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Hugh, ich habe geschwitzt!

Die geneigten Leserinnen und Leser mögen sich über die vergangenen Wochen hinweg gefragt haben, warum sich in diesem Kanal in jüngster Vergangenheit hauptsächlich CD-Besprechungen und Kopien von WirtschaftsBlatt-Essays statt intimer Geschichten aus meinem Privatleben fanden. Der Grund dafür ist, dass ich mich derzeit in einem Transformationsprozess befinde – vieles ändert sich, und nur wenige Dinge bleiben gleich. Das ist gut, sehr gut sogar – aber bevor ich lauthals die Entwicklungen in meinem neuen Leben in die Web-Welt hinaus schreibe, warte ich erst mal ab. Über ungelegte Eier soll man bekanntlich nicht sprechen.

Zeitlich perfekt fiel in diesen Kontext, dass ich von einer Dame, die ich über ein WirtschaftsBlatt-Interview kennen gelernt habe in eine indianische Schwitzhütte eingeladen wurde. Oberflächlich kann man ein solches Event als „Sauna mit Gatsch“ bezeichnen, denn man setzt sich gemeinsam mit anderen Leuten nackert in ein Iglu aus Reisigzweigen und Decken, das von Steinen erhitzt wird, welche zuvor in einem außerhalb der Hütte befindlichen Lagerfeuer gelegen sind. Doch das ist nicht alles – tatsächlich geht es bei der ganzen Sache um indianische Mythologie, und – ja, ich verwende das Wort jetzt bewusst – Esoterik.

Wer damit nichts anfangen kann, darf jetzt mit dem Lesen aufhören.

Ich bin ein offener Mensch und probiere gerne neue Dinge aus. Dementsprechend stand ich auch dem Test der Schwitzhütte ohne Erwartungen und Vorurteile gegenüber. Fairerweise müssen zum Test zwei Dinge gesagt werden:

1. Ich bin spirituell stark vorbelastet. Nicht nur, dass ich im auf religiöser Ebene vielfältigsten Land der Welt aufgewachsen bin; ich habe auch während meiner Studienzeit mit verschiedenen Formen der Meditation gespielt. Später setzte ich mich mit NLP intensiver auseinander – diese Disziplin kann zwar nicht als Wissenschaft im engeren Sinn bezeichnet werden, liefert aber auf viele scheinbar überirdische Phänomene eine rationale Erklärung.

2.  Am Vorabend war ich mit dem Debattierclub unterwegs. Entsprechend hatte ich Kopfweh und mein Mund war trocken von den etlichen Litern an – ähm – Orangensaft, die ich konsumiert hatte.

Mit diesem Grundvoraussetzungen begab ich mich nach Niederösterreich, um dort an indianischer Mythologie zu schnuppern.

Schwacher Start

Zu Beginn sorgte das ganze Konzept bei mir eher für Befremdung. In der Vorstellungsrunde ist es üblich, mit dem Satz „Ich habe gesprochen“ seine Aussage zu schließen, worauf der Rest des Kreises mit einem indianisch-alpinen „Hugh“ antwortet. Man steht in einem Kreis aus Steinen, der ein so genanntes Medizinrad darstellt – jeder Himmelsrichtung des Rades steht für eine bestimmte Charaktereigenschaft: Der Süden für das Kind im Erwachsenen, der Norden für das Rationale; der Osten für den Neuanfang, der Westen für die Beständigkeit. Einen Altar gibt es auch, auf den die Teilnehmer ihre „Kraftgegenstände“ legen – etwa diverse Amulette. Eben diese werden einem Teilnehmer zufolge mit Energie aufgeladen; ein Phänomen, das im NLP als „Anker“ bezeichnet wird: Physische Reize werden mit Emotionen gekoppelt, so dass beim erneuten Kontakt mit dem physischen Reiz die Emotion jederzeit abrufbar ist.

Bis dahin: Nicht so wirklich mein Ding. Vielleicht lag es an meiner Vorerfahrung, oder auch an meinem mordsmäßigen Kater. Aber irgendwie kam mir das alles einfach ein bisschen komisch vor.

Sternenhimmel

Das änderte sich dann in der Schwitzhütte. Denn hier kommen gleich mehrere Faktoren zusammen.

Erstens ist es heiß – zwar vermutlich nicht so heiß wie in einer Sauna; aber bei einem ohnehin ramponierten Flüssigkeitshaushalt wie dem meinigen genug, um eine Wirkung zu erzielen. Hinzu kommt, dass auf die glühend heißen Steine in regelmäßigen Abständen Wasser gekippt wird, was für eine hohe Luftfeuchtigkeit in der nicht mal mannshohen Hütte sorgt. Kräuter, die auf die Steine geworfen werden, sorgen zudem für einen strengen Geruch.

Einen noch stärkeren Effekte haben die schamanischen Gesänge, die von den Mitgliedern angestimmt werden. Denn Geräusche und Gerüche sind die einzigen Sinneswahrnehmungen, die es in der Hütte gibt – ansonsten ist es stockfinster. Die Dunkelheit sorgt für das, was in der Psychologie als „sensorische Deprivation“ bezeichnet wird, und gerne in der Esoterik genutzt wird, um das Hirn der Teilnehmer zum Halluzinieren zu bewegen. In meinem Fall versagte nach einiger Zeit die räumliche Wahrnehmung – ich  empfand die Hütte als deutlich größer, als sie eigentlich war -, und gegen Ende halluzinierte ich einen Sternenhimmel in die Dunkelheit hinein. Für größere Visionen als ein paar bunte Punkte reichte es bei mir aber nicht.

Aber: Eine Lockerung trat ein; und eine Bereitschaft, sich mit den Entwicklungen in mir und um mich herum aktiv auseinander zu setzen. Ich habe Dinge ausgesprochen, und dadurch wurden sie mir viel klarer. Aspekte los gelassen, die mich zuvor noch viel zu sehr beschäftigt und belastet haben. Und im Endeffekt wurde mir bewusst, was ich auch schon vor der Schwitzhütte wusste: Mir geht es verdammt gut derzeit.

Fazit: Ruhig mal ausprobieren

Für die Dinge, die an besagtem Abend in dieser Hütte passiert sind, gibt es rationale Erklärungen: Sensorische Deprivation einerseits, aber auch der Entzug von Flüssigkeit aus meinem Körper – und nicht zuletzt die Tatsache, dass das Rausreißen aus dem gewohnten Umfeld die Gedanken beflügelt; ein Phänomen, das so mancher Reisender ebenso beschreiben kann.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Erlebnis per se am Ende doch sehr befreiend und bereichernd war. Ich habe Aspekte an meinem Leben erkannt, die mir wichtig sind; und das ist gut so. Somit ist die Schwitzhütte ein Erlebnis, das ich nur weiter empfehlen kann; es sei denn, man kann mit dem esoterischen Indianer-Tamtam nichts anfangen – aber solche Leute haben dieser Beitrag wohl ohnehin nicht bis zum Ende gelesen.