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Probefahrt: Die Metro von Bangalore

Jahrelang haben die Bangalorianer auf sie gewartet. Es gab Skandale und Verschiebungen, und Viele hatten die Hoffnung auf eine Eröffnung schon aufgegeben: Die Rede ist von der Metro, dessen Gleise die MG-Road – das Zentrum der Stadt – überragen. Und nun ist es doch passiert: Am Donnerstag wurde sie feierlich eingeweiht, soll mit WLAN und NFC ausgestattet sein und schaut irgendwie japanisch aus.

Klar konnte ich es mir nicht entgehen lassen, auch mit dem neuen Gefährt zu fahren – und mit diesem Vorhaben war ich nicht alleine: Am Sonntag drängten sich die Menschen an den Stationen, die Schlange am Ticket-Schalter bei der Endstation MG Road war zig Meter lang. Zum Glück kam ich aus der anderen Richtung, doch auch bei der Station „Indiranagar“ ging es zu wie in einem Ameisenhaufen: Einmal das Ticket gekauft (12 Rupees für eine Fahrt), bekommt man einen Plastik-Chip in die Hand. Dieser wird nochmals kontrolliert, und man passiert eine Sicherheitskontrolle. Da es nur zwei Gleise gibt, findet man sich schnell zurecht und findet sich schon bald am richtigen Ort wieder – dort, am Gleis, drängen sich dann etliche Familien, um „Metro-Tourismus“ zu betreiben. Viele von ihnen sind aus Vororten oder gar aus anderen Städten angereist, um das Wunder der Technik zu begutachten, machen Fotos, posieren für das Erinnerungsfoto.

Doch die Freude wird getrübt: Securities marschieren an den Fahrgästen vorbei, blasen hektisch in ihre Trillerpfeifen: Fotos sind hier nämlich verboten. „Wirklich?“, frage ich einen neben mir stehenden junden Inder. „Nur mit dem Fotoapparat, mit Handys darf man Fotos machen“, sagt er grinsend. Andre Fahrgäste wiederum werden ermahnt, weil sie den Gleisen zu nahe kommen – jeder möchte halt möglichst weit vorne stehen, wenn das Wunder der Technik in den Bahnhof einfährt. Und das nicht nur aus Sensationslust.

Erinnern Sie sich an diese Bilder aus Tokio? Von Pendlern, die sich in einen vollen Zug quetschen? Ähnlich sah das gestern in der Bangalore-Metro aus – und wer weit genug vorne stand, hatte eine Chance, gemeinsam mit seinen Mitreisenden einzusteigen. Andere wiederum hatten weniger Glück; und Familien wurden auseinander gerissen, als Securities und schließende Türen dazwischen funkten. in der Metro war es entsprechend bummvoll; und ich fingerte mein Handy aus der Tasche, um das WLAN zu suchen: Fehlanzeige.

Nun bietet dies natürlich wieder Anlass zu Süffisanz und Sarkasmus: Massenauflauf, Lärm und dann auch noch ein USP, der gar nicht vorhanden ist. Aber gerade als ich darüber brütete, wie ich mich wohl am Besten über die Fehler lustig machen konnte, stieg eine Familie zu – und ich sah ein kleines Mädchen, das vor Freude schrie, weil es die Stadt von oben sehen konnte, wie der Verkehr so unter uns daher rauschte – wir mit diesem neuen Gefährt weit über den Autofahrern, die die Stadt verpesten. Und dann bekam ich feuchte Augen und dachte mir: Schön. Schön, dass ich an so einem historischen Moment teilhaben kann. An die erste Woche eines Projekts, das diese Stadt ein bisschen besser macht.

Lästern ist da wirklich nicht angebracht.

Frösche und Freaks

Die Hunde sind sehr gutgläubig. Sie schlafen auf der Straße oder schauen eine auf sie zu fahrende Rikscha mit wedelndem Schwanz erwartend an, weil sie wissen, dass der Fahrer ohnehin in letzter Minute ausweichen wird. Schade nur, dass Züge dazu eine deutlich geringere Wendefähigkeit besitzen. Und so sprang der Hund auf einem Bahngleis irgendwo westlich von Hospet hin und her, während sich der Koloss aus Stahl näherte. Erst wenige Meter vor dem möglichen Zusammenprall bemerkte das Tier die Fatalität seiner Situation und versuchte, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen – leider zu spät, wie ein dumpfer Knall verkündete.

So begann meine Reise nach Hampi, auf der ich mich über drei Tage vom bangalore’schen Großstadtstress erholen wollte. Aus der Laune bringen ließ ich mich dennoch nicht. Man lernt in Indien sehr bald eine gewisse Schicksalsergebenheit: Dinge passieren; und mit der Situation muss man irgendwie klar kommen. Ändern kann man nur in den seltensten Fällen etwas.

