Während des elfstündigen Flugs von Frankfurt nach San Francisco war ich nervös. Angst hatte ich, nämlich vor der Passkontrolle am Immigration-Schalter. Denn darüber hatte ich ja schon so manches gehört: Geschichten über lange Wartezeiten, willkürliche Genehmigungen, unfaire Befragungen. Wie würde das wohl bei mir werden? Klar genoss ich es auch mal, ein paar Stunden für mich zu haben – endlich mal drei „Resident Evil“-Filme in Folge schauen – und amüsierte mich über das Flugpersonal, dessen Altersschnitt bei United doppelt so hoch ist wie bei jeder anderen Airline der Welt. Warum wohl? Egal – Hauptsache, man lässt mich nachher ins Land.
In Wahrheit war dann aber alles halb so wild. Meine Befürchtungen, dass man auf Grund der Erschießung des Terrorfürsten in der Vornacht alle Ausländer genau unter die Lupe nehmen würde, bewahrheitete sich nicht. Stattdessen geriet ich an einen Beamten, der mal Urlaub in Deutschland gemacht hatte, entsprechend sich mehr darauf konzentrierte, seine Sprachkenntnisse an mir zu testen statt mich mit Schikanen zu quälen: „Legen Sie die vier Finger auf den Scanner“, sagte er stolz in fast akzentfreiem Deutsch: „Und jetzt den Daumen“. Dann durfte ich gehen. Mein erster menschlicher Kontakt auf US-amerikanischem Boden war das – und er entsprach nicht mal annähernd dem gängigen Klischee.
Viel klischeehafter hingegen die Kellnerin beim Abendessen: Britney hieß sie, war freundlich wie die Minnie Maus-Amateurinnen in Disneyland und redete in diesem Akzent, den wir aus Hollywood-Filmen kennen und lieben. Was ich denn trinken wolle? Ein Bier, sage ich. Welches? Auf meine Frage nach der Auswahl rattert sie eine Liste von Marken herunter, die mir allesamt fremd sind. Ich trinke gerne Bier; und ich kenne diverse belgischen, tschechische und asiatische Gerstensaftmarken – aber hier musste ich kapitulieren. Faszinierend: Ein gewaltiger Fundus an vermeintlichen Köstlichkeiten, den es noch zu entdecken gibt.
Gewaltig ist übrigens auch der Kühlschrank in meinem Hotelzimmer: Der ist sogar größer als der meiner Eltern, und die angeschlossene Kochnische kann es locker mit meiner Küche aufnehmen. Wer jetzt aber eine prall gefüllte Minibar erwartet, liegt falsch: Zwar schießen dem Gast beim Öffnen der Tür gefühlte -50 Grad Kälte entgegen, es gibt aber weder Essen noch Getränke in der künstlichen Antarktis. Aber Hauptsache, es verbraucht Strom. Weil die Amerikaner um jeden Preis dem Klischee der Energieverschwender entsprechen, richtig? Fast richtig.
Denn ich habe nirgendwo auf der Welt so viele Toyota Prius gesehen wie hier. Das liegt daran, so erzählt mir mein Taxi Fahrer auf dem Weg von San Jose nach San Francisco, dass die Stadtverwaltung angeordnet hat, den Großteil der Taxis innerhalb der nächsten Jahre entweder in Hybrid-Fahrzeuge oder Erdgasautos zu verwandeln. Wow. Das relativiert mein bisheriges Bild der Amerikaner – und außerdem verstehe ich jetzt endlich die „South Park“-Folge, die einen Link zwischen Prius-Käufern, San Francisco und dem entsprechenden Lifestyle herstellt.
Fazit: Ich bin in meinem Leben schon viel gereist; aber die USA schaffen das, worin asiatische Länder wie Thailand und Indonesien versagt haben: Mir einen richtig dicken Kulturschock zu verpassen. Viele Dinge hier überraschen mich, weil sie die europäischen Erwartungen an das Land nicht erfüllen – in anderen Situationen hingegen fühlt man sich wie gefangen in einem Quentin Tarantino-Streifen.
Mittlerweile bin ich jedenfalls in mein Quartier in San Francisco übersiedelt und sitze in einem Zug nach Sunnyvale, um ein paar österreichische Firmen zu besuchen. Aber mehr dazu später.