Zum Inhalt springen

Innovation

Disco Brunch: Da steppt der Bär.

Disco Brunch: Eine Mischung, die nicht funktioniert

Disco Brunch: Da steppt der Bär.
Disco Brunch: Da steppt der Bär.

Innovationen entstehen oft dadurch, dass Dinge miteinander kombiniert werden, die sich in freier Wildbahn niemals begegnet wären; auf diese Weise wurde die Welt etwa durch Wasabi-Käse, Pizza mit Apfelspalten und den Liger – eine Kreuzung zwischen Löwe und Tiger – bereichert. Der neuste Coup dieser Art macht nun in Wien die Runde und heißt „Disco Brunch“: Wie der Name vermuten lässt, treffen sich die Gäste hier am Sonntag Vormittag zum Brunch – angereichert durch Musik, die theoretisch tanzbar wäre. Geht diese Rechnung auf? Bei einem Disco Brunch im Rochus habe ich mir davon mal ein Bild gemacht.

Recht happig erscheint gleich beim Betreten des Lokals der Eintrittspreis von 20 Euro – um diesen Schock zu übertünchen, bekommt der Gast gleich ein Glas Sekt in die Hand gedrückt. Anschließend geht es zum Tisch, an dem Platz genommen wird – der Alkohol mag zwar Disco-Stil sein, der feste Sitzplatz ist es weniger. Um 11 Uhr herrscht auch noch gähnende Leere im Lokal – vergleichbar wohl mit einem Besuch im U4 um 8 Uhr abends, denke ich mir tröstend, doch die Situation bessert sich nicht merklich: Irgendwann fängt tatsächlich ein DJ an, Musik aufzulegen, doch zum Tanzen wird kaum jemand animiert. Viel mehr hat der laute Techno den Effekt, dass gemütlich Sonntagsgespräche – die Kernfunktion eines klassischen Brunchs – an ihre akustischen Grenzen stoßen.

Kein Tanzen also, dafür Lärmbelästigung. Der Disco-Effekt ist also gescheitert.

Dies würde man noch verzeihen können, wenn es um die genannten 20 Euro wenigstens ein ausgiebiges Brunch gegeben hätte – selbiges war aber an Phatasielosigkeit nicht zu übertreffen: Ein paar Semmeln, Käse, Wurst, Ham&Eggs und ein paar Würstl. Und ein bisschen Lachs, der aber nur spärlich vorhanden war und vom Personal nur zögerlich nachgefüllt wurde. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass die Mitarbeiter angespannt waren – für meine mehrmalige Bitte nach einem simplen Glas Leitungswasser erntete ich genervte Blicke. Dies ist zwar kein Fehler des Disco Brunch-Konzepts, trug aber allgemein zur nicht gerade positiven Stimmung bei.

In Summe stellt sich somit die Frage, was mit dem neuen Trend namens Disco Brunch passieren soll. Ist er schon zum Scheitern verurteilt, noch bevor er richtig abheben konnte? Oder muss man lediglich an ein paar Schrauben drehen, damit das Rezept funktioniert? Hätten wir, die Gäste, mehr proaktiv werden und das Tanzbein schwingen sollen? Ach was, eigentlich ist’s wuscht: Wir können dieses Phänomen auch einfach getrost ignorieren und uns auf die nächste Innovation freuen. Essbare Fernbedienungen fände ich zum Beispiel super – dann müsste ich nicht mehr vom Sofa aufstehen, wenn mich beim fernsehen der Heißhunger packt.

Thema verfehlt

Die Blögger veranstalten mal wieder eine Blogparade – diesmal mit freundlicher Unterstützung von 3M (ja, genau: Die Erfinder der Post-Its) und zum Thema „Innovation“.

Als ich das las, hatte ich gleich einen recht klaren Plan vor Augen: Einen Beitrag schreiben, in dem ich fürchterlich ablästere darüber, wie sehr der Begriff „Innovation“ über die vergangenen Jahre vergewaltigt worden ist. Schnell ist heute male in Produkt oder eine Idee „innovativ“ – im Werbe- und PR-Slogan wird kaum ein Begriff öfter verwendet, um an und für sich öde Ideen als großartige Revolutionen anzupreisen. „Innovativ“ spielt hier in der gleichen Liga wie die kleinen Wörtchen „nachhaltig“, „intuitiv“ und „effizient“. Nur wenige Dinge sind heute noch wirklich innovativ – aber gerade meine eigene Branche muss sich wohl an der Nase packen, wenn wir auf der Suche nach griffigen Headline einen übergroßen iPod tatsächlich als großartige Neuerung feiern – die erfolgreichste Marketing-Maschine der Welt hat dazu ebenso ihren Beitrag geleistet.

