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Vespa

Drei gute Gründe

Schande über mich. Obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, diesen Blog regelmäßig zu pflegen, ist er die vergangenen eineinhalb Wochen allzu sehr vernachlässigt worden. Grund dafür ist – nun folgt die gefürchtete Rechtfertigung – alles andere als Faulheit. Sondern folgende Gründe:

Erstens: Während dieser Blog auf Eis gelegen ist, habe ich meinem neuen Projekt „Indische Wirtschaft“ die gebührende Aufmerksamkeit widmen können. Die Userzahlen bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Sie sind in den letzten zwei Wochen gut angestiegen; und auch das direkte Feedback von Freunden und Bekannten ist absolut positiv.

Zweitens: Die letzten Wintertage habe ich dazu verwendet, endlich an einem Filmprojekt weiter zu werken, an dem ich schon seit fast drei Jahren arbeite, das aber in den warmen Tagen des Jahres immer stagniert – wer will schon im dunklen Schneideraum sitzen, wenn draußen die Vögel singen? Endlich habe ich nun einen guten Teil des stundenlangen Rohmaterials gesichtet – in naher Zukunft (also mit Einbruch des nächsten Winters, sic!) werde ich also mit dem eigentlichen Schneideprozess beginnen. Gut Ding braucht Weile.

Drittens: Der Frühling hat begonnen, verdammt! Und aus dem Grund habe ich am Freitag Chicitita vom Frisör geholt und genieße nun wieder die traumhaften Stunden zu zweit (manchmal auch zu dritt, dann ist es besonders schön). Vespa fahren in Wien bei Schönwetter macht mordsmäßig Spaß – aber gleichzeitig Fahren und Bloggen ist leider doch ein Ding der Unmöglichkeit.

Zum Glück ist aber mittlerweile auch mein gewonnenes HP-Netbook eingetroffen. Und das bedeutet: Sollte ich innerhalb der kommenden Monate mal von der Vespa absitzen, werde ich die Pinkelpause auch gleich zum Bloggen nutzen. Dann gibt es auch wieder regelmäßige Updates auf diesem Kanal. Versprochen. Ehrlich. Hand auf’s Herz.

Wieder vereint

Endlich ist die Zeit der Trennung vorbei, und ich bin wieder vereint mit der Liebe meines Lebens… nein, keine Frau – was denken Sie denn da? Die Rede ist freilich von meiner schnuckeligen kleinen Vespa LX50, die ich nach Diskussion mit einer guten Freundin auf den Namen „Chicitita“ getauft habe – keine Ahnung mehr, wie wir damals zu dieser Entscheidung kamen.

Chicitita hatte ich im Spätsommer zu einem Totalschaden gefahren. Nach einer verregneten Nacht waren die Straßen glatt, ich selbst im Stress, und den Kopf hatte ich voll wirrer Gedanken. Innerhalb von zehn Minuten bin ich zwei Mal ausgerutscht, habe beide Seiten komplett zerkratzt, bin selbst im Krankenhaus gelandet (am selben Tag aber noch in einen Flieger nach Amsterdam gestiegen – wie es so schön heißt: Was mich nicht umbringt, macht mich nur härter).

Daraufhin habe ich Chicitita ins Krankenhaus (respektive Faber-Werkstätte) gebracht und von einem Sachverständigen meiner Versicherung begutachten lassen. Der kam doch tatsächlich zum Schluss, dass die paar Kratzer insgesamt über 80 Prozent des Wiederbeschaffungswerts ausmachen, was als „wirtschaftlicher Totalschaden“ bezeichnet wird – fortan musste ich in Bezug auf Chicitita im Gespräch mit der Versicherung immer das Wort „Wrack“ verwenden, obwohl sie noch voll und ganz fahrtauglich ist.

Blöderweise ist mir ja kurz nach dem Doppel-Unfall die Geldbörse inklusive Führerschein gestohlen worden – ich konnte meine schwerverletzte Liebe also nicht mal abholen und nach hause bringen. Nun habe ich die Dokumente zum Glück wieder alle beisammen – nach vier Wochen Pause sind wir endlich vereint, haben heute Vormittag eine Tour vom 23. über den 1. bis in den 11. Bezirk gemacht – trotz miserablen Wetters ein wundervolles Gefühl.

Und weil wir nun endlich wieder „reunited“ sind gibt es zur Feier des Tages auch das passende Video von „Faith No More“. Alles Gute Schatz. Ich hab Dich vermisst.

Holländischer Vespa-Wahnsinn

Ich weiß, ich schulde den werten Leserinnen und Lesern noch diverse Urlaubsberichte und -bilder. Mittlerweile habe ich Wien aber schon wieder verlassen, verbringe das Wochenende (beruflich) in Amsterdam – und hier ist mir eine Sache entgegen gesprungen, die ich nicht unerwähnt lassen kann: Niederländischer Vespa-Wahnsinn.

Die Holländer sind ja begeisterte Fahrrad-Fahrer, das ist allgemein bekannt. Sie haben die höchste Fahrrad-Dichte der Welt. Ich selbst hatte während meiner Erasmus-Zeit in Den Haag mehrere Fahrräder – zwei wurden mir gestohlen. Und nun, als ich Jahre nach meiner Erasmus-Erfahrung ins Tulpen-Land zurück kehre, muss ich sehen, dass Vespe die Fahrräder zunehmend verdrängen.

