Mit rauschigem Schädel eile ich somit alleine zum Ganesh-Tempel – Ganesh und ich, wir verstehen und recht gut: Ich besitze mittlerweile einen Schlüsselanhänger und zwei Gemälde mit seinem Abbild, in Bombay wartet noch eine kleine Statue des elefantenköpfigen Gottes auf mich; und im Gegenzug für meine Einkaufslust räumt er die Probleme während meiner Reise aus dem Weg – gegen die Macht eines Gottes kommen nun mal selbst indische Bürokratie, verspätete Züge und gewaltige Straßenlöcher nicht an. Um auf Nummer sicher zu gehen, kaufe ich mir daher beim Tempel in Pondicherry noch ein weiteres Abbild: Ganesh mit Geldgöttin Lakshmi und Weisheitsgöttin Sarwaswati als handliche, laminierte Karte für die Geldbörse.
Im Tempel torkle ich einmal im Kreis, bewundere die Architektur und die verschiedenen Abbilder meines Lieblingsgotts, wohne noch dem Pooja bei und trete anschließend ins Freie – dort erwartet mich dann das eigentliche Highlight der Institution: Lakshmi. Benannt nach der Göttin des Geldes, ist Lakshmi der Tempelelefant des Ganesh-Tempels in Pondicherry; sie trägt kleine Silberkettchen rund um ihre Beine, die so dick sind wie Baumstämme, und sie begrüßt freudig jeden einzelnen Passanten durch Heben ihres Rüssels. Wer will, der kann ihr Futter geben – viel lieber hat sie aber Geld: Anfangs kaufe ich Heu und reiche es ihr, woraufhin sie es sich achtlos ins Maul stopft; als ich ihr aber anschließend eine Rupie-Münze in den Rüssel reiche, schiebt sie sich diese ebenfalls in die Mundhöhle und segnet mich anschließend – was de facto bedeutet, dass sie dem Gläubigen einmal mit dem Rüssel auf den Kopf haut.
Beduselt von der Elefantenwatschen und den zwei Kingfisher schaue ich ihr noch eine Weile zu, bewege mich dann zum Ashram, den ich mir ja ebenfalls noch an diesem Tag ansehen wollte.
Dort erwarte ich das, was ich auch in Kerala erlebt habe: Eine durchgeknallte Sekte rund um einen Guru, der von den Anhängern in den Himmel gelobt wird, ohne auch nur einen Funken gesunden Menschenverstands oder auch nur den Hauch einer Chance, auf eigene Faust Erleuchtung zu finden – in Ashrams, so meine bisherige Erfahrung, gibt der Guru den Takt vor und alle müssen folgen.
Bei Sri Aurobindo in Pondicherry ist das anders. Dort betrete ich das Gelände, und es kümmert sich kein Schwein um mich. Stattdessen kann ich mich frei bewegen; lediglich ein kleiner Wegweiser zeigt mir den Pfad hin zum Hinterhof, wo sich Gäste aufhalten dürfen. Dort befindet sich ein mit Blumen besetzter Quader, vor dem Menschen knien, um in der Stille (man hört den Straßenlärm kaum) sich auf sich selbst besinnen zu können. Verteilt um das spirituelle Zentrum herum sitzen in einigen Metern Abstand, meist an die Mauern des Gebäudes gelehnt, Menschen verschiedener Nationalitäten – im Schneidersitz, mit geschlossenen Augen meditierend.
Auch ich nehme hier Platz, schließe die Augen und mache jene Atemübungen, die ich während meiner Studentenzeit mal aus einem Buch gelernt habe. Neben mir sitzt ein Inder mittleren Alters und tut genau das gleiche. Ich versinke in mich selbst, kann mich mit mir beschäftigen, ohne vom Alltag abgelenkt zu werden – und als ich eine Zeit später wieder die Augen öffne, weiß ich, dass dies eine gute Meditation war. So muss es halt sein – eigenständig, ohne einen falschen Heiligen. Ich fühle mich ausgeglichen und ruhig, und wanke glücklich heimwärts.
Später habe ich diese Geschichte gerne Freunden erzählt. Denn der Satz „Als ich mich mit einem schwulen Australier betrank, mich von einem Elefanten ohrfeigen ließ und anschließend meditieren ging“ drückt wohl so schön wie nichts anderes aus, wie treffend sich die Vielfalt Indiens in einer kleinen Stadt wie Pondicherry widerspiegelt.