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Wenn Kommunikations-Konzerne krumm kommunizieren

Für unser Dossier zum Thema „Zehn Jahre 9/11“ wollte ich eigentlich einen Artikel über Flughafen-Sicherheit schreiben; ein großer Anbieter in diesem Feld ist der Siemens-Konzern. Wie sich wohl das Geschäft durch das starke Sicherheitsbedürfnis geändert hat? Ein Anruf bei Siemens Österreich ergibt, dass dazu keine Daten vorliegen. Die Dame kann/möchte sich auch selbst nicht darum kümmern und verweist mich an einen Herrn A in Deutschland. Nun gut.

In Deutschland hebt niemand das Telefon ab. Dafür ruft mich die österreichische Kollegin nochmals an und teilt mit, Herr A sei ja auf Urlaub; ich solle mich an Frau B wenden. Also sende ich ein Email an Herrn A und Frau B und bekomme kurz darauf die Auto-Replies: Von Herrn A, dass er auf Urlaub ist; und von Frau B, dass sie in Karenz ist. Als Karenzvertretung nennt sie Herrn A.

Glücklicherweise steht im Auto-Reply von Herrn A der Kontakt von Frau C, der ich gleich ein Email schreibe. Und vorsichtshalber versuche ich es nochmals in Österreich; schicke Herrn D ein Email – worauf mich die Dame vom Beginn des Marathons nochmals anruft, um mir zu beteuern, dass das keinen Sinn macht. Ich solle mich doch stattdessen selbst im Internet schlau machen, oder mich an Frau E (ebenfalls in Deutschland) wenden. Es sei aber ungewiss, dass sie mir helfen kann; schließlich sei die Abteilung nicht ganz die richtige.

Zum Glück ruft mich inzwischen wieder Frau C zurück. Sie zeigt Verständnis für meine Verwirrung, weist aber darauf hin, dass auch sie leider zur falschen Division gehört. Ich solle mich doch bitte bei Frau F in der Schweiz melden, die sei Teil der richtigen Division. Inzwischen ist der Arbeitstag vorbei und ich gehe heim.

Neuer Tag, neues Glück: Frau F in der Schweiz existiert, und sie geht sogar ans Telefon. Allerdings weist sie mich darauf hin, dass ich es doch bitte bei den Kollegen in Österreich versuchen solle. „Das habe ich schon“, sage ich: „Und über Umwege bin ich an sie verwiesen worden.“ Für was für ein Medium ich denn arbeite? Online, sage ich. Wieder ein Problem: Für Fach- und Wirtschaftsmedien sind wieder jeweils andere Personen zuständig. Sie verspricht aber, mir eine zuständige Person G aufzutreiben. „Wissen Sie: Wir sind ein großer Konzern, und hier arbeiten viele Leute“, entschuldigt sie sich stellvertretend. Ich frage sie, ob sie „Asterix erobert Rom“ gesehen hat.

Der Rückruf blieb bisher aus. Und ich bin mit meinem Latein am Ende; immerhin habe ich inzwischen mit etlichen Menschen in drei verschiedenen Ländern mehr oder weniger kommuniziert. Warum ist das gerade bei Siemens irgendwie amüsant? Vermutlich, weil der Konzern mit der Sparte „Siemens Enterprise Communications“ selbst Lösungen für eine effizientere Unternehmens-Kommunikation vertreibt. Aber andererseits darf man das nicht so eng sehen: Immer, das habe ich inzwischen gelernt, ist das ja eine ganz andere Division.

UPDATE: Soeben habe ich einen Anruf aus der Pressestelle von Siemens Österreich bekommen. Mit dem Hinweis, dass Siemens Enterprise Communications nicht mehr zu hundert Prozent zu Siemens gehört, sondern ein Tochterunternehmen von The Gores Group und der Siemens AG ist (Positiveffekt: Eine Division weniger, für die man kommunizieren muss).

Außerdem zeigte man sich nicht gerade erfreut über meine Darstellung der Siemens’schen Kommunikationswege – schließlich haben die Mitarbeiter ständig damit zu kämpfen, während ein Journalist das nur punktuell von außen beobachtet. Das stimmt allerdings: Die Mitarbeiter, die sind die Leidtragenden in diesem System. Mein Beileid.

UPDATE, zweiter Akt (8.9., ca. 15 Uhr): Auftritt: Eine bisher unbeteiligte Kommunikatorin von Siemens Deutschland. Namentlich erinnert sie mich an Frau B, mit der ich sie irrtümlich verwechsle (zur Erinnerung: Frau B ist in Karenz). Sie kennt Frau B aber gar nicht (vermutlich eine andere Division), weshalb ich sie zwecks korrekter Chronologie als Frau H bezeichne. Frau H fragt, ob sie mir bei meiner Recherche helfen kann. Muss sie nicht, sage ich, denn Österreich habe mir bereits versichert, sich um das Thema zu kümmern. Die Kollegin in Österreich ist aber im Krankenstand, sagt Frau H zuvorkommend. „Das kann nicht sein“, sage ich: „Ich habe vor wenigen Minuten mit ihr telefoniert.“ Die Handynummer von Frau H habe ich mir vorsichtshalber mal notiert – vielleicht  brauche ich sie ja noch.

Aus Gründern der Effizienzmaximierung erschien dieser Beitrag auch auf meinem neuen Arbeitsplatz, der WirtschaftsBlatt TechZone.