Stefan Mey

24 Stunden in Wien

Morgens, 4 Uhr, in Wien.

Ich bin putzmunter, kann nicht mehr einschlafen. Also meditiere ich noch ein wenig, schreibe die ersten 700 Wörter meines NaNoWriMo-Romans, bewundere den Sonnenaufgang über den Dächern Ottakrings und frühstücke ausgiebig, bevor ich mich in die Arbeit aufmache. Logisch eigentlich, dass ich nicht mehr schlafen kann; denn nach meiner inneren Uhr ist es bereits 11 Uhr morgens, Zeit für’s Frühstücksbuffet.

Am Vorabend ist der Bär nicht sonderlich lange gesteppt. Bereits um 21 Uhr (4 Uhr morgens in Bali) bin ich in die Federn gekippt. Gemeldet habe ich mich bei keinem meiner Freunde; nur Tina – die den Fehler gemacht hatte, mich anzurufen – hat sich meine gesamten Bali-Erfahrungen ausführlich anhören müssen. Die Arme.

Ansonsten wieder mit harter österreichischer Bürokratie konfrontiert worden: Nach zwei Stationen Fahrt mit der S-Bahn wurde ich kontrolliert; und weil meine aktuelle Jahreskarten-Marke nicht eingeklebt war (die lag nämlich im Postkasten meiner neuen Wohnung), musste ich am Folgetag ein Mail schicken. Verwaltungsnummer vergessen – also gleich ein zweites Mail hinterher. Post vom Finanzminister, der wieder Geld von mir haben wollte, war auch in meiner Snailmail-Inbox. Nur nichts von der SVA – ein sehr ungewöhnliches Verhalten für die kleinen Blutsauger.

Zeitsprung. Heute Vormittag im Büro: Die Anzahl der Emails in meiner ohnehin stets überfüllten Inbox lässt sich nicht mehr erfassen; immer, wenn ich ausreichend gelöscht habe, rücken neue nach. Normalerweise lese ich Mails, indem ich die Maus in der rechten Hand halte und den linken Zeigefinger auf der „Entf“-Taste habe – diesmal lass ich die rechte Hand gleich ganz weg.

Und dann: Döner. So rassistisch und engstirnig Österreich auch ansonsten ist, eines muss man ihnen lassen: Die Immigranten machen hier hervorragenden Kebap, deutlich besser als das komische Ding, das ich vor drei Wochen in Kuala Lumpur gegessen habe. Was wäre Österreich bloß ohne so wundervolle Menschen wie meinen Döner-Mann? Manches hat man vermisst, ohne zu wissen, dass man es vermisst hat.

Tja, und nun ist es halb drei. Zumindest in Wien. In Bali hingegen ist es halb 10; und das bedeutet, dass meine innere Uhr Lust auf ein Bintang hat. Aber das käme im Büro erstens nicht so gut an – und zweitens schmeckt das ohne weiße Strände nur halb so gut.


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