Stefan Mey

Die SPÖ glaubt an Zuwanderung? Hurra!

Selektive Wahrnehmung ist ein wichtiger Schutzmechanismus. Unverzichtbar geradezu in einem Umfeld, in dem die Reizüberflutung ansonsten zu einer Supernova im Großhirn führen würde. Und überhaupt: Der ganze Bullshit. Den würde man ohne selektive Wahrnehmung gar nicht mehr verarbeiten können.

Aber manchmal, da funktioniert sie nicht, meine selektive Wahrnehmung. Dann geh ich über die Straßen und mach mir Gedanken über das, was ich sonst auszublenden versuche. Und dann kann ich der Versuchung nicht widerstehen, und muss dann doch über Politik schreiben, auf diesem Blog. Was ich sonst ja nie tue, aber heute will ich. Heute muss ich.

Weil mich dieses Plakat schon wieder angesprungen hat. Das mit der Aufschrift: „Wir glauben an unsere Jugend. Die SPÖ an Zuwanderung.“

Ist eigentlich ziemlich gemein, nicht an mich zu glauben. Und auch nicht an viele andere tolle Menschen in diesem Land. Und an ihre Lebensgefährten.

Ich meine: Nicht nur, dass ich selbst zugewandert bin und augenblicklich auswandern würde, käme – Gott behüte! – diese Partei tatsächlich eines Tages in die Situation, etwas ändern zu können. Hinzu kommt ja, dass ich viele Freunde aus der Community der Nicht-so-ganz-aus-Österreich-stammenden habe. Einer meiner besten Freunde ist Tscheche, ein anderer Bosnier, wieder einer hat ungarische Wurzeln. Manche kommen aus dem Burgenland, und das ist ebenfalls okay.

Und die Österreicher, die da noch bleiben, die haben zu einem großen Teil Lebensgefährtinnen aus dem Ausland: Ungarn, Tschechien oder auch Belgien. Mein eigener Lebenslauf ist in dieser Hinsicht auch alles andere als rein-österreichisch oder -deutsch. Und, wohlgemerkt: Meine Freunde sind nicht ausschließlich links-linke Grün-Wähler, sondern zu einem großen Teil Konservative. Das hindert sie nicht daran, die Welt außerhalb der Staatsgrenzen wahrzunehmen.

Man möge mich jetzt vielleicht als multikulti-verträumten Gutmenschen hinstellen, wegen meiner Vergangenheit als Chefredakteur der „Bunten Zeitung“ (die nun als „Global Player“ verkauft wird). Aber ehrlich: Ich seh das pragmatisch. Beziehungen, die ich mit „zugewanderten“ Mädchen hatte, bereue ich nicht, und der ungarische Humor ist traumhaft – kennen Sie die Witze mit dem schlecht gelaunten Schwein? Werde ich bei Gelegenheit mal erzählen. Außerdem sind die kreativsten Entrepreneure in meinem Umfeld Asiaten, die fleißigsten Arbeiter sind Türken – wenn ich morgens aus der Straßenbahn steige, dann werkelt der Kebap-Mann schon eifrig, während die Österreich-Fraktion ihrerseits Richtung AMS torkelt.

Fazit: Bei Herrn Strache kann man sich nur bedanken. Weil er ein klares Statement gesetzt hat: „Wer die FPÖ wählt, entscheidet sich gegen Stefan. Und gegen seine Freunde.“

Also, bitte: Entscheidet weise. Danke.

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