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Grant Hart

Deutsch lernen mit Songwriting

Gestern war ich auf dem Bluebird Festival der Vienna Songwriting Association im Porgy&Bess. Für die Lesefaulen unter Euch eine Kurzfassung: Es war toll; und da das Event auch noch heute und morgen läuft, solltet Ihr hin gehen – sofern Ihr in Wien lebt und Euch für gute Musik interessiert.

Die Ambitionierten unter Euch möchte ich zu einem freitagnachmittaglichen gedanklichen Ausflug einladen, bei dem wir mit Hilfe der einzelnen Interpreten in Vorschul-Zeiten zurück kehren, unsere Kenntnisse über Zeitformen der deutschen Sprache auffrischen.

1. James Vincent McMorrow (Irl)

Eh ganz nett, irgendwie verträumt. Ein Mann und seine Gitarre; singt über die Liebe und das Leben. Eigentlich so circa das, was ich mir erwartet hatte. Aber dann klingt irgendwie auch jedes Lied gleich, auf Dauer ist das ein wenig langweilig. Wohl die richtige Musik für ein romantisches Dinner mit Rotwein und so.

Auffällig: McMorrow redet zwischen den Liedern manchmal komisches Zeug. Von irgend einem Trommler in Paris, mit dem er eine Jam-Session hatte, und eigentlich wollte er 60s-Musik spielen, und dann ist es aber doch Jazz geworden; und das findet McMorrow dann ganz lustig, lacht ins Publikum über den Witz, den keiner verstanden hat…

Eindeutig, die Zeitform „Perfekt„: McMorrow hat komische Sachen geraucht.

2. Sweet Sweet Moon (A)

Oh, diese Niederösterreicher… Als der gute Mann auf die Bühne tritt und einen Loop mit einer Geige bespielt, denkt natürlich jeder gleich an Final Fantasy – eh klar. Aber dann bleibt es (anders als beim Vorbild) nicht bei diesem Solo-Werk ; schon bald kommen eine Harfe und ein Cello hinzu, Mr. Moon tauscht die Gitarre gegen eine Geige.

Anschließend wird es ganz, ganz komisch: Es wird plötzlich auf der Geige Gitarre gespielt, und das noch mit einem Distortion-Effekt versehen, Mr. Moon jault und weint einem Thom Yorke gleich ins Mikrofon, und das Cello wird gegen einen Gameboy getauscht, der brutale Elektrobeats zur Untermalung der Schreie aus der Hölle ausstößt. Ein übersteuerter Flanger verstärkt die Gameboy-Effekte und setzt dem ganzen die Krone auf… Ohhh, wie sehr ich solche Lärm-Orgien liebe!

Wir erlernen das „Plusquamperfekt„: Sie hatten wohl wenig geschlafen und viel getrunken, als sie auf diese Ideen kamen.

3. Grant Hart (US)

Der ehemalige Drummer von Hüsker Dü, die unter anderem den Weg für die Emo-Bewegung ebneten – zumindest habe ich das vor ein paar Jahren mal auf Wikipedia gelesen. Die Musik: Laut, roh – und irgendwie hat es mich an jene Musik erinnert, die ich damals mit einem (leider inzwischen verstorbenen) Freund aus Manchester gemacht habe. Es ist nämlich: Betrunken.

Kurz vor dem Konzert hatte ich eine Begegnung mit Hart.

Ich war am WC (dort, wo man groß macht; nicht am Urinal), als plötzlich jemand an der Tür rüttelte. Draußen gab es einen Tumult, und irgendwer sagte auf englisch: „Wenn man muss, dann muss man nun mal.“ Als ich aus der Kabine heraus trat, sah ich Hart, umgeben von Österreichern, wie er beleidigt drein blickte und ging. Er hatte sein Geschäft – da ich das WC blockiert hatte – in seinen Bierbecher verrichtet. Zwei Minuten später stand der Rocker hochmotiviert auf der Bühne.

Wir lernen das „Futur 1„: Er wird nicht mehr Pipi machen müssen.

4. Scout Niblett (UK)

Sie spielt E-Gitarre mit sehr einfachen Akkorden, ihr Drummer hämmert dazu auf sein Werkzeug ein und spürt die Energie. Dazwischen sagt er: „This is awesome.“ Und er hat recht. Sie wiederum wackelt zu ihrer staccato-artig reingehämmerten Tönen wie ein Wackeldackel auf der Bühne. Dabei trägt sie eine Warnweste. Sie fragt das Publikum, ob es Fragen an sie habe.

„Warum trägst du die Warnweste?“, fragt einer. „Weil ich orange liebe“, entgegnet sie. Sie habe sich auf Ebay auch soeben einen Astronautenanzug in orange ersteigert und freue sich schon darauf.

Irgendwann setzt sie sich selbst ans Schlagzeug, trommelt darauf ein und singt ein Lied über den Tod – nur um kurz darauf in eine Coverversion von Michael Jacksons „Heal the world“ zu wechseln. „Das ist zur Zeit mein Lieblingslied“, erklärt die Frau mit der wütend-hohen Stimme.

Hier gibt es keinen Zweifel, das „Präsens“ muss her: Sie ist absolut bezaubernd.

Danke an alle, die zu diesem schönen Abend beigetragen haben.