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Wien | Vienna

Opfer eines Verbrechens

Letzte Nacht sind mir meine beiden Handys gestohlen worden, ein Samsung Corby und ein HTC G1. Freilich lieg mir nichts ferner, als diesen Kanal zum Jammern zu missbrauchen; stattdessen würde ich gerne Lösungen anbieten – schließlich sind Handy-Diebstähle in Großstädten wie Wien ja keine Seltenheit.

Wie man beim Diebstahl eines herkömmlichen Handys vorgeht, ist auf der Seite von „Wien Konkret“ schon gut beschrieben. Auch ich habe gleich die Service-Nummern zum Entsperren angerufen, für die einzelnen Anbieter sind das die Folgenden.

Mobilkom:            0800 664 664 (gebührenfreie Nummer)

T-Mobile Privat:  0676 2000
(Kosten pro Minute abhängig von Netz des Anrufers)
T-Mobile Business: 0676 20333
(Kosten pro Minute abhängig von Netz des Anrufers)

orange Wertkarten.:  0699 72 699
(Kosten pro Minute abhängig von Netz des Anrufers)
orange Vertrag:   0699 70 699
(Kosten pro Minute abhängig von Netz des Anrufers)

tele.ring:         0800 650 650 (gebührenfreie Nummer)

3:                    0800 30 30 30 (gebührenfreie Nummer)

Tele2mobil:    0800 24 00 20 (gebührenfreie Nummer)

Eventuell muss man sich auf eine längere Wartezeit gefasst machen; vor allem an einem Sonntag. Bei Orange ging man flott, kompetent und effizient vor; bei Telering habe ich mich in die „Infos über Tarife“-Abteilung verbinden lassen, da sonst niemand erreichbar war – dort wurde mir aber gut geholfen.

Für das Sperren der Nummer (und eventuell späteres Entsperren) verlangen manche Anbieter (z.B. Orange) Geld (Update: Für das Sperren zahlt man; nach Vorlage einer polizeilichen Anzeige kriegt man bei Orange das Geld für’s Sperren zurück, bei Tele.ring nicht) . Im Shop holt man sie sich dann eine neue SIM-Karte (oder lässt sie sich per Post schicken, das kostet aber extra), die man auch wieder auf die alte Nummer programmieren kann – zumindest hat man mir das so versprochen.

Update: Heute war ich bei der Polizei und in den beiden Shops. Der Polizist war grimmig und hat mich darauf hingewiesen, dass ich ein halbes Jahr ins Gefängnis muss, sollte ich bei der Anzeige gelogen haben. In den Shops war man freundlich, hat mir nach Vorlage der polizeilichen Anzeige die beiden Sim-Karten ausgehändigt. Die Telefonnummer bleibt jeweils die gleiche, aber der PIN ändert sich.

Zaach: Smartphones

Viel mehr muss freilich noch erledigen, wer ein Smartphone hat. Schließlich sind auf dem Ding ziemlich viele private Daten gespeichert, und es gibt Zugang zu zahlreichen Accounts: Email, FaceBook, Twitter und anderes.  Stichwort: Identitätsklau. Ich habe mich noch in der selben Nacht vor dem Computer gesetzt und für besagte drei Kommunikationswege das Passwort geändert. Im Gegensatz zu anderen Handys (z.B. Nokia) werden beim G1 ja zum Glück die Mails nicht auf dem Gerät gespeichert, sondern verbleiben online – ist also das Passwort geändert, kommt der Dieb auch nicht mehr an die Mails.

Anders verhält es sich leider mit Media-Daten und sms. Zahlreiche Fotos verbleiben auf der SD-Karte; just in diesem Moment vergnügt sich also vermutlich jemand mit den Schnappschüssen von meiner letzten Indien-Reise. Und sms werden auch bei Android nicht zentral gespeichert, sondern bleiben auf dem Handy. Hier gibt es allerdings noch eine Lösung: Die Software SMS Backup. Auf dem Android-Handy installiert, kann sie dazu verwendet werden, sms im Gmail-Konto zu speichern. Eine ziemlich praktische Sache also. Schade nur, dass ich die Software erst jetzt entdeckt habe – hätte ich vor dem Zwischenfall ein Update gemacht, müsste ich jetzt nicht die vielen putzigen Sms-Dialoge mit liebenswerten Mitmenschen missen.

