Bier statt Aktien
„Du kaufst Dir eine Palett’n, säufst Dich an, machst dabei auch noch einen Gewinn – was gibt’s Geileres?“ – der junge Herr, der diese weisen Worte ausspricht, steht vor unserem Enzi im Museumsquartier, trägt eine dieser EdHardy-Kappen, Baggy-Pants und hat einen großen Rucksack mit sich, gefüllt mit kühlstem Ottakringer. Der Typ ist Unternehmer: Das 16er-Blech kauft er im Supermarkt um Cent-Beträge,lädt es in seinen Rucksack und verkauft es an die MQ-Besucher (längst nicht mehr nur Bobos, sondern inzwischen auch normale Menschen) um 1,50 €. Pro Dose macht er also gut einen Euro Gewinn. Und das Geschäft floriert: „Gestern war ich mit einer Palette da, die war schon um 10 Uhr weg; heute habe ich zwei Paletten, auch die habe ich jetzt verkauft“, sagt er. Es ist knapp 11 Uhr, er nippt an seiner Dose: „Jetzt hab ich Feierabend“.
Diesen Sommer sind die Dosen-Verkäufer verstärkt im MQ unterwegs. Mein Gesprächspartner arbeitet mit einem Freund zusammen, sie teilen sich den Gewinn. Gelernt hat er sein Handwerk von einem älteren Lehrmeister, der das Geschäft angeblich schon seit Jahren betreibt und „hier wohl irgendwo in der Gegend wohnt – das ist praktisch, dann kann er von zuhaus‘ immer kühles Bier nachholen.“ Ob die beiden wohl Konkurrenten sind, die Gefahr von Bandenkriegen besteht? „Das habe ich auch anfangs gedacht, aber der sieht das eigentlich ganz gelassen“, sagt er, schaut mich dann aber warnend an: „Komm aber ja nicht selbst auf die Idee, mir das nachzumachen!“
Was bringt die Zukunft?
Was wir schon lange geahnt haben, wird hier anhand eines Fallbeispiels nachgewiesen: Das Investment in Gerstensaft ist rentabler als riskante Aktien-Deals. Aber was sagt die MQ-Gastronomie eigentlich zu dem Thema? Noch sind die Dosen-Männer kleine Fische, die ihr Geschäft versteckt betreiben – früher oder später dürften aber mehr und mehr Besucher es reizvoller finden, sich für 1,50 € das Bier ans Enzi bringen zu lassen, statt sich für 4 € (!) selbst eins holen zu müssen. Und dann ist die Frage, wie sich die Zukunft entwickelt.
Dann besteht die Gefahr, dass im MQ verstärkt Securities eingesetzt werden, um den illegalen Bier-Handel zu unterbinden – und das geht auf Kosten der Gemütlichkeit. Wer kann sich schon gepflegt entspannen, wenn um ihn herum eine Razzia läuft?
Anderes Szenario: Die etablierte Gastronomie lässt die Dosen-Händler gewähren, es gibt eine friedliche Ko-Existenz. Dann würden schon bald weitere Branchen folgen: Es gäbe Semmel-, Snack- und Souvenir-Händler, die ihre Waren den Gästen anbieten. Das hätte dann was von Urlaub, irgendwo östlich von Istanbul. Es wäre ein Atmosphäre-Bonus, von dem auch die etablierte Gastro wieder profitieren würde.
Was die Zukunft in der Hinsicht bringen wird, werden wir sehen. Das MQ ist jedenfalls immer für einen netten Abend und eine Überraschung gut, während Bier immer Bier bleibt. Und mei Bier is ned deppat.