Begegnung in der Bank
Heute stand er wieder mal an: Mein Gang zur Bank. Als eher kreativ denkender Mensch beschäftige ich mich ungern mit Konto-Angelegenheiten, aber manchmal muss es halt einfach sein – auch Journalisten müssen schließlich von etwas leben; und ein guter Überblick über den Verlauf der eigenen Finanzen hilft dabei, gelegentlich auch mal etwas Geld auf die Seite legen zu können. Für die eigene Wohnung und so.
Aber leider: Selbst gut zureden hilft da wenig. Auch diesmal siegte die Prokrastination. Bevor ich mich auf den Weg zur Bankfiliale meines Vertrauens machte, frühstückte ich genüsslich, schaute mir zu Recherchezwecken eine Reportage an, räumte auf und facebookte vor mich hin – und dann war es auch schon halb drei. Ach herrje: Flott alles zusammen gepackt, was ich brauchte, und auf zur Bank – die sollte ja in einer halben Stunde schon Sperrstunde haben.
Dort angekommen, klage ich dem Berater mein Leid: Gerne hätte ich ein zweites Konto, von dem ich mir als Selbständiger selbst mein Gehalt zahlen kann. Denn so könne ich erstens meine Finanzen besser im Auge behalten und zweitens sei dann auch alles viel transparenter in Sachen Steuern, SVA und so – denn dem Finanzamt möchte ich ja entgegen kommen, man möchte ja transparent sein, man möchte ja helfen, man möchte ja keine Fehler machen, man will – ja, aber wirklich! – keinen Ärger mit dem Stiefvater Staat haben.
„Das kostet aber“, sagt mein Betreuer. Circa 15 Euro im Quartal. Also der Ausmaß eines Hamburgers mit Bier. Ich zögere. Bin ich bereit, das zu zahlen? Die Zeiten sind hart, gewiss. Doch vielleicht muss man gerade in solch harten Zeiten investieren, die nötige Transparenz schaffen, um dann nach der Krise gestärkt hevor zu treten, sagen zu können: HA! Ja! Ich habe damals diese 15 Euro pro Quartal investiert, bei Burger und Bier gespart und – zack! – nun habe ich den Überblick über meine Finanzen; und der Steuerprüfer ist obendrein stolz auf mich, weil ich so transparent und so leicht zu prüfen bin. Win-Win pur, denke ich mir: Ich kenn mich mit meinen Finanzen besser aus, der Prüfer ist glücklich und der Steuerzahler muss weniger für meine Überprüfung zahlen.
Ich hole nochmal tief Luft: Gut. Machen wir.
„Das war eine gute Entscheidung“, sagt der Herr Berater. Das denke ich mir auch. Und dann schaue ich auf die Uhr: Hoppla, schon zwanzig nach drei! Unangenehm ist mir das, dass ich die Zeit meines Betreuers über die Öffnungszeiten hinaus strapaziert habe. So wichtig es auch war. Für mich, freilich – und auch für Österreich. Also raffe ich meine Sachen zusammen, mache mich ergeben Richtung Ausgang auf. „Geh, und lassen Sie den Herrn, der draußen vor der Tür steht bitte noch rein“, ruft mir mein Betreuer nach.
Tja, und da stand er dann: Karl-Heinz, KHG. Der Grasser. Höchstpersönlich. Direkt vor mir.
Gegrüßt hat er freilich nicht.
Aber ich denke seit dieser Begegnung über die Anekdote nach. Ob er, der erst nach der Sperrstunde die Räumlichkeiten betrat, wohl auch ein Konto eröffnet hat? Und mit dem gleichen Gedanken wie ich? Transparenz? Ob ihn das Thema Kontoführungsgebühren beschäftigt? Wohl eher nicht. Ich jedenfalls fühle mich seit dieser Begegnung ganz schön klein und unwichtig mit meinen Problemen. Und freue mich gleichzeitig darauf, heute Abend meinen wohlverdienten Burger mit Bier essen zu können. Mit einem Freund. In einer Kneipe. Und ohne viel Tamtam um meine Person. Unwichtig sein ist toll.