An Tagen wie diesen wird einem deutlich, dass der Verlust von Erinnerungen schmerzhafter ist als der Verlust eines blinkenden Metallstücks.

Die Sache mit dem Wiener „Charme“

Schlechte Laune ist in Wien Programm. Vor allem jetzt, wenn der Sommer sich langsam dem Ende entgegen neigt, die ersten Blätter fallen, es schon verdächtig nach Herbst zu riechen beginnt. Die Wiener hassen sich selbst, ihre Stadt und ihre Mitmenschen – und gerade das macht sie so sympathisch. Deutsche Touristen bezeichnen das gern euphemistisch als „Charme„. Besonders die hiesigen Kellner werden für ihren „Charme“ – also ihre grenzenlose Weltverachtung – geradezu bewundert. Wenn der Ober-Ober im Hawelka 20 Mal an mir vorbei spaziert, ohne mich wahr zu nehmen, dann widerwillig meine Bestellung aufnimmt, mir meine Melange hin knallt und am Ende ohne mit der Wimper zu zucken eine Rechnung im Wert eines Kleinwagens serviert, dann weiß ich: Hier bin ich zuhause.

Heute wieder beobachtet: Ein besonders unfreundliches Exemplar im MQ Daily.

Wir: „Ist der Tisch noch frei?“

Er:  „Sieht so aus, oder?“

Wir (mit Schnorrer-Attitüde, Kopfnicken in Richtung der Überreste der Vorsitzer): „Lässt Du uns den Keks da?“

Er: „Nö.“ (und nimmt uns den Keks weg)

Wir nehmen Platz.

Meine Ex-Studienkollegin (die gerade mit ihrer Jobsituation hadert) bekommt einen halben Nerverzusammenbruch: „Höchste Zeit, den Job zu wechseln“. (Was sie freilich auf sich selbst bezogen hat; alle meine Freunde sind Egozentriker, genau wie ich. Exakt: ICH!).

Eindeutig, das war sein Stichwort: „Wie bitte?“

Wir werden nervös, wollen ja keine Handgreiflichkeiten riskieren, und stammeln: “ Nein nein, nicht auf Dich bezogen, auf uns… äh… Jobwechsel…“. Er zuckt mit den Schulter: „Mir is‘ wurscht, ich hab heute meinen letzten Arbeitstag“. Und grinst zum ersten Mal. Wir fragen, ob es ein Leben nach dem Daily gibt. Ja, gibt es:  „Vier Monate Argentinien.“

Wow.

Ab dem Punkt tolerieren wir seine Unverschämtheit – seinen „Charme“ -, finden sogar liebenswert wie er uns die folgenden drei Stunden wie Dreck behandelt – Ignorieren, Rumgranteln, Rechnung auf den Tisch knallen. Aber der Schmäh rennt, wie er nur in Wien rennen kann. Und am Ende geben wir ihm sogar heiße sieben Euro Trinkgeld. Davon kann er inArgentinien dann eine ganze Woche leben. Er bedankt sich mit einem Dutzend Kekse.

Schön. Vielen Dank. Und Viel Spaß in Argentinien.

Die nette Dame aus dem Vespa-Fachgeschäft

Eigentlich wollte ich heute endlich etwas über die neuesten abgefahrenen Werbetrends aus Berlin schreiben. Aber dann hat sich doch wieder ein anderes Thema dazwischen gedrängt.

Wie Menschen aus meinem engeren Freundes- und Bekanntenkreis wissen, sind mir diese Woche am Naschmarkt beide Seitenspiegel meiner Vespa abmontiert und gestohlen worden. Finanziell ist das halb so wild, da so ein Spiegel nur rund 20 € kostet, auf Ebay ist er gar um einen niedrigen einstelligen Betrag zu haben – entsprechend ist das Handeln des Diebs  nicht nur unmnoralisch, sondern auch dumm. Er hat sich sein Karma versaut, seine Seele verkauft; und vom finanziellen Ertrag kann er sich nicht mal ein Abendessen leisten.

