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Das ist nicht mein Leben

Facebook möchte unser Leben. Alles davon. Zumindest ist das der Eindruck, den CEO Mark Zuckerberg auf der F8-Konferenz in San Francisco erweckt hat: Erstens sollen wir im Rahmen unserer „Timeline“ alle vorherigen Ereignisse unseres Lebens bekannt geben – selbst solche, die vor unserer Anmeldung beim Social Network stattgefunden haben, wie etwa unsere Geburt, unser erstes misslungenes Date und Fotos vom ersten Akne-Armageddon. Zweitens sollen wir teilen, was wir jetzt gerade tun: Welche Musik wir hören, welche Filme wir sehen, welche Artikel wir lesen – egal, ob über Wirtschaftspolitik oder Empfängnisverhütung.

Mark, ich hab schlechte Nachrichten für Dich: Mein Leben ist mehr als das, was ich auf Facebook teile. Das mag Dich jetzt schockieren, weil ich ja sonst wirklich ein Heavy User Deines Netzwerks bin und schon so manches Detail mit vielen Menschen geteilt habe. Dennoch: Manches behalte ich doch lieber für mich.

Und dazu gehört etwa, was ich in der Pubertät so gemacht habe. Ich finde einfach, dass das niemanden etwas angeht – und mit dieser Ansicht bin ich im paranoiden Österreich wohl nicht alleine. Auch wirst Du nicht von jedem einzelnen Lied erfahren, das ich höre: Zwar streame ich gerne aus der Cloud, aber ich behalte mir dennoch auf meiner Festplatte eine kleine, feine Sammlung an guter Musik im mp3-Format. Manche meiner Freunde – man mag es kaum glauben – verwenden gar noch so altmodische Medien namens „CD“ und „DVD“. Gerade rief mich ein Freund an, um mir von einem tollen Song zu erzählen, den er im Radio gehört hatte. Offline.

Nichtsdestotrotz: Ein paar Leute, wohl nicht wenige, werden mitmachen beim Plan, den Facebook hier dargelegt hat. Das sind dann die Gleichen, die jetzt schon ihre Spielergebnisse aus Farmville bekannt geben, „I will survive“ auf Facebook stellen, weil sie gerade Liebeskummer haben und generell das weltweite Web mit allerlei Pseudo-Weisheiten beglücken. Der Anteil dieser Menschen an der Gesamtbevölkerung Facebooks hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen – und die Neuerungen werden diese Entwicklung weiter anfachen. Vorsicht: Ein Sturm aus Bullshit steht uns bevor.

Das lässt sich nicht vermeiden, leider. Und deckt sich mit dem Zuckerberg’schen Gesetz, nach dem jedes Jahr die Menschen doppelt so viele Inhalte mit der Welt teilen wie im Jahr zuvor. Für das Individuum gibt es nur eine Lösung: Einfach nicht mitmachen. Facebook per se ist ja nicht böse; es hat mich mit vielen Leuten zusammen gebracht, die sich sonst nie kennen gelernt hätte oder längst aus den Augen verloren hatte – aber ich muss nicht jedem mitteilen, welches Schnitzel ich gerade esse. Und ich wäre meinen Kontakten dankbar, wenn sie ähnlich achtsam mit ihren Daten umgehen.

Aus Gründen der Effizienzmaximierung erschien dieser Beitrag auch in der WirtschaftsBlatt TechZone, meinem aktuellen beruflichen Zuhause.