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IT

CeBIT (1): Netter Wochenstart

Alle Jahre wieder: Auch in diesem Jahr hänge ich wieder auf der CeBIT rum. Allgemeiner Tenor vor der Messe: Alles geht zu Grunde, vor allem die Messe selbst, weil Jahr für Jahr weniger Aussteller herkommen. Außerdem freuen sich alle auf neue 3D-Produkte für den Heimanwender-Bereich und auf USB 3.0, das viel, viel schneller sein soll als USB 2.0.

Mein Eindruck, nachdem ich schon am Aufbautag der Messe angereist bin: Die paar Aussteller mehr oder weniger machen nicht wirklich einen Unterschied; größer als jede andere auf dem Messegelände Wien abgehaltene Veranstaltung ist die größte IT-Messe der Welt allemal. Und was das 3D angeht: Eher nettäuschend. Hab einen Gaming-Bildschirm heute am Stand von LG getestet und alles nur in 2D gesehen. Öd. Und USB 3.0 hab ich noch gar keins gefunden.

Dafür habe ich mit einem netten Menschen von Adva geredet. Adva kannte ich vorher gar nicht, was nicht verwunderlich ist, denn Adva hat keinen Endkunden-Kontakt, sondern liefert Glasfaserkabel im B2B-Bereich. Mit Blick über die Stadt haben wir uns bei einer Tasser über Nullen und Einsen (denn darum geht es ja bei IT wirklich: Nullen und Einsen) unterhalten. War ein recht netter Start in die Woche.

So, das sei mal nur als kurzes Update gesagt. Jetzt muss ich schon wieder los, der nächste Termin ruft. Updates gibt es dann wieder morgen. Adieu.

Die nette Dame aus dem Vespa-Fachgeschäft

Eigentlich wollte ich heute endlich etwas über die neuesten abgefahrenen Werbetrends aus Berlin schreiben. Aber dann hat sich doch wieder ein anderes Thema dazwischen gedrängt.

Wie Menschen aus meinem engeren Freundes- und Bekanntenkreis wissen, sind mir diese Woche am Naschmarkt beide Seitenspiegel meiner Vespa abmontiert und gestohlen worden. Finanziell ist das halb so wild, da so ein Spiegel nur rund 20 € kostet, auf Ebay ist er gar um einen niedrigen einstelligen Betrag zu haben – entsprechend ist das Handeln des Diebs  nicht nur unmnoralisch, sondern auch dumm. Er hat sich sein Karma versaut, seine Seele verkauft; und vom finanziellen Ertrag kann er sich nicht mal ein Abendessen leisten.

Ärgerlich war für mich nur die Aussicht, wieder in ein testosterongetränktes Motorradgeschäft zu gehen, um die neuen Spiegel zu kaufen.

Denn auf den meisten Webseiten, die sich um den motorisierten Zweiradsport drehen, geht es um dicke Brummer, meist präsentiert in Kombination mit exzessiver Darstellung sekundärer weiblicher Geschlechtsmerkmale. Vespa-Fans, die einen Hang zu Nostalgie und schmuckem Design haben, urbane Freizeitintellektuelle wie meine Wenigkeit, schreckt so was ab. Ich brauchte was anderes und erinnerte mich wieder an den Laden „Filipo Vespa“ auf der Nussdorfer Straße, den ich mal im Vorbeigehen entdeckt habe – ein Vespa-Fachgeschäft. Verunsichert war ich aber durch die Tatsache, dass der Laden keine schmucke Website hat – würde ich auch hier statt intellektuellen Cosmopoliten auf schmierige Automechaniker stoßen, die an jeder Wand drei PinUp-Kalender hängen haben?

Weit gefehlt: Als ich den Laden heute morgen betrat, fand ich in dem kleinen Raum zuerst Leere. Bis aus dem hinteren Teil des Geschäfts eine ältere Dame mit grauem Haar hervor trat – schätzungsweise ist sie schon in den wilden 50er-Jahren auf Vespe durch die Landschaft gedüst.

