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Ganesh

Ein Moment: Ganesh löst alles

Vor dem abendlichen Ausgehen spaziere ich noch zum Barbier, um meinen Bart stutzen zu lassen – der Mann von heute rasiert sich ja nicht selbst. In der kleinen Barbierstube nehme ich Platz; Kakerlaken betrachten ihr Abbild im Spiegel, während der Barbier seine Aufmerksamkeit meinem Bart widmet und ich das Geschehen im Fernsehen betrachte.

Dort läuft ein Film; ich verstehe die Sprache nicht – aber die Bilder sprechen Bände. Offensichtlich sind da drei Hexen – denn es handelt sich um drei in schwarz gekleidete Frauen mit Buckeln, die in schrillen Stimmen plappern – und eine Ziege. Das Tier attackiert die Hexen; offensichtlich handelt es sich dabei um einen Menschen, der von den bösen Schwarzmagierinnen verwandelt wurde. Während der gehörnte Schädel gegen schwarz-gekleidete Hintern rammt, fällt in einem parallelen Handlungsstrang eine junge Frau in Ohnmacht… Was nun? Zum Glück ist der Held gleich bei Stelle: Er hebt die Dame auf und trägt sie zu einem Ganesh-Schrein, legt sie dort sanft nieder. Dann rüttelt er an dem Schrein.

In der nächsten Szene sieht der Zuschauer Ganesh, den elefantenköpfigen Gott, in seinem Zuhause. Da der Held an seinem Schrein rüttelt, wird auch der Glücksgott ordentlich durch geschüttelt. Er torkelt; und ihm wird klar, dass seine Hilfe gebraucht wird. Also sagt der Elefantenkopf etwas, das ich nicht verstehe – und alle Probleme sind gelöst: Die Frau wacht auf, die Ziege wird wieder ein Mensch und die Hexen sterben. Es gibt Feuerwerke.

Ende gut, alles gut also. Und auch mein Bart ist gestutzt. Hochmotiviert starte ich in den Abend.

Dieser Beitrag ist Teil des Buchs „Indien 2.0 – Twittern im Tuk-Tuk“, an dem Stefan Mey aktuell arbeitet.

Ein Moment: Ganesh löst alles

Vor dem abendlichen Ausgehen spaziere ich noch zum Barbier, um meinen Bart stutzen zu lassen – der Mann von heute rasiert sich ja nicht selbst. In der kleinen Barbierstube nehme ich Platz; Kakerlaken betrachten ihr Abbild im Spiegel, während der Barbier seine Aufmerksamkeit meinem Bart widmet und ich das Geschehen im Fernsehen betrachte.

Dort läuft ein Film; ich verstehe die Sprache nicht – aber die Bilder sprechen Bände. Offensichtlich sind da drei Hexen – denn es handelt sich um drei in schwarz gekleidete Frauen mit Buckeln, die in schrillen Stimmen plappern – und eine Ziege. Das Tier attackiert die Hexen; offensichtlich handelt es sich dabei um einen Menschen, der von den bösen Schwarzmagierinnen verwandelt wurde. Während der gehörnte Schädel gegen schwarz-gekleidete Hintern rammt, fällt in einem parallelen Handlungsstrang eine junge Frau in Ohnmacht… Was nun? Zum Glück ist der Held gleich bei Stelle: Er hebt die Dame auf und trägt sie zu einem Ganesh-Schrein, legt sie dort sanft nieder. Dann rüttelt er an dem Schrein.

In der nächsten Szene sieht der Zuschauer Ganesh, den elefantenköpfigen Gott, in seinem Zuhause. Da der Held an seinem Schrein rüttelt, wird auch der Glücksgott ordentlich durch geschüttelt. Er torkelt; und ihm wird klar, dass seine Hilfe gebraucht wird. Also sagt der Elefantenkopf etwas, das ich nicht verstehe – und alle Probleme sind gelöst: Die Frau wacht auf, die Ziege wird wieder ein Mensch und die Hexen sterben. Es gibt Feuerwerke.

Ende gut, alles gut also. Und auch mein Bart ist gestutzt. Hochmotiviert starte ich in den Abend.

Koffer-GAU, Teil 1: Mahabalipuram

Nächste Mission: Von Pondicherry zurück nach Chennai fahren – aber nicht ohne unterwegs einen Halt bei den antiken Tempeln von Mahabalipuram gemacht zu haben. Ähnlich wie in Elephanta – der Insel nahe Mumbai – finden sich hier in die Felsen gehauene Abbilder zahlreicher Hindu-Götter. Um dies zu besichtigen, nehme ich auch Schwierigkeiten in Kauf: Der kleine Rollkoffer, der mich auf meiner Reise begleitet, wird über Stock und Stein gezogen und gezerrt.

Ein junger Mann spricht mich an. Ich weise ihn zuerst barsch zurück; doch er versichert mir, dass er kein Guide ist, sondern dass er lediglich seine Englischkenntnisse über möchte. Also gut, denke ich: Ich bin ohnehin alleine unterwegs und entsprechend einsam – warum also nicht? Er führt mich durch das Gelände, erklärt mir die einzelnen Orte und ihre historische Bedeutung, während ich stets den Koffer über die Felsen zerre.

Am Ende kommt dann doch das Verkaufsgespräch: Er sei eigentlich Steinmetz-Lehrling, und er habe einen innovativen Ganesh aus Stein gehauen; den solle ich mir in seinem Shop ansehen. Die Steinmetz-Branche floriert in Mahabalipuram; denn wer schon alte Stein-Götter bewundert, der hat wohl auch gegen neue nichts einzuwenden. Und da er mich ohnehin so freundlich herum geführt hat, sehe ich mir das Werk in seinem Shop an.

Enttäuscht werde ich nicht: Er hat keinen normalen Ganesh in sitzender Position aus dem Stein geschlagen, sondern einen, der in entspannter Position vor einem Computer liegt. Auf dem Bildschirm des Geräts ist ein Apfel abgebildet. Kein Zweifel: Das ist ein Business-Ganesh. Der elefantenköpfige Gott, der als Entferner aller Probleme und somit als Universallösung für alles gilt, kann in dieser Form mich vor Viren, Trojanern und Spam-Mails beschützen. „Nächstes Jahr mache ich dann einen Cricket-Ganesh“, sagt der Junge stolz. Ich kaufe ihm die circa faustgroße Statue lächelnd ab, bedanke mich und mache mich wieder auf den Weg.

Circa eine Stunde später hebe ich bei der Besichtigung eines weiteren Tempels den Koffer an – es macht „Rumms“, der Henkel des Gepäcks reißt ab und es fällt zu Boden. Grummelnd hebe ich es wieder auf: Hätte ich doch bloß einen Gepäck-Ganesh statt eines Business-Ganesh gekauft, dann wäre das nicht passiert. Aber man kann wohl nicht alles haben, und so setze ich meine Reise unbeirrt fort.