetz-Branche floriert in Mahabalipuram; denn wer schon alte Stein-Götter bewundert, der hat wohl auch gegen neue nichts einzuwenden. Und da er mich ohnehin so freundlich herum geführt hat, sehe ich mir das Werk in seinem Shop an.

Enttäuscht werde ich nicht: Er hat keinen normalen Ganesh in sitzender Position aus dem Stein geschlagen, sondern einen, der in entspannter Position vor einem Computer liegt. Auf dem Bildschirm des Geräts ist ein Apfel abgebildet. Kein Zweifel: Das ist ein Business-Ganesh. Der elefantenköpfige Gott, der als Entferner aller Probleme und somit als Universallösung für alles gilt, kann in dieser Form mich vor Viren, Trojanern und Spam-Mails beschützen. „Nächstes Jahr mache ich dann einen Cricket-Ganesh“, sagt der Junge stolz. Ich kaufe ihm die circa faustgroße Statue lächelnd ab, bedanke mich und mache mich wieder auf den Weg.

Circa eine Stunde später hebe ich bei der Besichtigung eines weiteren Tempels den Koffer an – es macht „Rumms“, der Henkel des Gepäcks reißt ab und es fällt zu Boden. Grummelnd hebe ich es wieder auf: Hätte ich doch bloß einen Gepäck-Ganesh statt eines Business-Ganesh gekauft, dann wäre das nicht passiert. Aber man kann wohl nicht alles haben, und so setze ich meine Reise unbeirrt fort.

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