Zum Inhalt springen

Wirtschaft wird demokratisch

Früher war alles so einfach: Die Anbieter haben angeboten, und die Konsumenten haben konsumiert – Oligopole, Preisabsprachen und ein Diktat der Bedingungen gegenüber dem Kunden war in vielen Branchen keine Seltenheit. Und der Konsument, der konnte sich dagegen nicht wehren. Heute ist das anders.

Nach und nach fallen die Branchen dem Internet und der Mitmach-Gesellschaft zum Opfer; es ist vom „Prosumenten“ die Rede – von einem Konsumenten, der zugleich Produzent ist. Produktionskosten zum Anbieten diverser Dienstleistungen und Produkte sind inzwischen auf ein Minimum gesunken, und ein Vertrieb von Selfmade-Produkten ist über das Web heute einfacher denn je.

Mit diesem Phänomen kämpft etwa seit Jahren die Medienbranche, die einer Fülle an Blogs gegenüber steht; ehrgeizig geschrieben von einer Handvoll Zwanzigjähriger. Und auch die Musikbranche erlebte ihr blaues Wunder: Über Systeme wie Spotify oder iTunes können Musiker heute ihre Werke der gesamten Welt zur Verfügung stellen, ohne auf große Plattenfirmen und entsprechende Zahlungen an Mittelmänner angewiesen zu sein. „40 Prozent der iTunes-Downloads sind heute Indie“, hat mir Robert Klembas, Geschäftsführer von Rebeat Digital, mal erzählt – seine Software hilft Musikern dabei, ihre Songs weltweit in hunderten unterschiedlicher Stores zu veröffentlichen. Nach einer Investition von hundert Euro in das Programm können viele Bands vom digitalen Vertrieb gut leben.

Bücher und Reisen

Andere Branchen haben wir diese Woche im WirtschaftsBlatt vorgestellt: Bücher und Reisen. Der digitale Vertrieb von Büchern ermöglicht es Autoren, den Weg vorbei an Verlagen zu finden und direkt zum Leser zu liefern – Systeme dafür kommen von Apple, Amazon und zahlreichen lokalen Playern, wie etwa Thalia. Oder Autoren bieten überhaupt PDF-Downloads auf ihren eigenen Websites an.

Beim Thema Urlaub schließlich wird ebenfalls aufgemischt: Wer will, der kann heutzutage ohne Zuhilfenahme kommerzieller Anbieter auf Reise gehen – die Anfahrt wird dabei über mitfahrgelegenheit.at gesucht, die Unterkunft über airbnb.com und die Unterhaltung vor Ort – zumindest in ausgewählten Städten – über gidsy.com; das junge Startup aus Berlin ermöglicht Privatpersonen, in ihrer Heimatstadt kostenpflichtige Workshops und Touren anzubieten. Anbieter kommerzieller Sightseeing-Touren müssen sich nun wohl warm anziehen.

Ohne Mittelmann

Für den einzelnen Selbständigen ist das ein Segen. Endlich kann er Bücher, Musik und Dienstleistungen anbieten, ohne auf Mittelmänner angewiesen sein; ähnlich wie ein Konzern kann er mit einem mal die ganze Welt erreichen, sein Geschäftsmodell skalieren, ohne auf gewaltige Fixkosten angewiesen zu sein – das ist nichts weniger als die Demokratisierung der Wirtschaft, bei der jeder einzelne seines eigenen Glückes Schmied sein kann.

Für die etablierten Unternehmen hingegen heißt dieser Trend: Nicht auf dem aktuellen Status-Quo ausruhen, sondern innovativ sein und von den Newcomern lernen – denn sonst bleibt von der aktuellen Marktmacht irgendwann nicht mehr viel übrig.