Stefan Mey

Das Ende naht.

Keine Sorge, hier ist nicht – wie manch übereifriger Zeuge Jehovas frohlocken würde – das Ende der Welt gemeint, sondern ein viel bodenständigerer Abschluß: die Rede ist vom Ende des Steuerjahres.

Wie es alle Jahre wieder geschieht, so bemühen sich auch heuer Unternehmer, die letzten Gewinne noch rein zu waschen, indem Scheininvestitionen getätigt werden. Ich für meinen Teil habe im Lauf des Jahres in einen Laptop, eine Kamera und ein Postgraduate-Studium investiert – Güter und Services, die ich tatsächlich brauche – und steige nun meinem Lebensstil entsprechend aus. Andere hingegen können nicht genug kriegen, und ihr Dezember erinnert eine abartige Parodioe auf das Brettspiel „Mad“.

Mein Vermieter gehört vermutlich zu dieser Sorte. Denn seit ein paar Wochen wird unser Innenhof saniert; ein Aushang weist uns freundlich auf etwaige Lärmbelästigung hin. Seltsam ist dabei, dass solche Arbeiten einerseits im Winter durchgeführt werden, wenn fleißige Handwerker-Hände bei der Arbeit fast abfrieren; andererseits ist es durchaus verwirrend, dass ein Innenhof saniert werden muss, obwohl er sich in einem einwandfreien Zustand befindet. Das Stiegenhaus hingegen ist beschmiert und verdreckt; die fast zwei Jahre alten Nazi-Schmierereien sind noch immer nicht entfernt worden. Hier wäre eine Renovierung tatsächlich erwünscht, davon weiß der Hausbesitzer aber nichts. Meine Vermutung: er hat sein „Investitionsobjekt“ wohl seit einer halben Ewigkeit nicht mehr von innen betrachtet; und es ist ihm ja auch egal, ob die Arbeiten tatsächlich einen Effekt auf die Qualität des Objekts haben (am Naschmarkt findet man schnell mal neue Mieter), im Vordergrund steht die steuerliche Abschreibung.

Dem ist wohl auch nichts mehr hinzuzufügen. Außer vielleicht ein simples: „Frohe Weihnachten, Mr. Scrooge!“. Ja.

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