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Hedonismus

Ziemlich punk.

In den vergangenen Wochen konnte man aus meinem Mund öfters mal Ausdrücke wie „Ja, das ist ziemlich punk“ oder „Der ist ein echter Punk'“ hören. Verwirrendderweise bezog sich das aber niemals auf irgendwelche gepiercten Teenager mit Iro und Nietenjacken, sondern auf ganz andere Dinge, die sich selbst wohl niemals als „Punk“ bezeichnet hätten: Freunde von mir etwa, die lieber ihr eigenes Ding durchziehen, anstatt sich einen normalen Job zu suchen – oder Leute, die in der Öffentlichkeit etwas tun, das andere Menschen verwirrt; einfach, weil es ihnen Spaß macht.

Was meine ich also mit „Punk“? Sicher nicht röhrende E-Gitarren und aggressive Drum-Solos – sondern viel mehr die Lebenseinstellung, die dahinter steckt. Nämlich, sich nicht vom System in irgendeine komische Ecke stellen zu lassen und dort brav wie eine Uhr zu ticken, während man auf die Rente wartet. Sondern stattdessen zu sagen: Hey, Mann, das ist mein Leben – und ich mach das jetzt so – SO! -, ohne allzu lang darüber nachzudenken. Denn es gibt mir eine hedonistische Befriedigung.

In dem Sinne, ja, ist sogar jener Schuhverkäufer ein Punk, der mir vergangenen Samstag meine Wanderschuhe verkauft hat. Denn er widersprach in jeder Hinsicht dem Klischee, das jedes Opfer der TV-Generation durch „Eine schrecklich nette Familie“ in seinem Hirn verankert hat: Nicht mal annähernd depressiv und fertig mit seinem Leben war er; sondern top-motiviert, voll informiert, und an seinen Augen konnte Stefan erkennen: Mach jetzt ja keinen blöden Al Bundy-Witz – denn für diesen Mann sind Schuhe sein Leben; und er möchte darüber absolut nicht spaßen. So war es dann auch: Als ich mich nach einem Sonderangebot erkundigte, war er persönlich gekränkt – Schuhe, die sind eine Lebenseinstellung. Ziemlich punk.

Und was ist sonst noch Punk? Na, zum Beispiel:

Dieser Blog? Absolut Punk! Weil ich keinen Cent damit verdiene und ihn nur noch schreibe, weil es mir so höllisch viel Spaß macht.

Punk hören? Ja, klaro. Erklärt sich von selbst.

Andere Musik hören? Wenn’s Dein Ding ist: Ja. Selbst Jazz kann Punk sein.

Fünf Monate ziellos durch Indien fahren? Yes!

Jeden Tag von 9 bis 5 in die Arbeit gehen? Diese Frage ist hart, verdient sich aber ein gepflegtes „Jein“: Punk ist es, solange Du es nicht für die Überweisung am Monatsersten machst, sondern weil Du weißt, dass das der richtige Job ist. Dass Du ihn machst, weil Du ihn machen willst. Dass Du dafür geschaffen wurdest. Dann sind auch die Umstände wuscht – wenn Du darin Deine Erfüllung siehst, ist das Existenzialismus pur.

In dem Sinne wünsche ich einen frohen Start in die Arbeitswoche – und: Viva la Revolucion.