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Zeitungen

Hurra, wir sterben bald!

Print ist bald tot. Eine Branche geht den Bach runter. Das große Mediensterben. Wir sind alle bald arbeitslos… Wie oft habe ich diese Sätze im vergangenen Jahr nicht gehört? Wie oft musste ich mir nicht anhören, dass ich bald auf der Straße sitze? Dass es für mich keine Zukunft gibt? Und war dabei nicht auffällig, dass diese Aussagen gerade aus jenen Ecken kommen, wo entweder hoffnungslose Fadesse herrscht oder das Platzen der nächsten Irgendwas-Blase kurz bevor steht? Hey, hier ein kurzes Status-Update: Wir leben noch. Und, ehrlich gesagt: Ich möchte jegliches Gejammer rund um meine Branche nicht mehr hören; ich habe die Schnauze voll von Naseweisen, die sich einbilden, mich und meinen Beruf besser zu kennen als ich selbst. Menschen, die das Feuer der Angst zusätzlich anfachen.

Denn wohl kaum eine Branche ist so selbstreflektiert wie die meinige. Wenn etwas passiert, dass uns selbst betrifft, dann wird das nicht nur mit Interesse aufgefasst, sondern gleich mit reißerischer Headline publiziert und marktschreierisch verbreitet. Dadurch hat sich eine absurde Form der „Self Fulfilling Prophecy“ entwickelt – in den vergangenen Monaten war vermehrt in Medien über Medien zu lesen, weshalb sich mehr Medien Gedanken über sich selbst gemacht habe. Und nicht selten lautete die Folgerung: Ach du heilige Scheiße – wenn es die trifft, kann es mich dann auch treffen? Verstärkt wird dies durch externe Aussagen von selbst ernannten Experten, die uns das Ende der Zeitung prophezeien. Woher sie das wissen? Na, eh klar: Aus der Zeitung.

Diese Situation hat viele Menschen in der Informations-Branche in die Bewegungsunfähigkeit getrieben. Wir sitzen da wie das Kaninchen vor der Schlange, gelähmt vor Panik – unfähig, neue und innovative Ansätze auszuprobieren aus Angst, einen Fehler zu machen. Dadurch ist Arbeit nach Schema F noch möglich; zugleich stehen wir aber vor dem Problem, dass Sich-Nicht-Bewegen Stillstand bedeutet. Und Stillstand, das wusste schon Herbert Grönemeyer, ist bekanntlich der Tod.

Mag sein, dass es unserer Branche wirklich nicht mehr so gut geht wie früher. Dass es eine gewisse Bereinigung am Markt gibt. Aber das heißt nicht, dass wir nun in Depressionen versinken müssen. Unter Hedonisten- und zu dieser Gattung Mensch zähle ich mich durchaus – herrscht nämlich das Credo, man solle jeden Tag so leben, als sei er der letzte. Und das macht Sinn, denn nur so kommt man dazu, das Leben zu genießen und jene Dinge zu machen, die man am liebsten macht.

Und so – oder so ähnlich – sollten wir auch arbeiten. Im kommenden Jahr möchte ich als Journalist so agieren als sei es mein letztes Jahr in der Branche. Möchte die Dinge tun, die ich schon immer tun wollte – und so tun, als sie dies meine letzte Chance dazu. Die Live-Berichte müssen dann noch flotter, multimedialer und sozialer werden. Die Reportagen müssen abgefahren sein und neuartige Dinge beleuchten. Blogs und Kommentare müssen bissiger, aggressiver und mutiger sein. Und was dann ganz nebenbei entsteht ist das, was den Journalismus retten kann: Gute Inhalte statt langweiligen Einheitsbreis – sowie in Folge eine treue Leserschaft, die weiß: Hey, der Typ macht seinen Job, weil er ihn verdammt nochmal liebt. Und das spürt man.

Denn, ja: Ich bin von Herzen gerne Journalist. Einen besseren Job kann ich mir nicht vorstellen. Und auch wenn ich 2013 so tun möge als sei jede Reportage meine Henkermahlzeit – in Wahrheit hoffe ich, dass ich diesen Beruf noch lange ausüben kann. Allen apokalyptischen Prophezeiungen zum Trotz.