Während der Zeit im Moonlighting Delhi lernte ich sehr nette Menschen kennen: Eine Inderin etwa, die mit einem Franzosen verlobt ist und bald sowohl in Frankreich als auch in Indien heiraten wird – und wie das in Indien halt so ist, werden für beide Hochzeiten gleich alle Freunde, Bekannte, Freunde von Freunden von Bekannten und Mitbewohner eingeladen.
Bei einer Grillparty diskutierte ich folglich mit einer dänischen Studentin, ob wir wohl besser zur Hochzeit auf indischem oder europäischen Boden reisen sollten – schließlich kostet der Flug nach Indien zwar mehr, aber die Lebenskosten sind geringer. Eine gute Gelegenheit für mich also, um mal wieder mit meinen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen rund um Fixkosten, variable Kosten und Economies of Scale zu punkten: Je billiger die variablen Kosten – also die Kosten, die pro konsumierter Einheit anfallen -, desto niedriger werden die Fixkosten – also die Kosten, die auf jeden Fall anfallen – pro konsumierter Einheit. Das nennt man dann Economies of Scale. Praxisbeispiele gefällig? Gerne, zuerst das Schulbeispiel: Wenn ich ein Auto kaufe, das wenig Benzin verbraucht und viel damit fahre, zahlt es sich auf lange Sicht mehr aus als ein in der Anschaffung billigeres Auto, das aber ein Spritschlucker ist. Und in Bezug auf die Reisen heißt das: Wenn ich mir einen teuren Indien-Flug leiste und hier aber wenig Geld ausgebe, dann reduzieren sich mit steigender Aufenthaltsdauer meine Flugkosten pro Tag. Wer also nach Indien fliegt, der sollte gleich länger bleiben – ein halbes Jahr zum Beispiel.
„Ha!“, sagte da die Dänin: Mit Kleidung ist das aber ganz anders! Die teuersten Kleidungsstücke sind die, die wir eigentlich am seltensten tragen. Und bei genauer Betrachtung meiner Garderobe ist es bei mir tatsächlich so: Mein wohl teuerstes Kleidungsstück ist mein Smoking, der ein paar hundert Euro gekostet hat, den ich aber im Schnitt nur einmal pro Jahr trage – und das ist noch überdurchschnittlich viel, zumal sich die meisten meiner Freunde im heiratsfähigen Alter befinden. Meine Jeans hingegen haben im Schnitt vielleicht 30 Euro gekostet, ich trage sie aber deutlich öfter – vielleicht jeweils 90 Tage im Jahr.
Ist das nicht absurd? Statt ein Produkt mit hohen Fixkosten oft zu verwenden und entsprechenden die Fixkosten pro Tag zu minimieren, minimieren wir die Fixkosten dort, wo es vollkommen wurscht ist: Bei Ausverkaufs-Jeans vom H&M. Klar könnte man nun argumentieren, dass sich durch die Nutzungsdauer durch die geringere Abnutzung des Smokings vervielfacht – aber nachdem der Unterschied in der Tragezeit bei Faktor 90 pro Jahr liegt, hätte man mir zur Geburt also einen Smoking in der korrekten Größe schenken müssen, den ich auch noch als Greis trage, um auch nur halbwegs auf den gleichen Nenner zu kommen.
Für mich gibt es folglich nur drei Möglichkeiten, mit dieser neuen Erkenntnis umzugehen:
1. Mehr Geld in jene Kleidung investieren, die ich täglich trage – weil es sich ja ohnehin auszahlt
2. In Zukunft beim Fortgehen im Wiener Chelsea einen Smoking tragen
3. Auf die Erkenntnis pfeifen und so weiter machen wie bisher
Für Vorschläge, Anregungen und eine kleine Spende zur Finanzierung meiner nächsten Jeans bin ich den geneigten Lesern dankbar.