Stefan Mey

Ausbeuterische Gutmenschen?

Der Life Ball gilt hierzulande als eines der größten Charity-Events, werden doch die Gewinne für die Behandlung von AIDS-Kranken eingesetzt. Stutzig macht auch mich, dass gerade ein solch altruistisch angelegtes Event „Praktika“ vergibt: Engagierte Arbeit im Presseteam, ohne Bezahlung oder Sozialversicherung. Nach einem Schulterzucken wandte ich mich jedoch wieder anderen Dingen zu, schließlich ist ein prekäres Praktikumsverhältnis ja kein Einzelfall.

Anders dachte da ein gewisser Herr Mair, den die Janusköpfigkeit der Ball-Organisation so verärgerte, dass er gleich einen offenen Brief schrieb. Dieser erreichte auch meine Mailbox über Umwege; und der schönen Argumentation wegen möchte ich ihn hier gerne ungekürzt veröffentlichen. Viel Spaß beim Lesen!

Guten Tag!

Prinzipiell finde ich das Praktikum bei Life Ball eine interessante
Sache. Dass dieses allerdings vollkommen gratis sein soll, finde ich in
Anbetracht des zeitlichen Aufwands und der Einnahmen des Life-Balls eine
ausgesprochene Frechheit. Mittlerweile befassen sich auch die
Europäische Union und das Europäische Parlament mit den aufsufernden,
menschenverachtenden, ausbeuterischen Praktiken der unbezahlten Praktika.

Das mindeste was Ihr für einen derart umfangreichen Job zahlen solltet,
ist wenigstens eine Anstellung Minimalanstellung mit voller
Sozialversicherung (Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung,
Pensionversicherung). Kostenlose Praktika, die mehr als einen Monat
dauern, waren bislang in Österreich ausgesprochen unüblich.

Dass ausgerechnet ein Charity-Event, dessen Erlös für an einer Krankheit
leidenden Menschen, die aufgrund Ihrer Krankheit oft den Job verlieren,
Menschen ohne Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und
Pensionsversicherung arbeiten sollen, halte ich schon für ausgesprochen
verlogen. Was passiert denn nun konkret mit Menschen, die am Weg zur
unbezahlten Arbeit einen Unfall erleiden, im schlimmsten Falle gar
invalide werden? Oder wenn in der Arbeitsstelle bei Ihnen etwas
passiert? Auch für ein Charity-Event arbeitende HelferInnen haben ein
Recht auf volle soziale Absicherung!

Weiters ist das Angebot der „Mitarbeit in einem jungen Team“
altersdiskriminierend (ich bin 43 und werde vermutlich von der
„Wirtschaft“ bei der Jobsuche oft wegen meinem Alter diskriminiert!),
mit der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie unvereinbar und auch
menschenrechtswidrig. Gegen Diskriminierung homosexeueller Menschen
aufzutreten und selbst diskriminierend und ausbeuterisch zu agieren, das
finde ich schon ein starkes Stück. Wenn Sie dem Jugendfetischismus
fröhnen frage ich mich, ob auch nur junge, knackige Aidskranke vom Erlös
des Life Balls ein Geld bekommen …

Als ehemaliges Mitglied des Vorstands der Journalistengewerkschaft und
nunmehriger parteiunabhägiger und kritischer Mandatar der gpa
Interessensgemeinschaften work@flex und work@it finde ich die
ausbeuterische Praxis des Life-Balls für inakzeptabel, Ich werde beim
Forum chefduzen.at eine Kategorie vorschlagen, wo Firmen und
Institutionen an den verdienten Schandpranger gestellt werden.

Im Rahmen beruflicher Neuorientierung, die mir wieder einen bezahlten
Job ermöglichen soll, mache ich ab Februar in Linz den „Internationalen
Lehrgang Technischer Redakteur“ mache und noch Geld für die Kurskosten
dazu verdienen muss, kann ich es mir einfach finanziell und zeitlich
nicht leisten, einen Halbtags- bis Vollzeitjob völlig gratis zu machen.

In Anbetracht der wachsenden Kluft zwischen Oberschichte und
Unterschichte halte ich Gratisarbeit für ein Schickeria-Event auch für
gesellschaftspolitisch inakzeptabel. Wer Aidskranke Menschen wirklich
unterstützten will, kann dies auch ohne Präsentationsbühne der
Seitenblicke-Gesellschaft tun. So gesehen ist der Life-Ball aufgrund der
enorm hohen Eintrittspreise ein asoziales Event das durch Generierung
von medialer Aufmerksamkeit für jene Menschen, die jenes Vermögen
besitzen, um sich auf diesem medial gefeaterten „gesellschaftlichen
Ereignis“ präsentieren zu können die vorherrschende und immer krasser
werdende Klassengesellschaft unterstützt.

In Anbetracht der gestellten Anforderungen die sehr umfangreich kann da
ja eigentlich nicht mehr von einem Praktikum gesprochen werden sondern
von der Umgehung eines regulären Arbeitsverhältnisses. Daher halte ich
Ihre Ausschreibung für illegal und menschenrechtswidrig.

Verärgert

Martin Mair

P.S.: Zum Thema „Generation Praktikum“ siehe:

http://www.generation-p.dgbj.org/
http://www.generation-praktikum.at/

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