Ärgerlich war für mich nur die Aussicht, wieder in ein testosterongetränktes Motorradgeschäft zu gehen, um die neuen Spiegel zu kaufen.

Denn auf den meisten Webseiten, die sich um den motorisierten Zweiradsport drehen, geht es um dicke Brummer, meist präsentiert in Kombination mit exzessiver Darstellung sekundärer weiblicher Geschlechtsmerkmale. Vespa-Fans, die einen Hang zu Nostalgie und schmuckem Design haben, urbane Freizeitintellektuelle wie meine Wenigkeit, schreckt so was ab. Ich brauchte was anderes und erinnerte mich wieder an den Laden „Filipo Vespa“ auf der Nussdorfer Straße, den ich mal im Vorbeigehen entdeckt habe – ein Vespa-Fachgeschäft. Verunsichert war ich aber durch die Tatsache, dass der Laden keine schmucke Website hat – würde ich auch hier statt intellektuellen Cosmopoliten auf schmierige Automechaniker stoßen, die an jeder Wand drei PinUp-Kalender hängen haben?

Weit gefehlt: Als ich den Laden heute morgen betrat, fand ich in dem kleinen Raum zuerst Leere. Bis aus dem hinteren Teil des Geschäfts eine ältere Dame mit grauem Haar hervor trat – schätzungsweise ist sie schon in den wilden 50er-Jahren auf Vespe durch die Landschaft gedüst.

„Ich brauche zwei Spiegel“, sage ich, „links und rechts. Sind mir beide gestohlen worden.“ Die Dame versteht, sagt: „Da muss ich mal schauen, was wir noch haben; Montag geht das dann alles wieder schneller.“ Sie verschwindet wieder im hinteren Teil des Ladens, kramt in Kisten: „Ich hab vier linke… wo ist denn der rechte… ach, da…“. Langsamkeit ist hier Programm; und ich finde es irgendwie super. Keine elektronische Lagerverwaltung, kein Heckmeck, keine PinUps – stattdessen lächelt sie stolz, als sie mir die beiden Spiegel hin legt.

Bankomat-Zahlung gibt es keine. Und auch keinen Computer. Dass sie einen rechten Spiegel nachbestellen muss, schreibt sie per Hand auf einen Zettel. Zwei Zettel hat sie schon da liegen mit Dingen, die im Lager fehlen. „Ich könnte das mit Computern machen, aber ich will nicht“, sagt sie: „Früher hätte ich ja ein Fax geschickt, aber das geht auch nimma so gut wie früher.“ Sie entschuldigt sich freundlich für das Durcheinander: „Montag ist der Gerhard wieder da; der macht das normalerweise. Ich mache hauptsächlich die Buchhaltung.“

Ich kenne Gerhard noch nicht, aber ich freue mich auf ihn. In einer Welt, in der der Handel von Ketten und Konzernen dominiert wird, kehre ich gerne zurück in ein Mini-Universum, in dem Freundlichkeit und Menschlichkeit mehr zählen als IT-gesteuerte Effizienz-Maximierung.

Das Geschäft habe ich mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen.

Donauinselfest: Kein Schlamm, aber viel Dreck.

Der Schwarzmalerei der Wetterfrösche haben wir zu Unrecht vertraut. Denn geregnet hat es am Samstag den ganzen Abend über nicht, zumindest nicht auf der Donauinsel. Zur Ehrenrettung der Meterologen-Zunft sei hier aber angeführt, dass die Luftfeuchtigkeit in Wien derzeit höher ist als in Mumbai zu Beginn der Monsum-Zeit – und das ist alles andere als angenehm. Somit war es also heiß und schwül; und so wie wir uns ursprünglich vor einem Sommerregen gefürchtet hatten, so sehr sehnten wir ihn nun herbei – als Immigrant habe ich mich bereits wunderbar an die hiesige Kultur angepasst: Einen Grund zum Sudern gibt es immer; und kein Zustand ist perfekt.