„Ich brauche zwei Spiegel“, sage ich, „links und rechts. Sind mir beide gestohlen worden.“ Die Dame versteht, sagt: „Da muss ich mal schauen, was wir noch haben; Montag geht das dann alles wieder schneller.“ Sie verschwindet wieder im hinteren Teil des Ladens, kramt in Kisten: „Ich hab vier linke… wo ist denn der rechte… ach, da…“. Langsamkeit ist hier Programm; und ich finde es irgendwie super. Keine elektronische Lagerverwaltung, kein Heckmeck, keine PinUps – stattdessen lächelt sie stolz, als sie mir die beiden Spiegel hin legt.

Bankomat-Zahlung gibt es keine. Und auch keinen Computer. Dass sie einen rechten Spiegel nachbestellen muss, schreibt sie per Hand auf einen Zettel. Zwei Zettel hat sie schon da liegen mit Dingen, die im Lager fehlen. „Ich könnte das mit Computern machen, aber ich will nicht“, sagt sie: „Früher hätte ich ja ein Fax geschickt, aber das geht auch nimma so gut wie früher.“ Sie entschuldigt sich freundlich für das Durcheinander: „Montag ist der Gerhard wieder da; der macht das normalerweise. Ich mache hauptsächlich die Buchhaltung.“

Ich kenne Gerhard noch nicht, aber ich freue mich auf ihn. In einer Welt, in der der Handel von Ketten und Konzernen dominiert wird, kehre ich gerne zurück in ein Mini-Universum, in dem Freundlichkeit und Menschlichkeit mehr zählen als IT-gesteuerte Effizienz-Maximierung.

Das Geschäft habe ich mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen.

Menschen sind die besseren Avatare

Glühende Verfechter von Videokonferenzen würden solche Systeme wohl am liebsten an jeder Straßenecke implementieren. So erzählt Werner Strasser, Geschäftsführer von PolyCom-Strasser, von einer Lösung, bei der Videokonferenzen zur psychiatrischen Behandlung eingesetzt werden: Der Arzt sitzt in der Klinik, der Kunde zu Hause – verbunden sind sie über eine Datenleitung; ob das Gespräch mit einem Computerbildschirm einem psychisch labilen Menschen die Aussprache unter vier Augen ersetzen kann, soll jeder selbst beurteilen.

Auf offene Arme dürfte aber das Konzept einer niederländischen Bank stoßen, bei der der Kunde nicht mehr direkt mit dem Bankberater spricht, sondern sich in eine Kammer mit Bildschirm setzt. Dort wird er per Video mit einem Experten verbunden. Warum funktioniert das? Vielleicht, weil Gespräche mit Bankberatern derzeit eher eine unangenehme Sache sind – und die Glasfaser-Leitung die nötige Distanz schafft. Videokonferenzen dürften sich also dort durchsetzen, wo sich Privatpersonen ungern hinbegeben. Für öffentliche Ämter besteht viel Potenzial – oder stehen Sie gerne am Finanzamt Schlange? Natürlich dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit gemacht werden: Bevor sich elektronische Buchung von Flügen durchsetzte, machten die Anbieter von Last-Minute-Angeboten erste Gehversuche mit Avataren, die die Sympathiewerte der Microsoft Office-Briefklammer hatten und ebenso wenig behilflich waren. Nein, es braucht echte Menschen.

Kassa, bitte!

Die Menschen dürfen nicht aalglatt wie die Avatare sein, sie müssen die Authentizität unserer Ämter beibehalten: Mit abwertenden Blicken, langen Wartezeiten beim Seitenaufbau und Sprüchen wie „Ich mach‘ gleich Mittagspause!“ oder „Dafür bin ich nicht zuständig!“. Wer weiß, vielleicht setzt sich dieser Gedanke auch beim Online-Shopping durch – wäre skurril, wenn ich bei Amazon „Kassa, bitte!“ brüllen muss, bevor ich meine Kreditkarten-Daten hinterlasse.

Aus Gründen der Effizienz-Maximierung ist dieser Beitrag auch im Wirtschaftsblatt erschienen.