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Orang-Utans

Facebook als Minenfeld

Das sieht doch alles so einfach aus: Die Firma macht sich einen Twitter-Account, einen Blog und eine Facebook-Seite; denn da sind die vielen jungen Leute unterwegs, die seltsamerweise aus den alten Medien abgewandert waren. Schwuppsiduppsi haben wir dann auch ganz flott wieder Kunden, haben sich die Chefs wohl gedacht – und eine Facebook-Seite wird wohl nicht anders handzuhaben sein als eine Plakatwand: Da klatscht man seine Werbetexte drauf und ein paar Produktbilder; und wer dann die meisten Fans hat, der hat gewonnen.

Der Blog muss ebenso wenig gesondert bearbeitet werden, denken sich viele – da reicht es wohl, wenn man mit der Tastenkombination „Strg-C; Strg-V“ verwendet, um die aktuellen PR-Texte auszubreiten; den Unterschied wird wohl keiner bemerken… Und Twitter? Da reicht es etwa nicht, bloß einen Account zu haben? Wie bitte, da muss man auch was rein schreiben? Oh je, das könnte in Arbeit ausarten.

Und dann sind sie aufgewacht. Als der Traum von den Neuen Medien zum Albtraum wurde.

Besser geht es derzeit wohl noch jenen Unternehmen, die das Glück hatten, aus dem Debakel mit Null auszusteigen. Auf YouTube liegen en masse virale Videos rum, deren Views im einstelligen Bereich liegen. Kein Schwein interessiert sich dafür. Und warum bitte sollte ich auf Facebook Fan meines Weischspülers werden? Nichts liegt mir ferner.

Andere wiederum treten so richtig ins Fettnäpfchen (das WirtschaftsBlatt berichtete). Nestlé zum Beispiel. Deren Facebook-Account wird seit Wochen torpediert mit Anschuldigungen, Nestlé würde den Regenwald zerstören und damit den herzigen Orang-Utans den Lebensraum weg nehmen. Greenpeace unterstützt den Protest mit viralen Videos.

Okay, halb so wild. Das ist ja nur das Web, nicht wahr? Wen kümmert es schon, wenn ein paar Menschen aus dem gemeinen Volk rabiat werden? Ist ja nur virtuell.

Falsch gedacht.

Denn als User-Kommentare gelöscht und Videos von YouTube entfernt wurden (mit der Begründung der Markenrechtsverletzung) ging das der Web-Community unter dem Stichwort „freie Meinungsäußerung“ sehr nahe. Entsprechend kam es zu Reaktionen in der Blogosphäre. Und dummerweise ist mit dem Begriff der „freien Meinungsäußerung“ ein anderer Ausdruck verwandt: „Pressefreiheit“ – und dieser liegt uns Journalisten sehr am Herzen.

Der GAU tritt ein, wenn eine solche Geschichte dann in die „echte“ Medienwelt überschwappt – wenn sie plötzlich auf Papier gedruckt erscheint und Journalisten anrufen, um sich zu erkundigen, was denn nun passiere. Dann ist der Image-Schaden nicht mehr auszubessern. Und in den letrzten Tagen hörte ich von so manchem, er würde sich ab jetzt kein Kitkat mehr kaufen.

Was kann in solchen Situationen getan werden? Eigentlich nicht mehr viel, außer Schadensbegrenzung. Und aus den Fehlern lernen, also: In Zukunft die Kanäle ernst nehmen, anständig verwalten. Dafür wäre es auch angebracht, neue Mitarbeiter einzustellen. Junge, talentierte Mitarbeiter. Digital Natives also, die Erfahrungen in den Netzwerken haben. Und bloggen, statt Pressetexte hin und her zu kopieren. Menschen, die fit genug sind, mit der Community auf Augenhöhe kommunizieren zu können. Solche Menschen gibt es am Arbeitsmarkt genug, man kann sie sich aussuchen.

Und letztenendes wäre da noch eins: Ratsam ist, eventuell die eigene Strategie in Sachen Indonesien, Urwald und Orang-Utans zu überdenken. Denn Gutes zu tun ist eventuell die Bedingung dafür, für gut befunden zu werden. Das sei hier mal nur so am Rand erwähnt.