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sudo statt sudern

Bekanntermaßen bin ich seit einigen Monaten stolzer Besitzer des Mini-Computers „Raspberry Pi„, der aktuell in unserem Haushalt als wundervoller Wohnzimmer-PC fungiert. Er hat für mich gleich einen doppelten Nutzen; denn erstens lassen sich mit dem kleinen Gerät problemlos Filme und Musik an Beamer und Hi-Fi-Anlage übertragen, zweitens eröffnet sich mir ein vollkommen neues Universum: Endlich lerne ich die fabulose Welt der Linux-Pinguine kennen.

Diese Linux-Welt, die ist wirklich toll. Denn wer sich in ihr zurecht findet, der kann den Computer endgültig seinem eigenen menschlichen Willen unterwerfen – doch obacht: Nicht Jeder beherrscht die richtigen Befehle, um sich in diesem freien System grenzenlos bewegen zu können. Ich selbst konnte mich zu Beginn gegenüber dem Computer nicht durchsetzen, weil es mir keine Rechte einräumen wollte. Doch dieses Hindernis lernte ich schnell zu überwinden, indem ich mir das mächtige Zauberwort „sudo“ aneignete.

„sudo“, das bedeutet in Linux-Sprache so etwas wie: „He, Computer, jetzt hör mir mal zu: Ich bin der Chef. Und Du musst machen, was ich Dir jetzt befehle“. Sudo, ja, das ist quasi das „Simon says“ der Linux-Welt. Das gefiel mir – und weil ich Alliterationen so mag, schoss mir sehr schnell ein passender Slogan in den Kopf.

Sudo statt sudern“ dachte ich mir – denn sudern, das sei den Nicht-Wienern hier erklärt, ist eine typisch wienerische Eigenschaft: Man beschwert sich, und zwar permanent – aber ja nicht zu laut, denn sonst könnte das Subjekt, auf das sich die Suderei bezieht, ja im schlimmsten Fall noch etwas an der Situation ändern; und dann müsste man sich ein neues Subjekt zum Sudern suchen. Und das wäre zaach.

Sudo, so denke ich mir, ist die absolute Alternative zum Sudern: Lieber Linux lobpreisen statt sich mit Windows wurmen oder über den Mac zu meckern. Ganz klar; wer auf den Pinguin vertraut, der muss nicht sudern, wurmen, meckern oder granteln.

„Ha!“, sagt daraufhin die fabulose Frau R., ihres Zeichens Telematikerin, als wir gemeinsam bei einem Bier zusammen sitzen: „Eigentlich ist das ja schon richtig philosophisch!“ Denn es liege ja in der Natur des Suderns, dass man im Fatalismus faulenzt und sich über die Obrigkeiten am Stammtisch beschwert – während sudo eine positive Aufbruchstimmung ausdrückt: Nämlich selbstbestimmt handeln, Chef des eigenen Lebens sein und die Angelegenheiten in die Hand nehmen. Sudo, das ist eine Lebenseinstellung, in der man Herr über sich selbst ist. Das ultimative Credo der Selbermach-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts also.

Und weil ich selbst nicht nur Sudist, sondern auch Kapitalist bin, habe ich gleich ein T-Shirt gestaltet, das man unter folgendem Link bestellen kann:

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Das Bier floss im Lauf des Abends weiter, und der sudo-Schmäh verselbständigte sich. So wies der Weggelegter der Frau R. etwa darauf hin, dass man bei der Bestellung eines Sandwichs nicht „Make me a sandwich“ sagen solle, sondern freilich „sudo make me a sandwich„; und die Frau H. erfand mit „sudo schmusen“ den ultimativen Schmäh für ein Aufreißer-Shirt. Am Ende des Abends verabschiedete ich mich schließlich mit einem fröhlichen „sudo schönen Abend noch“ und tippte am nächsten Morgen schlaftrunken „sudo apt-get install coffee“ in die Kommmandozeile meines Raspberry Pi – leider ohne den gewünschten Effekt.

