Vor dem abendlichen Ausgehen spaziere ich noch zum Barbier, um meinen Bart stutzen zu lassen – der Mann von heute rasiert sich ja nicht selbst. In der kleinen Barbierstube nehme ich Platz; Kakerlaken betrachten ihr Abbild im Spiegel, während der Barbier seine Aufmerksamkeit meinem Bart widmet und ich das Geschehen im Fernsehen betrachte.
Dort läuft ein Film; ich verstehe die Sprache nicht – aber die Bilder sprechen Bände. Offensichtlich sind da drei Hexen – denn es handelt sich um drei in schwarz gekleidete Frauen mit Buckeln, die in schrillen Stimmen plappern – und eine Ziege. Das Tier attackiert die Hexen; offensichtlich handelt es sich dabei um einen Menschen, der von den bösen Schwarzmagierinnen verwandelt wurde. Während der gehörnte Schädel gegen schwarz-gekleidete Hintern rammt, fällt in einem parallelen Handlungsstrang eine junge Frau in Ohnmacht… Was nun? Zum Glück ist der Held gleich bei Stelle: Er hebt die Dame auf und trägt sie zu einem Ganesh-Schrein, legt sie dort sanft nieder. Dann rüttelt er an dem Schrein.
In der nächsten Szene sieht der Zuschauer Ganesh, den elefantenköpfigen Gott, in seinem Zuhause. Da der Held an seinem Schrein rüttelt, wird auch der Glücksgott ordentlich durch geschüttelt. Er torkelt; und ihm wird klar, dass seine Hilfe gebraucht wird. Also sagt der Elefantenkopf etwas, das ich nicht verstehe – und alle Probleme sind gelöst: Die Frau wacht auf, die Ziege wird wieder ein Mensch und die Hexen sterben. Es gibt Feuerwerke.
Ende gut, alles gut also. Und auch mein Bart ist gestutzt. Hochmotiviert starte ich in den Abend.
Dieser Beitrag ist Teil des Buchs „Indien 2.0 – Twittern im Tuk-Tuk“, an dem Stefan Mey aktuell arbeitet.