Auf Facebook, dem größten Social Network der Welt, bringt ein Wiener Unternehmer seinen Frust über die Pflicht zur Bekanntgabe einer Firmenbuchänderung in der Wiener Zeitung zum Ausdruck: Ist das wirklich nötig? Ist das unternehmerfreundlich? Oder, mit seinen Worten: „Liest diesen Schwachsinn eigentlich jemand?“. Die Antwort: Er natürlich nicht – aber der Betroffene ist auch Geschäftsführer einer Agentur mit Fokus auf Social Media Marketing, also quasi eine öffentliche Person. Für den Rest Österreichs sieht das anders aus.
Ortswechsel: Eine Wohnungseinweihung im 23. Wiener Gemeindebezirk. Auch die Nachbarn, großteils Senioren, sind eingeladen; vorherrschendes Gesprächsthema ist unter anderem die Wahl des Pfarrgemeinderats. Ihre Nachrichten bekommen die Nachbarn aus der Zeitung, besonders von den Glossen und Kommentaren diverser Kollegen reden sie mit leuchtenden Augen – was ein Blog ist, wissen sie nicht. Ob sie überhaupt einen Computer besitzen? „Das habe ich aufgegeben“, sagt einer: „Es war schon schwierig genug, die Espressomaschine zu verstehen.“
Man muss aber nicht mal an den Stadtrand fahren und mit Senioren sprechen, um sich der Unterschiede zwischen Early Adopters, der großen Masse und den Laggards bewusst zu werden. Im Museumsquartier sitzend fragte mich etwa kürzlich ein Bekannter, was eigentlich der Unterschied zwischen Twitter und Facebook sei. Er ist 25 Jahre alt und studiert Informatik. Programmieren kann er, aber Social Media erschließen für ihn einfach keinen direkten Nutzen.
Und damit ist er nicht alleine. Daten der Agentur Digital Affairs zufolge gibt es in Österreich knapp 75.000 Twitter-User, das sind rund ein Prozent der Bevölkerung. Der Rest ist entweder mit Facebook allein zufrieden oder pfeift komplett auf den so genannten Social Media-Boom; der Großteil der Österreicher stellt keine Fragen auf Quora, teilt keine Kochrezepte auf Pinterest, betreibt keine Blogs und checkt nirgendwo mit Foursuare ein. Wenn es um Technik geht, so stellen sie sich andere Fragen: Nach der leichten Bedienbarkeit ihrer Kaffeemaschine etwa. Oder nach einem stressfreien Fernsehabend.
Early Adopter, so scheint es, sind in dieser Hinsicht oft betriebsblind; und dabei verlieren sie den Endkonsumenten. So schön die neue digitale Welt auch ist: Wer von der breiten Masse angenommen werden und Produkte verkaufen möchte, der muss auch über die Kanäle der Endkonsumenten und mit ihren Botschaften kommunizieren. Selbst wenn es sich um die Bekanntgabe einer Firmenbuchänderung in einer Papierzeitung handelt. Und nebenbei bemerkt: Auch das geht ja inzwischen online.