Also: Ich wollte lästern. Aber dann kam es anders, denn ich fuhr nach München.

In München wurde die Ashoka Sozialunternehmerkonferenz abgehalten, zu der ich freundlicherweise als Co-Moderator geladen war. Neben mir, einem Journalisten mit nur bedingter praktischer Social Entrepreneurship-Erfahrung im Rahmen meiner damaligen Chefredakteur-Tätigkeit bei der Bunten Zeitung, waren dort Menschen, die echte Social Entrepreneurs sind, also das Lösen von sozialen Problem mit betriebswirtschaftlichen Mitteln zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben.

Ein Gynäkologe war etwa dort, der selbst für die Tastuntersuchung im Vorfeld einer Mammographie nicht genug Zeit aufbringen konnte – also schulte er blinde Frauen darin, die Untersuchung an seiner Stelle durchzuführen; eine Win-Win-Situation, bei der die Patientinnen sich sicherer fühlen und die blinden Frauen eine Arbeit finden. Man möchte fast sagen: Das Ei des Columbus. Und wirklich innovativ, weil neu.

Ähnlich das Projekt wheelmap.org von Raul Krauthausen. Auf dieser Website gibt es eine Karte, auf der Betroffene einzeichnen können, welche Orte einer Stadt barrierefrei sind und welche nicht… das ist so simpel, wie es genial ist – denn wer als nicht-barrierefrei markiert ist, trägt einen Marketing-Schaden davon. Übrigens in Wien wirklich überraschend, welche Schickimicki-Orte Rollstuhl- und Kinderwagen-Fahrer nicht in ihre Halle lassen.

Habe ich jetzt das Thema verfehlt? Vermutlich ja. Denn ich sollte ja beantworten, was für mich „Innovation“ bedeutet und nicht darüber philosophieren, welche neuen Ideen den Menschen tatsächlich helfen. Aber wenn ich jetzt eh schon dabei bin, kann ich gleich weiter machen und die von Blögger vorgegebenen Leitfragen beantworten:

* Was zeichnet ein innovatives Unternehmen aus?

Dass es über den Tellerrand schaut und sein Know-How im Unternehmen einsetzt, um das Leben benachteiligter Menschen zu verbessern – und in diesem Zug auch neue Zielgruppen erschließt, ergo Gewinn erwirtschaftet.

* Wie können größere Unternehmen sicherstellen, selbst agil und innovativ zu bleiben?

Indem sie die Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen, lange Gespräche mit ihnen führen, sich wieder auf die Lösung von Problemen statt das Aufwärmen alter Lösungen fokussieren.

* Was sind die Chancen und was die Grenzen von “Open Innovation” in einer Zeit des geistigen Eigentums?

Neue Zielgruppen erschließen und somit Umsatz steigern, bzw. Imageverlust vermeiden.

* Zusatzfrage: Gibt es zu dem Thema ein Buch, welches Du empfiehlst?

Ja.

* Welches?

„Social Business – von der Vision zur Tat“ von Nobelpreisträger Muhammad Yunus. Er ist super.

So, und nun habe ich das Thema total verfehlt. Schade. Aber das war es trotzdem wert.

Blogparade Innovation

Nicht vorenthalten möchte ich Euch freilich auch die anderen Beiträge, die das Thema „Innovation“ umreißen:

  • Stefan Hagen: Was zeichnet ein innovatives Unternehmen aus?
  • Heinz Peter Wallner: Innovation. Dem Dickicht der Zwergenwelt entfliehen?
  • Cornelia Daniel: Gesellschaftsfreundliche Produkte als Innovationsmotoren
  • Jörg Liemandt: Was ist eigentlich an Innovation so toll?
  • Hannes Offenbacher: Innovation? Nicht labern, machen!
  • Thomas Mathoi: Innovatives Bauwesen (?)
  • Marcus Ambrosch: Zukunft, Innovation von Menschen, Management und Organisationen
  • Diana Ljubic: Innovation
  • Stefan Mey: Thema verfehlt
  • Franz Kühmayer: Der Wendepunkt