Zum Inhalt springen

Die Erfahrung zeigt: Die Masse ist nicht immer klasse

„Ich habe eine Schreibblockade. Wer kann mir einen Tipp geben, was ich in meine wöchentliche Wirtschafts-Blatt-Kolumne schreiben soll? “ Mit dieser Frage auf meinem Facebook-Profil habe ich mich auf die Suche nach einem Thema für diese Zeilen begeben. Mit mäßigem Erfolg: Eine Bekannte nutzte die Gelegenheit, mich auf den Text von vergangener Woche anzusprechen; ein Pressesprecher versuchte kühn, seine eigenen Themen zu positionieren. Was ich dort versucht habe, nennt man Crowdsourcing-also die Auslagerung von Unternehmensaufgaben auf die Intelligenz und Arbeitskraft einer Masse an Menschen im Netz. Auf diese Art können in vielen Fällen kreative neue Ideen in das Unternehmen gespült werden; Kosten für zum Beispiel die Weiterentwicklung von Produkten werden gespart. Das funktioniert bei verschiedenen Projekten recht gut: Die freie Enzyklopädie Wikipedia lebt etwa von den ehrenamtlichen Beiträgen von Autoren, der Open-Source-Office-Klon „Open Office“ wird von global verstreuten Freizeitprogrammierern entwickelt und in etlichen Büros – etwa auch im WirtschaftsBlatt – genutzt.

Aber es ist nicht alles eitel Sonnenschein im Land der Offenheit: Beispielsweise müssen verschiedene global verstreute Ideen auf einer sprachlichen, räumlichen und auch interkulturellen Ebene vernetzt werden; Angaben auf der englischsprachigen Wikipedia zufolge kann ein Crowdsourcing-Projekt ein Unternehmen gar teurer kommen als reguläres Outsourcing, zumal die oft vagen Ideen und Vorschläge in eine Richtung moderiert und zu einem sinnigen Schluss geführt werden müssen. Die Absenz von Arbeitsverträgen oder monetären Anreizen macht es auch schwierig, kreative Köpfe lange an sich zu binden; Sicherheit ist ein heikles Thema – und im schlimmsten Fall finden sich gar destruktiv veranlagte Menschen, die ein Projekt absichtlich in die falsche Richtung treiben. Was mich wieder zum Anfang dieses Beitrags führt: Inzwischen hat mich ein Bekannter aufgefordert, „über die Selbstverliebtheit eines IT-Journalisten“ zu schreiben. Mir scheint also, ich muss nun die Diskussion moderieren, bevor sie mir entgleitet – und verabschiede mich von Ihnen somit ins Wochenende.

Aus Gründen der Effizienzmaximierung erschien dieser Artikel auch in Stefan Meys Kolumne im WirtschaftsBlatt Investor.