Wie ich mein Start-Up für 100.000 Kröten verkaufte
Irgendwann Ende Jänner waren der Wolf und ich gerade gleichzeitig in Bombay, und er wollte sich unbedingt mit mir treffen, um etwas Wichtiges zu besprechen. Wir trafen uns im Hub, und saßen uns kurz danach in meinem Lieblings-Veg-Restaurant in Bandra – dem Sai Sagar – gegenüber.
„Wie sind denn Deine weiteren Pläne für ‚Indische Wirtschaft‘?“, fragt mich der Wolf, während hinter mir der Verkehr lärmt und der Kellner zwei Metallbecher mit gefiltertem Wasser lautstark auf den Tisch knallt. Ich weiß: Mitte März bin ich wieder in Österreich, und dann beginnt wieder mein Arbeitsalltag bei der größten Wirtschafts-Tageszeitung des Landes; nebenbei habe ich während der letzten Monate meine Liebe zum kreativen Schreiben entdeckt und möchte mich in der Freizeit darauf fokussieren. Dann sind da noch die Jungs von Rebeat, die ich in Delhi kennen gelernt habe und die mir vor Augen führten, wie einfach sich heute selbstgemachte Musik digital vertreiben lässt. Und Partys möchte ich auch wieder veranstalten, wenn ich wieder in Wien bin.
Das klingt nach recht viel Arbeit, wenn ich ehrlich bin – und für ‚Indische Wirtschaft‘ könnte ich wohl auch noch Zeit entbehren, aber es wäre nur ein Projekt von vielen, anstatt wie in den vergangenen Monaten das Zentrum meiner Aufmerksamkeit. Also antworte ich wahrheitsgemäß, dass ich zwar ab und zu noch etwas schreiben würde, aber nicht mehr 100 Prozent meiner Energie in das Medium investieren möchte. „Und ich hingegen möchte, dass mir IW komplett gehört“, sagt der Wolf: „Ich würde gerne Deinen Anteil abkaufen.“ Weil ich ihn so ungläubig ansehe, verwendet er das E-Wort, das bei jedem Internet-Unternehmer leuchte Augen verursacht: „Einen Exit biete ich Dir quasi an.“ Das klingt schon deutlich reizvoller, aber über die Kohle müssen wir freilich auch reden.
Beide Seiten sind wir freilich nicht besonders liquide, man tauschte die finanzielle Sicherheit ein für eine berufliche Freiheit . „Ich kann Dir 1500 € anbieten,“ sagt er – was mich allerdings nicht wirklich begeistern kann. „Naa“, lacht er plötzlich: „Machen wir es anders… ich biete Dir einen Lakh!“ Ein Lakh – das sind 100.000 indische Rupien. Und 100.000 Kröten bei dem Verkauf meines ersten Start-Ups eingesammelt zu haben, das klingt gut. Das macht eine gute Überschrift für einen Blogbeitrag her; und so manche werden wohl auf den Link klicken in der Hoffnung, ich sei nun neureich (Tut mir leid, Sie an dieser Stelle enttäuscht zu haben). Und es ist deutlich mehr als ich bekam, als ich nach ebensolanger Zeit meine Arbeit an der Okto-Sendung „Community.Talk“ im Jahr 2008 niederlegte (nämlich nichts).
Ich willige also ein.
Aufstand der Maschinen
Danach trennen sich unsere Wege wieder. Den Wolf zieht es in den Norden und in den gefährlichen Osten des Landes; ich kämpfe hingegen im Süden gegen Kakerlaken-Krieger, meditiere vor dem größten makellosen Kristall der Welt und versuche mich als organisher Farmer (mehr dazu später auf diesem Kanal und in meinem bald erhältlichen Buch). Irgendwann treffen wir uns dann wieder in Bangalore; und ich kriege Post von der SVA – eindeutig: Jetzt wird es langsam mal Zeit, dass ich mein Exit-Geld einsammle; von dem Verkauf meiner ersten Firma kann ich dann zumindest einen Bruchteil meiner Sozialversicherungsbeiträge für ein Quartal bezahlen.
Also machen wir es uns in dem Wohnzimmer einer guten Freundin bequem. Auf dem Flatscreen im Hintergrund läuft gerade „Terminator 3 – Aufstand der Maschinen“; und während Schwarzenegger gegen Roboter kämpft, schreiben wir unseren Exit-Vertrag: Wir geben uns große Mühe, Sachen hinzu zu dichten, um ihn professioneller wirken zu lassen; aber es hilft alles nichts: Länger als eine halbe Seite will er einfach nicht werden. Als Übergabedatum vereinbaren wir den 30. Geburtstag des Wolfs, Gerichtsstand ist Bangalore – wobei das wurscht ist, weil wir einander erstens ohnehin niemals klagen würden und zweitens keine Anwälte anwesend sind. Hätten wir uns ja unmöglich leisten können.
Dann gehen wir Bier trinken.
Neues Erscheinungsbild
Tja, und nun hat IW ein neues Erscheinungsbild: Statt unserer beider Köpfe prangt da nur noch das Bild des Wolfs – fesch schaut er aus, so in Schwarz-Weiß. Im Impressum stehen nun nur noch seine Kontaktdaten; aber zumindest mit einem Absatz zollt er mit Tribut, wünscht mir alles Gute und dankt für die schöne Zusammenarbeit.
Ich danke ebenfalls. Für mich ist das Projekt IW nun abgeschlossen; in wenigen Tagen werde ich nach Österreich zurück kehren. Dort warten dann neue spannende Aufgaben auf mich. Ich bereue nicht im geringsten, was in den letzten Monaten so alles passiert ist – und danke dem Wolf, dass er meine Neurosen so gut verkraftet hat. Für seine Zukunft und die von IW wünsche ich ihm nur das Beste. Er hat es sich verdient.