A propos sudern/nicht perfekt: Abgesehen vom Wetter erwarten uns auf dem DIF auch in diesem Jahr wieder die üblichen Organisationsprobleme: Einer geht Bier holen just wenn zehn andere Mitglieder der Horde zur anderen Bühne wechseln wollen – Warten! -; andere wollen unbedingt Freunde treffen, die wieder woanders sind; das muss besprochen werden – wieder warten! -; eine größere Gruppe bricht Richtung Dixi-Häusl auf, bei ihrer Rückkehr fällt einem Nachzügler ein, dass er ebenfalls nochmal die Blase entleeren möchte – WARTEN! – und zwischendurch verlieren wir immer wieder Leute, weil wir auf das Fastfood in unserer Hand starren, einer Schlägerei ausweichen müssen oder einfach nur darauf achten, dass uns Betrunkene nicht ins Bier rotzen.

Aber hey: Einem geschenkten Gaul schaut man ja bekanntlich nicht ins Maul.

Nun zur Musik:

Als wir um ca. 19 Uhr uns endlich zur FM4-Bühne vorgekämpft hatten, platzten wir mitten ins Sterne-Konzert. Die Sterne… Helden meiner Sturm-und-Drang-Zeit! Sänger Frank Spilker steht auf der Bühne mit den Jungs, singt seine poetischen Parolen Richtung Publikum. Wir sollen raus, wir sollen die Welt retten; wir hängen hart… fest entschlossen, den Ort zu verlassen…. denn wahr ist, was wahr ist… da hilft nicht auf der Welt… Von allen Gedanken… Die Interessanten… Was hat Dich bloß so ruiniert?

Vielleicht zu oft gesehen, vielleicht sind sie alt geworden, vielleicht aber auch wir, vielleicht liegt’s an Franks neuer Frisur; oder auch daran, dass er in letzter Zeit mehr Energie in seine Soloprojekte gesteckt hat statt in die Band. Jedenfalls: Die neuen Stücke rocken nicht so wie die alten; und auch bei den alten Stücken kommt die Stimmung nicht so sehr auf wie früher. Naja, man applaudiert trotzdem: Der alten Zeiten mit Kopfzerbrechen und Leute-abwertend-anschau-Einstellung wegen.

Aufbruch zur Ö3-Bühne.

„How much is the fish?“
Ziel war, es pünktlich zum Scooter-Konzert zu schaffen. Die Band ist teilverantwortlich für zahlreiche verhunzte Pubertäten, hat den Sound der 90er deutlich geprägt. Geld zahlen würde ich dafür nie, aber man muss sie mal gesehen haben – eine einmalige Gelegenheit. Nach den bereits zuvor erwähnten üblichen Organisationsproblemen erreichen wir die Ö3-Bühne zeitig, sehen noch Snow Patrol: Zeitgenössischer Britpop-Rock aus der Dose, mit Schmusenummern und ein wenig Distortion. Freundliches Gähnen. Dann: Scooter. Hardcore.

Unsere Einstellung, eine Gratis-Freakshow zu Gesicht zu bekommen, teilen viele. Der Platz ist brechend voll; um uns herum springen die Leute, ahmen HP Baxxters Prolo-Posen nach, Mädels brüllen: „HP, ich will ein Kinder von Dir!“. HP hat das freilich nicht gehört, ruft aber ins Mikro: „All young girls, go directly to the V.I.P.!“. Heiser gebrüllte, betrunkene Antwort aus dem Publikum: „HP, du geile Sau!“.

Musikalisch ist Scooter so monoton, wie wir sie in Erinnerung haben. Abwechslung kommt durch wechselnde Backgroundtänzerinnen und -tänzer, Lichteffekte und jene Textzeilen, die freilich jeder kennt, es aber niemals zugeben würde: Von „Maria, Maria“ bis hin zum legendären Dadaismus-Klassiker: „How much is the fish?“. Die Stimmung ist am Höhepunkt. Die Menge tanzt, grölt mit, niemand nimmt diesen Blödsinn wirklich ernst. Ist aber auch egal.

