Stefan Mey

Aufbruch in den Süden

Meine Reise durch Indien währt nicht mehr lang, gerade mal etwas mehr als einen Monat. Die Zeit ist schnell vergangenen Wochen – und gleichzeitig habe ich das Gefühl, viel gelernt und erlebt zu haben, dieses so vielfältige Land doch zumindest ein wenig weiter verstanden zu haben. Das Rezept dafür war wohl eine gelungene Kombination aus Arbeiten und entspannenden Aufenthalten an den touristischen Hotspots: Konferenzen, Messen und Meetings auf der einen Seite – Ausflüge zu Stränden und Hill Stations auf der anderen Seite.

Genauso – das überlege ich mir während der Planung der nächsten Wochen – soll es eigentlich weiter gehen. Ich möchte arbeiten und das Leben der indischen Mittelklasse weiter erforschen, andererseits aber auch etwas vom Land sehen. Und so überlege ich mir für die verbleibende Zeit eine längere Reise: Ich werde nach Chennai fliegen, mich von dort bis Bangalore hoch arbeiten, dann nach Delhi auf eine Comic-Messe fliegen und anschließend noch die Berge erforschen – vorausgesetzt, ich habe dann wirklich Lust auf Kälte. Wenn ich dabei meinen Horizont erweitere, kann mir das nur Recht sein – Pflichtgepäck sind allerdings Laptop und Handy mit mobilem Internet, so dass ich auch im tiefsten Wald Artikel schreiben und nach Österreich verschicken kann.

Was muss ich sonst noch einpacken? Ich werfe einen Blick auf meinen großen Rollkoffer und stelle fest, dass er viel unnötigen Ballast enthält: Nicht nur diverse Bücher und Prospekte, die ich mir zu Recherchezwecken innerhalb der letzten Monate angesammelt habe, sondern auch Dinge, die im Westen auf keiner Geschäftsreise fehlen dürfen. Ein Bart-Trimmer, mit dem ich regelmäßig meinen Vollbart stutze – ein solches Gerät ist überflüssiges Gepäck, zumal es ja Barbiere gibt. Auch auf meinen Kulturbeutel werfe ich einen Blick: Vor ein paar Tagen war eine Kakerlake darin gesessen und hatte es sich auf meiner Zahnbürste bequem gemacht. Inzwischen habe ich eine neue Bürste gekauft; ich stecke sie in einen Tiefkühlbeutel, gemeinsam mit einer Tube Zahnpasta, und schmeiße den Kulturbeutel weg.

Auch meine kurze Hose, die ich ursprünglich auf Grund des warmen Wetters für eine gute Idee gehalten hatte, brauche ich nicht – Shorts sind in Indien einfach unüblich. Und mein Blick fällt auf die zwei Anzüge, die im Westen bei jeder längeren Geschäftsreise eine gute Idee gewesen wären – in Indien aber, so habe ich festgestellt, sind Hemden alleine bei jedem Geschäftstermin ausreichend. Wer will schon bei 40 Grad Außentemperatur mehr Kleidung als nötig tragen? Ich trenne mich von einem Anzug; vom anderen nehme ich wenigstens das Sakko mit – weniger aus ästhetischen Gründen, sondern um mich dann im Norden teilweise vor der Kälte zu schützen. Aus dem gleichen Grund schafft es auch mein schwarzer Rollkragen-Pulli ins Reisegepäck.

So. Den großen Rollkoffer inklusive westlicher Kleidung lasse ich bei Freunden; und diese geben mir freundlicherweise eine kleinere Version mit auf den Weg, in der ich die brauchbare Kleidung, die wichtigsten Unterlagen, meinen Laptop und einen Schlafsack verstaue. Mit weniger als zehn Kilo Gepäck breche ich somit zu einer einmonatigen Reise quer durch Indien auf.

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