Angekommen in Hampi fand ich auch das, wonach ich mich gesehnt habe: Ruhe. Kaum Straßenlärm. Vor allem Natur. Und weil ich das volle Programm fahren wollte, habe ich mich sogar nicht mal in Hampi selbst einquartiert, sondern auf der anderen Seite Flusses – dort ist es sogar noch viel ruhiger, aber dafür muss man mit dem Boot täglich um 15 Rupien (25 Cent) über das Gewässer fahren. Der Anlegesteg sieht so aus:

Das rote Ding ist eine Bierkiste, auf die man tritt, um ins Boot zu steigen; davor macht man sich die Füße nass – was aber halb so wild ist, weil man davor durch den Gatsch spaziert ist und somit eine Reinigung willkommen heißt.

Mein Zimmer hat 200 Rupien (3,30 €) pro Nacht gekostet. Inklusive chilligem Restaurant mit lustigem Wirt, Hippie-Gästen aus Israel, einer kalten Dusche, einem Moskitonetz und der härtesten Matratze, auf der ich je geschlafen habe. Und Fred, mein Zimmergenosse. Hier ist ein Foto von ihm:

Manche Menschen mögen Frösche im Zimmer ja eklig finden. Aber ich hatte Fred gerne dabei; denn er hat in der Nacht die Moskitos gefangen – zumindest dann, wenn er nicht damit beschäftigt war, panisch vor mir weg zu hoppeln.

Unglück kommt selten allein

So weit, so gut. Nachdem ich mich also am zweiten Tag meines Kurzurlaubs die alten Tempel und Paläste von Hampi angesehen hatte (wegen der eigentlich die meisten Touristen nach Hampi kommen), wollte ich nach einem erfüllten Tag wieder zurück in mein Hotel. Blöde Sache aber: Der Fluss war zu hoch, und somit wollte der Fährmann nicht mehr übersetzen. Auch die sanfte Zusprache meines Masseurs (woher ich den kenne, das ist eine andere Geschichte) hat wenig geholfen. Dafür baten nun etliche Rikscha-Fahrer an, mich um 800 Rupien über eine weit entfernte Brücke auf die andere Seite zu bringen. Nach längerer Verhandlung hatte ich einen Zeitgenossen auf 550 Rupien runter gehandelt.

Also: Los.

Der Weg führte uns durch Dörfer, in denen kein einziger Tourist zu sehen war, und über holprige Landstraßen mit schlechter Federung – wer mich besser kennt, der weiß, warum mich das beunruhigte. Übler war noch, dass es bald dunkel wurde und der Fahrer Probleme hatte, die einzelnen intakten Straßenstücke zwischen den Schlaglöchern auszumachen. „Viel schlimmer kann es nicht werden“, dachte ich mir. Falsch.

Denn als wir gerade in das nächste Dorf einfuhren, fing es heftig an zu regnen, so dass der Fahrer tatsächlich nichts mehr sah. Irgendwann schaute er auf die rechte Seite seiner Rikscha und fügte hinzu: „Ich glaube, mein Reifen ist geplatzt, vor nur drei Minuten“. Als er kurz darauf feststellte, dass er nicht mal das passende Werkzeug besitzt, fuhr er mit dem Platten zu einem Laden im Dorf.

Dort wechselte er den Reifen, im strömenden Regen. Und da er keinen Wagenheber hatte, ga es echtes Jugaad: Mit purer Muskelkraft hob er eine Seite der Rikscha an, während ein Junge aus dem Dorf das kaputte Rad eilig als Stütze unter des Fahrzeug schob. Anschließend wechselten sie rasch das Rad, und wir fuhren weiter.

Nach zwei Stunden Reisezeit waren wir angekommen. Und ich hatte eine Geschichte, die ich den Israelis erzählen konnte.

…und trotzdem ist alles gut.

Denn auch wenn ich nun ein paar Geschichten erzählt habe, die auf Europäer schockierend oder abstoßend wirken könnten: Es kommt trotzdem in Indien immer alles verstärkt positiv zurück. Der dritte Tag war nämlich einfach nur schön: Lange frühstücken, mit dem Masseur vor seinem Laden sitzen und einen Chai trinken, Trommeln mit ein paar Kanadiern. Und das allerwichtigste: Zurückkommen nach Bangalore. Denn nun sehe ich diese Großstadt mit anderen Augen – nicht nur als einen chaotischen Moloch, sondern auch als eine Insel des modernen Lebens. Mit richtigen Straßen, und ohne Frösche im Schlafzimmer.