Vor der Zugabe verlassen wir das Gelände, um uns Massenansammlungen zu ersparen; dabei kommen uns noch der Klassiker „Hyper, Hyper!“ und eine Cover-Version von „Bitter Sweet Symphony“ zu Ohren. Letzteres verursacht eine Gänsehaut: Stimmt ja, da war ja noch was anderes in der Pubertät aus schnelle Beats und zugedröhnte MCs.

Als ich schließlich im Bett liege und gegen den Tinitus kämpfe, schießt mir eine Frage durch den Kopf: „Was habe ich an diesem Abend eigentlich gelernt?“. Und ich gebe mir selbst die Antwort: Wer Anfang der 80er geboren wurde, darf sich glücklich schätzen, denn er durfte die Pubertät mit unschuldigem Party-Techno und die Sturm-und-Drang-Zeit mit intellektuell bereichernder Hamburger Schule verbringen. Danach kam nur noch Retorten-Mist.

Irgendwie eine schöne Erkenntnis für einen Samstagabend.

Spaßverbot im MQ?

mq-bierNatürlich liegt mir nichts ferner, als eine Kausalität zwischen diesem Blog und dem restlichen Universum zu implizieren. Aber es ist schon auffällig, dass nur wenige Tage nach dem Erscheinen meines Postings über Bier-Händler im MQ eine besorgte junge Dame auf mich zutritt mit einem Flyer, den MQ-Securities ihr übergeben haben.

Der Wisch kommt zur Anwendung, wenn Leute es wagen, im öffentlichen Raum Dosenbier zu trinken; es werden die neuen Verhaltensregeln für das Museumsquartier angeführt, konkret:

  1. Eigenes Bier darf nicht getrunken werden. Nur jenes, das in den Lokalen um fünf Euro ausgeschenkt wird; in Mehrweg-Bechern, die nach Sperrstunde nicht mehr übergeben werden können.
  2. Müll muss entsorgt werden.
  3. Graffitis und Schmierereien auf den Enzis, die jedes Jahr eine andere Farbe haben (sic!), sind verboten. Im Flyer wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese kriminelle Handlung mit Videoüberwachung bekämpft wird.
  4. Der Verkauf von Getränken (wie berichtet) und Zeitungen (auch der Augustin?) ist verboten – außer durch die ansässige Gastronomie.
  5. Musizieren und Abspielen von HiFi-Geräten ist verboten.
  6. Radfahren und Skaten ist verboten.

Gegen dieses Vorgehen formiert sich bereits eine Bürgerbewegung; wie in so vielen Fällen auch hier über das Social Network „Facebook“.  Die Gruppe „Freiheit im MQ“ hat inzwischen knapp 5000 Mitglieder und richtet sich gegen diverse Punkte der neuen Hausordnung; die Gruppe „Bring your own beer to Meseumsquartier“ versteift sich vor allem auf das Gerstensaft-Problem. Die Gruppen argumentieren damit, dass das MQ ein öffentlicher Platz ist, für den sie immerhin Steuern zahlen. Er gehöre dem Volk, nicht  der Gastronomie.

Zwecks Protest sind auch gleich zwei Events geplant: Ein Flashmob am 13. Juni und ein kollektives Biertrinken am 20. Juni. Für ersteres Event gibt es noch recht wenig Informationen, allerdings wird mit einem Lied von Cat Stevens geworben – hoch lebe der Geist der 68er! Für das zweitgenannte Event ist vorgesehen, dass sich die Teilnehmer ab 18 Uhr alle fünf Minuten gegenseitig zuprosten.

Als Journalist steht es mir freilich nicht zu, hier meine eigene Meinung kund zu tun. Ich weise allerdings freundlich auf die „Kommentar“-Funktion dieses Blogs hin und erkläre die Diskussion unter den Leserinnen und Lesern hiermit für eröffnet.

