Hui hui, so schnell kann es gehen: wurden wir – die lieben, unschuldigen Blogger – noch zu Beginn des Jahres vom Time Magazine zur Person of The Year gewählt, so kippt die Stimmung langsam; sehr treffend zusammengefasst wird dies durch einen Artikel des Blogger-Kollegen Levente J. Dobszay. Mit zahlreichen Quellen untermauert der Kollege, dass es vorbei ist mit dem Web2.0, dass auch diese Blase früher oder später platzen wird. Schade, dabei habe ich gerade erst angefangen, mich daran zu gewöhnen, dieser Blog ist ja gerade mal ein paar Monate alt.
Die große Frage, die sich dabei aufdrängt: was passiert dann eigentlich mit den ganzen Daten, die in der kurzen Zeit gesammelt wurden? Denn das wohl Faszinierendste am Web 2.0 war wohl die Tatsache, dass man Menschen nicht mehr ausspionieren musste, sondern diese ganz freiwillig alle geheimen Daten zu Musikgeschmack, Studienrichtung und derzeitigem Beziehungsstatus preisgaben. Das beginnt schon damit, dass bei Online-Radios wie Pandora hinter den Kulissen nachverfolgbar ist, wer auf welche Musikkombinationen steht. Weiter geht es dann bei so genannten Studenten- und Freundesbörsen wie StudiVZ, Myspace oder Facebook. Hier finden sich Bikini-Bilder neben Schnappschüssen von der letzten Coffee-shop-Tour durch Amsterdam; nachdenken tun die entsprechenden Mitglieder vor dem Einstellen des Bildmaterials nicht wirklich – schließlich wird eine scheinbare Privatsphäre vorgegaukelt, die aber nur allzu schnell zusammen bricht.
A propos Facebook: recht geschockt war ich, als ich die Vernetzungsplattform testete und auf „Find Friends“ klickte. Denn dann erscheint ein Angebot der Seite, die Suche nach „Freunden“ könne erleichtert werden, indem das Email-Adressbuch des Nutzers durchsucht wird. Alles, was dafür nötig sei, sei die Weitergabe von Email-Account und Email-Passwort. Äh…. hallo? Und als nächstes soll ich noch Kreditkartennummer, Adresse meiner Mutter und Grad meiner Körperbehaarung angeben, oder was? Huiuiui… Das Gruselige an der Sache ist allerdings: offensichtlich gibt es Leute, die den Tanz mit dem Teufel mitspielen, denn sonst wäre das Angebot ja mittlerweile entfernt worden.
Die Frage ist nun natürlich, was die Überwachungsindustrie/Marktforschung macht, wenn es wirklich mit dem Web 2.0 vorbei ist. Die alten Daten sichern und für schwachsinnige Direct Mailings verwenden, klar – und dann? Anzudenken wäre wohl die Idee eines „Life 2.0“. Dabei werden wir – ganz im Stil des Web 2.0 – darum gebeten, unsere Namen, Studienrichtungen und sexuelle Vorlieben ständig sichtbar an unserem Körper zur Schau zu stellen, und zwar nicht nur auf Studentenpartys und Clubbings, sondern auch in Fußgängerzonen, auf Staatsempfängen und bei Bewerbungsgesprächen. Angelehnt an das Modell von YouTube werden wir alle gebeten, unentgeltlich Fernsehinhalte zu produzieren, die aber allesamt von hundsmiserabler Qualität sind. Jegliche Ansätze, gute Inhalte zu zeigen, werden sofort von den entsprechenden Medienkonzernen unterbunden. Ähnlich wie in Second Life wird es auch irgendeine Möglichkeit geben, dass wir von einem Ort zum anderen schweben, so dass uns der Konsum von (virtuellen und somit nutzlosen) Gütern leichter fällt.
Das Tollste aber ist, dass wir gar keine echten Freundschaften mehr durch das jahrelange Aufbauen von Vertrauen entwickeln müssen; denn ab jetzt kann jeder geistig verwirrte Idiot zu uns hinkommen und fragen, ob wir sein Freund sein wollen. Und wir bestätigen das durch eine simple Fingerbewegung, so wie wir das von StudiVZ und Facebook gewöhnt sind. Oh, schöne neue Welt…