Die Produkte gibt es nun jedenfalls in meinem neu eröffneten Spreadshirt-Shop zu kaufen. Was mich zu den abschließenden Worten führt: „sudo apt-get install Geldausgeben“; oder einfach nur „sudo shoppen“ – denn wen ich als erstes mit einem solchen T-Shirt in der Öffentlichkeit sehe, der kriegt von mir ein Bier spendiert.

Wenn Programme Menschen wären – wie sähen sie aus?

Identifiziere dich, Programm!“-wohl kaum einer wird behaupten, dass der aktuell in den Kinos laufende Film „TRON: Legacy“ durch geistreiche Dialoge punktet. Ob hektische Special Effects und wummernde Bässe der Kultband Daft Punk den Mangel an Story wettmachen, darüber lässt sich streiten. Absurd ist jedenfalls überhaupt der Gedanke, dass Computerprogramme einen Charakter haben können. Oh Schreck: Wie sähe denn aktuelle Software aus, wenn sie menschlich wäre?

Blicken wir vorerst mal auf die Betriebssysteme. Da wäre zunächst mal Windows, der klassische“ Adabei“: Keine Party ohne ihn, jeder kennt ihn; und somit hat er Freunde ebenso wie Feinde-ist ja auch kein Wunder, da er ja ständig verspricht, sich anzupassen und für jeden da zu sein, dann Mist baut und kurz darauf versichert, sich in naher Zukunft zu bessern. Wer mit Windows auf einer Ebene steht-also Mister Mac OS und Lady Linux-,kommt mit Windows eher nicht aus. Mister Mac ist nämlich der schick gekleidete Snob, der sich exklusiv gibt. Ein bisschen arrogant ist er, aber dazu hat er ja auch einen Grund: Im Gegensatz zu Windows bleibt er selten irgendwo hängen, ist im Gegensatz zum Microsofty aber deutlich härter, wenn es um Flexibilität geht: An sich rumschrauben lässt Mister Mac nicht!

Lady Linux hingegen ist beim ersten Kennenlernen etwas schwerer zugänglich, deswegen hat sie nicht allzu viele Freunde. Wer sich an den Umgang mit ihr aber erst mal gewöhnt hat, findet eine offene Gefährtin fürs Leben, die für ihre Nettigkeit nicht mal eine Gegenleistung verlangt-im Gegensatz zu Mac und Windows übrigens, die eigentlich nur unser Geld wollen.

Natürlich bringen die drei auch allerlei Freunde mit. Da wäre etwa Excel, der spießige Arbeitskollege: Zahlen sind sein Leben, und pedantisch kontrolliert er beim gemeinsamen Geschäftsessen jede Rechnung. Sein bester Freund heißt Word-gemeinsam haben sie schon so manches Projekt durchgezogen, und Excel hat Word auch öfters schon mal seine Zahlen als Bild dargestellt, damit dieser sie auch versteht und in seine Reports integrieren kann; dennoch wissen sie, dass ihre Kompetenzen so fern auseinanderliegen wie die beiden menschlichen Hirnhälften-sie sind ein ungleiches Paar.

Photoshop ist hingegen der Mensch, den jede Agentur und jedes Medienunternehmen kennt: Der Grafiker. Da gleich und gleich sich gerne gesellen, ist Photoshop mit Corel Draw verheiratet-die weibliche Rolle schreiben wir hier mal Draw zu, da der Name leicht an den Vornamen“ Carol“ erinnert.

Beide übrigens haben ein Kind: Ein kleines Mädchen namens Paint. Im Gegensatz zu den Werken der Eltern sind ihre Zeichnungen noch recht krakelig, aber dafür ist sie immer gerne in Gesellschaft von Onkel Windows, der die Kleine auf jede Party mitnimmt-auch wenn erwachsene Programme ihr Talent eher milde belächeln.

Aus Gründen der Effizienzmaximierung erschien dieser Beitrag auch in Stefan Meys wöchentlicher Kolumne im „WirtschaftsBlatt Investor“.