Zudem sehe ich die Zeit nun gekommen, auf meine frisch eröffnete Spreadshirt-Boutique hinzuweisen. Wer an einem der beiden Events teilnimmt oder auch sonst einfach nur still den eigenen Unmut zum Ausdruck bringen möchte, ist herzlich dazu eingeladen, sich folgende Produkte genauer anzusehen:

Ich wünsche viel Spaß beim Shoppen und Trinken – zu welchen Preisen auch immer 😉

Bier statt Aktien

„Du kaufst Dir eine Palett’n, säufst Dich an, machst dabei auch noch einen Gewinn – was gibt’s Geileres?“ – der junge Herr, der diese weisen Worte ausspricht, steht vor unserem Enzi im Museumsquartier, trägt eine dieser EdHardy-Kappen, Baggy-Pants und hat einen großen Rucksack mit sich, gefüllt mit kühlstem Ottakringer. Der Typ ist Unternehmer: Das 16er-Blech kauft er im Supermarkt um Cent-Beträge,lädt es in seinen Rucksack und verkauft es an die MQ-Besucher (längst nicht mehr nur Bobos, sondern inzwischen auch normale Menschen) um 1,50 €. Pro Dose macht er also gut einen Euro Gewinn. Und das Geschäft floriert: „Gestern war ich mit einer Palette da, die war schon um 10 Uhr weg; heute habe ich zwei Paletten, auch die habe ich jetzt verkauft“, sagt er. Es ist knapp 11 Uhr, er nippt an seiner Dose: „Jetzt hab ich Feierabend“.

Diesen Sommer sind die Dosen-Verkäufer verstärkt im MQ unterwegs. Mein Gesprächspartner arbeitet mit einem Freund zusammen, sie teilen sich den Gewinn. Gelernt hat er sein Handwerk von einem älteren Lehrmeister, der das Geschäft angeblich schon seit Jahren betreibt und „hier wohl irgendwo in der Gegend wohnt – das ist praktisch, dann kann er von zuhaus‘ immer kühles Bier nachholen.“ Ob die beiden wohl Konkurrenten sind, die Gefahr von Bandenkriegen besteht? „Das habe ich auch anfangs gedacht, aber der sieht das eigentlich ganz gelassen“, sagt er, schaut mich dann aber warnend an: „Komm aber ja nicht selbst auf die Idee, mir das nachzumachen!“

Was bringt die Zukunft?

Was wir schon lange geahnt haben, wird hier anhand eines Fallbeispiels nachgewiesen: Das Investment in Gerstensaft ist rentabler als riskante Aktien-Deals. Aber was sagt die MQ-Gastronomie eigentlich zu dem Thema? Noch sind die Dosen-Männer kleine Fische, die ihr Geschäft versteckt betreiben – früher oder später dürften aber mehr und mehr Besucher es reizvoller finden, sich für 1,50 € das Bier ans Enzi bringen zu lassen, statt sich für 4 € (!) selbst eins holen zu müssen. Und dann ist die Frage, wie sich die Zukunft entwickelt.

Dann besteht die Gefahr, dass im MQ verstärkt Securities eingesetzt werden, um den illegalen Bier-Handel zu unterbinden – und das geht auf Kosten der Gemütlichkeit. Wer kann sich schon gepflegt entspannen, wenn um ihn herum eine Razzia läuft?

Anderes Szenario: Die etablierte Gastronomie lässt die Dosen-Händler gewähren, es gibt eine friedliche Ko-Existenz. Dann würden schon bald weitere Branchen folgen: Es gäbe Semmel-, Snack- und Souvenir-Händler, die ihre Waren den Gästen anbieten. Das hätte dann was von Urlaub, irgendwo östlich von Istanbul. Es wäre ein Atmosphäre-Bonus, von dem auch die etablierte Gastro wieder profitieren würde.

Was die Zukunft in der Hinsicht bringen wird, werden wir sehen. Das MQ ist jedenfalls immer für einen netten Abend und eine Überraschung gut, während Bier immer Bier bleibt. Und mei Bier is ned deppat.