Die Malediven versinken im Meer, und Schuld ist die globale Erwärmung. Das ist an sich keine Neuigkeit mehr, und nur hartnäckige Kohle-Lobbyisten werden sich dieser Tatsache noch verschließen – aber dennoch gerät das Bewusstsein in der westlichen Welt immer in den Hintergrund. Der Film „The Island President“, dessen DACH-Premiere ich gestern in Wien beiwohnen durfte, rüttelt die Seher allerdings auf.
Es ist ein Dokumentarfilm, so spannend wie ein Action-Streifen, und so humorvoll wie diese absurden Komödien, in denen das Privatleben von Politikern durch den Kakao gezogen wird. Nur halt mit dem Unterschied, dass der Protagonist echt ist: Mohamed Nasheed war tatsächlich Präsident der Malediven, bevor er Anfang des Jahres zum Rücktritt gezwungen wurde; und die politischen Spannungen im Inselstaat sind ebenso real wie sein Kampf gegen die globale Erwärmung.
Erzählt wird im Film von seiner Machtübernahme, nachdem er unter dem vorherigen 30jährigen Terror-Regime in Gefangenschaft gelebt hatte und gefoltert wurde, danach geht es an die Wende der vergangenen Dekade – wie er und sein Kabinett sich auf die Klimakonferenz in Kopenhagen vorbereiten und versuchen, andere Staaten zum Umdenken zu bringen.
Dabei ist Nasheed unkonventionell. Einmal steigt er im Anzug selbst in die Fluten, um vor laufenden Kameras eine Rede über den steigenden Meeresspiegel zu halten; ein anderes Mal hält er in Tauch-Anzügen die weltweit erste Regierungssitzung unter Wasser ab, um die Zukunft der Malediven medienwirksam zu portraitieren. Wir sehen im Film auch den Privatmenschen Nasheed: Wie er während des Ramadan Online-Schach spielt, um pünktlich zum Sonnenuntergang gegen den Computer zu gewinnen. Oder, wie er am Rande von Konferenzen mit seinen engsten Vertrauten im Hinterhof eine Zigarette nach der anderen raucht.
Nasheed scheut sich auch nicht, Dinge offen anzusprechen. Gegenüber den USA vergleicht er die globale Erwärmung mit Vietnam; und als sein PR-Berater ihm einen Artikel mit der Überschrift „Malediven-Präsident vergleicht globale Erwärmung mit Nazi-Invasion“ unter die Nase hält, entgegnet er nur lachend, genau so habe er die Aussage auch gemeint.
Und dann gibt es auch diese Szenen der Frustration: Wenn er mit den aufstrebenden Supermächten verhandelt und diese nicht von ihrer Position abrücken wollen. Oder wenn er vor der UN in New York spricht, ein paar gelangweilte Sesselpupser vor sich hat und irgendwann enttäuscht anmerkt: „Wir werden nicht aufhören, zu schreien. Auch wenn wir uns der Tatsache bewusst sind, dass Ihr eigentlich gar nicht zuhört.“ Nach solchen Momemten sehen wir den Präsidenten, wie er während Autofahrten zum Flughafen scheinbar ausgebrannt ins Leere starrt. Und dann wieder Momente der Hoffnung: Wenn er von Klima-Demonstranten im verschneiten Kopenhagen jubelnd begrüßt wird und ihnen verkündet, sie sollen weiter protestieren, denn auch er werde den Kampf nicht aufgeben.
Inmitten dieser Welt rund um weiße Traumstrände und altbekannte Mega-Konferenzen endet dann die Geschichte, wie sie enden muss: Nasheed kann sich nicht durchsetzen. Und obwohl ich mir dieser Tatsache von Anfang an bewusst war – denn einer meiner ersten Artikel bei „Indische Wirtschaft“ handelte von der Konferenz Ende 2009 – ist gestern das passiert, was noch nie geschehen ist: Ich habe bei einem Dokumentarfilm eine Träne vergossen.
Nasheeds Volk kämpft um’s Überleben. Und Jeder von uns kann seinen Beitrag dazu leisten. Durch eine ökologisch verträglichere Lebensweise und den Verzicht auf Dinge, die nun mal „leider geil“ sind. Und ich, ich fahr jetzt auf die ERDgespräche, wo weiter über das Schicksal des Planeten diskutiert wird – Anreisen tu ich mit den Öffis, aber das versteht sich ja von selbst.