Die Welt ist klein – und die moderne Technik macht uns dies mehr als deutlich. Nach einem langen Arbeitstag im Hub Bombay – dem Co-Working-Space meiner Wahl in Bandra – meldet sich mein Magen zu Wort und verkündet penetrant, dass er Hunger habe. Ich bin aber noch nicht fertig mit meiner Arbeit, und es ist auch erst 18 Uhr – für fleißige indische Arbeitsbienen also noch längst keine Zeit, um den Heimweg anzutreten; hier wird bis spät in die Nacht gearbeitet. Also entschließe ich mich für einen Rundgang durch die Nachbarschaft und die Suche nach etwas Essbarem.
Der Samosa-Stand meines Vertrauens ist um diese Zeit heillos überfüllt; und auf das reichhaltige Angebot der Obst-Verkäufer habe ich derzeit keinen Appetit – mich gelüstet nach Fett. Also verschlägt es mich zu „Dominos Pizza“: Eine Pizzakette, die in indischen Großstädten der aufstrebenden Mittelklasse ihre Pizza nach Hause liefert.
Freudig kehre ich mit meiner Pizza ins Büro zurück – und ernte gleich einen neidischen Blick von einer Kollegin: „Du hast Pizza geholt und keine für uns mit gebracht?“, fragt sie grinsend mit hungrigen Augen. Ich biete ihr ein Stück an, und wir futtern genüsslich gemeinsam eine vegetarische Pizza. Dann die omnipräsente Eisbrecher-Frage: Wo ich denn überhaupt her komme?
Österreich, sage ich. „Dort arbeitet ein Freund von mir, bei einem Consulting-Unternehmen“, entgegnet sie. Ich antworte wissend: „Vijit.“ – und treffe damit mitten ins Schwarze. Woher ich denn Vijit kenne, fragt sie erstaunt. „Es gibt nicht viele Inder in Wien, und ich kenne inzwischen die meisten“, antworte ich wahrheitsgemäß.
Vijit ist zufälligerweise gerade auf Facebook online. Sie chattet ihn an, sie reden ein wenig. Dann richtet sie von dem neben ihr sitzenden Deutschen freundliche Grüße in Richtung unseres indischen Freundes in Wien aus: „Stefan says Hi“. Es dauert ein wenig, dann sendet Vijit die Grüße zurück: „Fuck. Diese Typen sind echt überall zu finden.“
Die Pizza-Frau und ich, wir schließen eine Facebook-Freundschaft – und stellen dabei fest, dass wir ohnehin schon vier gemeinsame Bekannte haben. Mit dem Wolf, dem sie kurz darauf ebenfalls eine Freundschaftsanfrage schickt, hat sie über 30 gemeinsame Kontakte.
Die Welt ist klein, stelle ich fest. Mit einer zuvor unbekannten Person bin ich über etliche Ecken vernetzt; und es ist anscheinend nur eine Frage der Zeit gewesen, bis wir einander kennen lernen würden – eine wunderschöne Bestätigung der Small-World-Theorie, nach der jeder Mensch mit anderen Menschen auf diesem Planeten über maximal acht Ecken vernetzt ist. Und technologische Netzwerke wie Facebook verbildlichen wunderschön, dass es eigentlich gar keinen Fremden gibt; sondern nur Freunde, die man noch nicht kennen gelernt hat – auch in Indien, das gerade seinen Aufschwung erlebt und vom anderen Ende der Welt leider noch immer als ein Cocktail aus Schlangenbeschwörern, Slums und Programmier-Äffchen wahrgenommen wird.