Aber nicht so, wie wir es aus Wien und anderen europäischen Grossstädten kennen, wo ein seltsamer, unerklärlicher Boom ausgebrochen ist (dem ich selbst ebenfalls zum Opfer gefallen bin). Nein, die Holländer machen es auf ihre eigene Art: Sie fahren häufig ohne Helm. Sie fahren auf dem Fahrradstreifen. An einem belebten Freitag abend. In der Innenstadt. Und sie hupen, wenn Fahrradfahrer die Frechheit besitzen, ihnen den Weg auf der (Fahrrad-)Fahrbahn zu versperren. Erwähnte ich bereits, dass sie keinen Helm tragen? Weder Fahrer noch Beifahrer.

Derartige Praktiken schockieren mich; und gleichzeitig bin ich wieder fasziniert von der Offenheit der Holländer für Neues. Ob sich die Wiener Verkehrsplanung von Amsterdam was abschaut, muss wer anders entscheiden. Ich jedenfalls bin jetzt gar noch vorsichtiger als zuvor, wenn ich den Fahrradstreifen überquere.

Die nette Dame aus dem Vespa-Fachgeschäft

Eigentlich wollte ich heute endlich etwas über die neuesten abgefahrenen Werbetrends aus Berlin schreiben. Aber dann hat sich doch wieder ein anderes Thema dazwischen gedrängt.

Wie Menschen aus meinem engeren Freundes- und Bekanntenkreis wissen, sind mir diese Woche am Naschmarkt beide Seitenspiegel meiner Vespa abmontiert und gestohlen worden. Finanziell ist das halb so wild, da so ein Spiegel nur rund 20 € kostet, auf Ebay ist er gar um einen niedrigen einstelligen Betrag zu haben – entsprechend ist das Handeln des Diebs  nicht nur unmnoralisch, sondern auch dumm. Er hat sich sein Karma versaut, seine Seele verkauft; und vom finanziellen Ertrag kann er sich nicht mal ein Abendessen leisten.

Ärgerlich war für mich nur die Aussicht, wieder in ein testosterongetränktes Motorradgeschäft zu gehen, um die neuen Spiegel zu kaufen.

Denn auf den meisten Webseiten, die sich um den motorisierten Zweiradsport drehen, geht es um dicke Brummer, meist präsentiert in Kombination mit exzessiver Darstellung sekundärer weiblicher Geschlechtsmerkmale. Vespa-Fans, die einen Hang zu Nostalgie und schmuckem Design haben, urbane Freizeitintellektuelle wie meine Wenigkeit, schreckt so was ab. Ich brauchte was anderes und erinnerte mich wieder an den Laden „Filipo Vespa“ auf der Nussdorfer Straße, den ich mal im Vorbeigehen entdeckt habe – ein Vespa-Fachgeschäft. Verunsichert war ich aber durch die Tatsache, dass der Laden keine schmucke Website hat – würde ich auch hier statt intellektuellen Cosmopoliten auf schmierige Automechaniker stoßen, die an jeder Wand drei PinUp-Kalender hängen haben?

Weit gefehlt: Als ich den Laden heute morgen betrat, fand ich in dem kleinen Raum zuerst Leere. Bis aus dem hinteren Teil des Geschäfts eine ältere Dame mit grauem Haar hervor trat – schätzungsweise ist sie schon in den wilden 50er-Jahren auf Vespe durch die Landschaft gedüst.

„Ich brauche zwei Spiegel“, sage ich, „links und rechts. Sind mir beide gestohlen worden.“ Die Dame versteht, sagt: „Da muss ich mal schauen, was wir noch haben; Montag geht das dann alles wieder schneller.“ Sie verschwindet wieder im hinteren Teil des Ladens, kramt in Kisten: „Ich hab vier linke… wo ist denn der rechte… ach, da…“. Langsamkeit ist hier Programm; und ich finde es irgendwie super. Keine elektronische Lagerverwaltung, kein Heckmeck, keine PinUps – stattdessen lächelt sie stolz, als sie mir die beiden Spiegel hin legt.

Bankomat-Zahlung gibt es keine. Und auch keinen Computer. Dass sie einen rechten Spiegel nachbestellen muss, schreibt sie per Hand auf einen Zettel. Zwei Zettel hat sie schon da liegen mit Dingen, die im Lager fehlen. „Ich könnte das mit Computern machen, aber ich will nicht“, sagt sie: „Früher hätte ich ja ein Fax geschickt, aber das geht auch nimma so gut wie früher.“ Sie entschuldigt sich freundlich für das Durcheinander: „Montag ist der Gerhard wieder da; der macht das normalerweise. Ich mache hauptsächlich die Buchhaltung.“

Ich kenne Gerhard noch nicht, aber ich freue mich auf ihn. In einer Welt, in der der Handel von Ketten und Konzernen dominiert wird, kehre ich gerne zurück in ein Mini-Universum, in dem Freundlichkeit und Menschlichkeit mehr zählen als IT-gesteuerte Effizienz-Maximierung.

Das Geschäft habe ich mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen.